Persönlichkeitsrechte: Richter verhängen Fotografierverbot

Persoenlichkeitsrechte Richter verhaengen Fotografierverbot
Persoenlichkeitsrechte Richter verhaengen Fotografierverbot(c) Erwin Wodicka - wodicka@aon.at (Erwin Wodicka)
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Bisher konnte man grundsätzlich jeden ablichten. Nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofs drohen bei ungefragten Fotos nun aber Klagen.

Wien. Wann darf man eine Person fotografieren? Bisher galten liberale Regeln. Fotografieren durfte man ungefragt jeden, sofern es sich nicht um eine besonders private Situation (etwa in Wohnung, Garten) handelt. Nun aber ändert der Oberste Gerichtshof in einer aktuellen Entscheidung die Rechtsprechung und verschärft die Regeln.

Anlass war ein Streit zwischen Männern, die beruflich Kontrahenten waren. Der eine ist Rechtsanwalt, der andere Eigentümer eines Wohnhauses in Wien. Der Anwalt vertritt Bauunternehmer, die den Hausbesitzer klagten, um Lohnforderungen durchzusetzen. In diesem Zusammenhang traf man auch im betreffenden Haus zusammen, um mithilfe eines sachverständigen Malermeisters Befunde zu erheben. Dabei zückte der Hausbesitzer seine Digitalkamera und fotografierte die anwesenden Personen, darunter auch den Juristen. Der Anwalt fragte sogleich den Hausbesitzer, warum er statt des Bauwerks ihn fotografiert habe. „Zur Belustigung“, entgegnete der Mann. Das ärgerte den Anwalt, der nun forderte, dass das von ihm gemachte Bild gelöscht wird. Dies verweigerte der Hausbesitzer.

Der Jurist brachte Klage bei Gericht ein: Der Hausbesitzer habe es zu unterlassen, Fotos von ihm zu schießen. Das Bezirksgericht Wien Innere Stadt lehnte die Klage ab und verwies auf die Rechtslage: So verbiete §78 des Urheberrechtsgesetzes bloß eine Veröffentlichung von Fotos. Und auch das nur, wenn persönliche Interessen verletzt werden. Die zweite Instanz kam zum gleichen Schluss: Es gebe keine Bestimmung, die das Fotografieren einer Person grundsätzlich verbietet, befand das Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen. Das konkrete Bild eigne sich auch nicht dazu, sich über den Anwalt lustig zu machen. Und es sei irrelevant, ob der Fotograf ein Interesse am Schießen des Bildes habe oder nicht.

OGH übernimmt deutsches Recht

Der Anwalt zog aber noch vor den Obersten Gerichtshof – und dieser ging ganz andere Wege. Er verwies auf die deutsche Rechtsprechung: Darin herrsche die Auffassung, dass bereits das nicht genehmigte Schießen von Fotos eine Person im Persönlichkeitsrecht verletzen könne. Der deutsche Bundesgerichtshof habe bereits 1995 entschieden, dass das Fotografieren einer Person grundsätzlich auch unzulässig ist, wenn man das Bild gar nicht weiter verbreiten wolle. Man müsse laut deutschem Recht eine Interessenabwägung zwischen dem Recht des Abgebildeten und den Interessen des Fotografen vornehmen. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, so der OGH, habe schon festgehalten, dass der Begriff des Privatlebens auch das Bild einer Person betreffen könne.

„Der erkennende Senat schließt sich der Auffassung des deutschen Bundesgerichtshofs an“, erklärte der OGH schließlich. Denn bereits das „fotografische Festhalten einer bestimmten Tätigkeit oder Situation kann vom Abgebildeten als unangenehm empfunden werden und ihn an der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit hindern“, mahnt der OGH. Und man könne ein einmal gemachtes Foto durch die „moderne Digitaltechnik“ auch manipulieren und verbreiten. Genauso wie bereits Sprachaufnahmen unabhängig von einer späteren Verbreitung verboten sein können, gelte das auch für Fotografien, meinten die Richter.

Urlaubsfotos bleiben erlaubt

An Deutschland angelehnt fordert der OGH aber auch hierzulande eine Güter- und Einzelfallabwägung. Berücksichtigen müsse man etwa, ob eine Aufnahme gezielt erfolgt oder eine Person nur zufällig aufs Bild gerät. Wer etwa bei Urlaubsfotos als Passant im Hintergrund auftaucht, könne keine Rechte geltend machen.

Im aktuellen Fall habe der Hausbesitzer die Fotos des Anwalts nur „zur Belustigung gemacht“. Und der Anwalt müsse Angst haben, dass der Hausbesitzer das Foto im Nachhinein manipuliere, meinten die Höchstrichter. Es gebe kein schutzwürdiges Interesse, um dieses Foto zu machen. Der OGH(6 Ob 256/12h) drehte somit das Urteil der Vorinstanzen um und gab der Unterlassungsklage des fotografierten Anwalts statt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2013)

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