Anhalterecht und private Selbsthilfe

Im Schwarzfahrer bzw. -kappler-Fall spielen das Straf- und das Zivilrecht eine Rolle. § 86/2 der Strafprozessordnung gewährt ein privates Anhalterecht, sollte jemand im Verdacht stehen, eine gerichtlich strafbare Handlung gerade auszuführen oder unmittelbar zuvor begangen zu haben. Demnach ist jedermann berechtigt, diese Person auf angemessene Weise anzuhalten. Das mag für einen Ladendieb gelten, der vom Hausdetektiv gefasst wird, oder für einen Handtaschenräuber, den ein Passant stellt. Nicht anwendbar ist es aber gegenüber einem Schwarzfahrer, weil der im (schaffnerlosen) Normalfall niemanden täuscht und nur eine Verwaltungsübertretung setzt.

Der bereicherungs- oder vertragsrechtliche Anspruch von Verkehrsunternehmen auf Zahlung des Fahrpreises bringt aber das Zivilrecht ins Spiel. Und das ABGB enthält in § 344 das „private Selbsthilferecht“. Dieses dient der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche (hier aber nur durch den Berechtigten oder seine Beauftragten), wenn behördliche Hilfe zu spät käme: Das Gesetz spricht vom Recht, „Gewalt mit angemessener Gewalt abzutreiben“. Den Schwarzfahrer zur Feststellung der Identität anzuhalten ist laut OGH legitim: Es sei in der Regel das gelindeste (und einzige) Mittel, den rechtmäßigen Zustand herzustellen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2007)

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