Auf Zuruf muss Google Ruf schützen

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Suchmaschinenbetreiber haften für beleidigende Ergänzungen von Einträgen, die bei der Eingabe vorgeschlagen werden. Betroffene müssen aber die Unterlassung verlangen.

Wien. Schlägt eine Suchmaschine bei Eingabe des Namens einer Person automatisch vor, diesen um Suchbegriffe wie „Betrug“ oder „Rotlicht“ zu ergänzen, so könnte der Betreiber der Suchmaschine für die Ehrverletzung bzw. Rufschädigung zur Haftung herangezogen werden.

Beginnt man bei einer Suchmaschine wie Google, Bing oder Yahoo einen Suchbegriff einzugeben, so schlägt die Suchmaschine meist automatisch Möglichkeiten vor, den Suchbegriff zu ergänzen. Die von Google angezeigten Ergänzungsvorschläge werden auf der Basis eines Algorithmus ermittelt, der von Google erfasste Websites (sog. indizierte Websites) sowie die von anderen Nutzern eingegebenen Suchanfragen einbezieht. So kann es dazu kommen, dass Suchmaschinen bei der Eingabe eines bestimmten Namens Suchbegriffergänzungen vorschlagen, die für diese Person beleidigend oder rufschädigend sind.

Beispielsweise hatte die Ehefrau des ehemaligen deutschen Bundespräsidenten, Bettina Wulff, 2012 eine Klage gegen Google eingebracht, da die Suchmaschine bei Eingabe ihres Namens unter anderem vorschlug, die Suche um den Begriff „Rotlicht“ zu ergänzen.

Verbindung mit Scientology

Seit vergangener Woche liegt nun ein Urteil des deutschen Bundesgerichtshofes (BGH) vor, mit dem erstmals über die Verantwortlichkeit von Betreibern für derartige Suchbegriffergänzungen entschieden wurde (BGH 14. 5. 2013, VI ZR 269/12). Der Kläger begehrte von Google sowohl Unterlassung als auch Schadenersatz, da Google bei der Eingabe seines Namens diesen durch die Begriffe „Scientology“ und „Betrug“ ergänzte. Diese Ergänzungsvorschläge basierten ausschließlich auf Suchanfragen anderer Nutzer – eine indizierte Website, die den Kläger mit Scientology oder einem Betrug in Verbindung brachte, gab es nicht.

Der BGH hielt fest, dass die Suchwort-Ergänzungsvorschläge „Scientology“ und „Betrug“ bei Eingabe des Namens des Klägers eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers beinhalten würden, da ihnen der Aussagegehalt innewohnen würde, zwischen dem Kläger und den negativ belegten Begriffen bestünde ein sachlicher Zusammenhang.

Da es dem Betreiber einer Suchmaschine aber nicht zumutbar sei, Suchergänzungsvorschläge generell vorab auf etwaige Rechtsverletzungen zu überprüfen, trete erst dann eine Verantwortlichkeit des Betreibers ein, wenn er Kenntnis von der Verletzung des Persönlichkeitsrechts erlangt. Nach Ansicht des BGH kann ein Betreiber einer Suchmaschine daher nur dann erfolgreich auf Unterlassung geklagt werden, wenn er zuvor auf eine entsprechende Unterlassungsaufforderung nicht reagiert hat. Ob der Betreiber auch einer schadenersatzrechtlichen Haftung ausgesetzt ist, ließ der BGH hingegen offen.

Hilft Hinweis auf Automatik?

Diese Entscheidung des BGH ist durchaus zu hinterfragen. Selbst bei ungünstigster Auslegung ist es keineswegs zwingend, der Verknüpfung eines Namens mit einem Begriff wie „Betrug“ den Aussagegehalt zu unterstellen, der Genannte sei Täter eines Betruges gewesen. Jedenfalls könnte die Beurteilung dann zu einem anderen Ergebnis führen, wenn der Suchmaschinenbetreiber einen leicht sichtbaren Hinweis aufnimmt, dass die Ergänzungsvorschläge automatisch aus Suchanfragen anderer Nutzer sowie aus indizierten Websites errechnet werden.

Haftung in Österreich beschränkt

Aus österreichischer Sicht ist zudem darauf hinzuweisen, dass das österreichische E-Commerce-Gesetz – anders als das deutsche Telemediengesetz – ein Haftungsprivileg für Suchmaschinen vorsieht. Nach diesem besteht selbst bei Kenntnis von den rechtswidrigen Inhalten weder eine straf- noch eine schadenersatzrechtliche Verantwortlichkeit, wenn der Betreiber lediglich in passiver Weise elektronische Hilfsmittel zur Suche nach fremden Informationen bereitstellt.

Auch die automatische Suchbegriffergänzung ist rein technisch betrachtet eine Form der Suche nach fremden Informationen, nämlich nach Suchbegriffen, die von anderen Nutzern eingegeben wurden oder in indizierten Websites enthalten sind. Suchmaschinen wie Google, Bing oder Yahoo werden sich daher in Österreich hinsichtlich ihrer Suchbegriffergänzung mit guten Erfolgsaussichten auf das für Suchmaschinen bestehende Haftungsprivileg berufen können. Eine straf- oder schadenersatzrechtliche Verantwortlichkeit scheidet daher selbst bei tatsächlicher Kenntnis von rechtswidrigen Suchbegriffergänzungen aus.

Da die Haftungsprivilegien des E-Commerce-Gesetzes jedoch nicht für Unterlassungsansprüche gelten, wäre die Durchsetzung eines Anspruchs auf Unterlassung der Verwendung bestimmter Suchbegriffergänzungen auch nach österreichischem Recht grundsätzlich denkbar. Da der Suchmaschinenbetreiber aber nur als Gehilfe anzusehen ist, der die Inhalte Dritter weiterverbreitet, besteht nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nur dann eine Verantwortlichkeit, wenn der Betreiber die Rechtsverletzung bewusst fördert (vgl. OGH 19. 12. 2005, 4 Ob 194/05s – Google). Im Ergebnis müsste der Suchmaschinenbetreiber daher auch nach österreichischem Recht zuerst durch eine entsprechende Unterlassungsaufforderung über die rechtsverletzenden Suchbegriffergänzungen informiert werden.

Dr. Lukas Feiler, SSCP, ist
Rechtsanwaltsanwärter bei
Baker & McKenzie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2013)

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