EuGH: Recht auf Vergessenwerden durch Google

Reuters/David W Cerny
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Der EU-Gerichtshof stellt fest, dass Suchmaschinen direkt verpflichtet werden können, sensible Daten aus ihren Suchindizes zu entfernen – auch solche, die auf anderen Websites anfangs rechtmäßig online gegangen sind.

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) bejaht ein Recht auf Vergessenwerden, noch ehe die EU ein solches in ihrem Datenschutzrecht verankert hat: Betreiber von Suchmaschinen können demnach verpflichtet werden, personenbezogene Daten aus ihren Suchindizes zu entfernen, sodass störende Treffer in Ergebnislisten von Suchen nicht mehr aufscheinen. Im Streit des Spaniers Mario Costeja González gegen Google hat der EuGH in einem heute veröffentlichten Urteil (Rechtssache C-131/12) festgestellt , dass Suchmaschinenbetreiber für die von ihnen vorgenommene Verarbeitung von Daten verantwortlich sind. Betroffene können sich direkt an sie wenden und eine Löschung verlangen, wenn eine Veröffentlichung nicht mehr gerechtfertigt ist.

Pfändung wegen Sozialversicherung


Costeja González hatte in Spanien im Jahr 2010 darüber geklagt, dass man über Google Informationen über ihn erhalten konnte, die heute nicht mehr aktuell sind: Man wurde auf zwei Seiten der Tageszeitung  La Vanguardia von Januar und März 1998 verwiesen,  auf denen von einer Pfändung und Versteigerung von Grundstücken im Zusammenhang mit Schulden des Mannes bei der Sozialversicherung die Rede war. Seinen Angaben zufolge ist die Angelegenheit mittlerweile vollständig erledigt. Vor der spanischen Datenschutzagentur  setzte sich Costeja González zwar nicht gegen die Tageszeitung, aber gegen Google Spain und Google Inc. durch. Google wurde verpflichtet, die Daten aus dem Index zu entfernen. Doch der Suchmaschinenbetreiber klagte auf Aufhebung der Löschungsverpflichtung, woraufhin das spanische Gericht den EuGH einschaltete.

Suchmaschine als verantwortlicher Verarbeiter


Der stellt nun fest, dass Suchmaschinenbetreiber durch die Aufbereitung der Daten „Verarbeitungen“ vornehmen und damit zu „Verantwortlichen“ im Sinn der Datenschutzrichtlinie werden.  Weil aber die Suchmaschinenbetreiber neben den Herausgebern von Websites arbeiten und die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und Schutz personenbezogener Daten erheblich beeinträchtigen können, haben sie in ihrem Verantwortungsbereich im Rahmen ihrer Befugnisse und Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass ihre Tätigkeit den Anforderungen der Richtlinie entsprechen. Nur so könnten laut EuGH die in der Richtlinie vorgesehenen Garantien ihre volle Wirksamkeit entfalten und ein wirksamer und umfassender Schutz des Privatlebenes von Betroffenen tatsächlich verwirklicht werden.
Die Pflicht zur Löschung kann sogar dann bestehen, wenn die Daten nicht auch auf der Quell-Seite gelöscht werden, ja auch dann, wenn ihre Veröffentlichung dort als solche rechtmäßig ist. Der Gerichtshof begründet das damit, dass Suchmaschinen die erfassten Daten ubiquitär, also weltweit abrufbar, machen und diese in Verbindung mit anderen Informationen zahlreiche Aspekte des Privatlebens des Einzelnen offenlegen.

Interessenabwägung nötig


Das Recht auf Vergessenwerden ist freilich kein absolutes. Der Gerichtshof verlangt eine Abwägung gegenüber dem Recht der Allgemeinheit, die betrffenden Informationen zu erhalten. Laut EuGH ist daher ein angemessener Ausgleich zwischen diesem Interesse und den Grundrechten der betroffenen Person zu finden. Zwar würden die Rechte der betroffenen Person im Allgemeinen auch gegenüber dem Interesse der Internetnutzer überwiegen; der Ausgleich könne in besonders gelagerten Fällen aber von der Art der betreffenden Information, von deren Sensibilität für das Privatleben des Betroffenen und vom Interesse der Öffentlichkeit am Zugang zu der Information abhängen, das unter anderem von der Stellung des Einzelnen im öffentlichen Leben abhängen kann.  Jedenfalls kann, wie im Anlassfall, deutlich zu sehen, auch eine anfangs legitime Veröffentlichung und Verlinkung im Lauf der Zeit rechtswidrig werden.

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Das neue EU-Urteil macht es zwar einfacher, Suchmaschinen mit Löschungsanträgen zu konfrontieren; der Erfolg hängt aber von der Abwägung im Einzelfall ab.

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