Seefestspiele: Wenn eine Aufführung ins Wasser fällt

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Die Kulturereignisse werfen spannende Rechtsfragen auf - eine Streitschrift.

Wien. Sommerzeit ist Festspielzeit. Auch die Seefestspiele Mörbisch haben in den nächsten Tagen Premiere der heurigen Sommersaison („Anatevka“). Die Bühne und die Zuschauersitze befinden sich dabei unter freiem Himmel, was einerseits beeindruckende Effekte ermöglicht, andererseits aber auch vom Wetter abhängig macht. Eine wegen Schlechtwetters abgesagte Aufführung ist nun Gegenstand eines Gerichtsverfahrens, in dem der Autor dieses Beitrages als Partei beteiligt ist. Die folgenden Überlegungen zur Rückerstattung von Eintrittspreisen betreffen aber zumeist Open-Air-Veranstaltungen überhaupt und sind daher verallgemeinerungsfähig.

Denkwürdige „Fledermaus“

Der Kauf einer Eintrittskarte wird rechtlich als „Theaterbesuchsvertrag“ bzw. „Veranstaltungsbesuchsvertrag“ bezeichnet. Zu diesem Vertragstypus fehlte lange Zeit (fast) jegliche Literatur und Judikatur. Erst die „Skandalinszenierung“ der „Fledermaus“ bei den Salzburger Festspielen löste eine Welle an Beiträgen aus und brachte auch zweitinstanzliche Judikatur. Die vorherrschende Ansicht qualifiziert den Theaterbesuchsvertrag als Werkvertrag.

Im aktuellen Verfahren, dessen Ursprung kurioserweise auch eine Aufführung der „Fledermaus“ (2012) ist, geht es vor allem um diesen Passus in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB): „Muss die Vorstellung abgesagt oder abgebrochen werden, bevor eine Aufführungsdauer von 60 Minuten erreicht ist, kann die Eintrittskarte innerhalb von vier Wochen (...) zurückgegeben werden. (...) Eine spätere Rückgabe der Karte ist ausgeschlossen. (...) Im Falle eines Kostenersatzes wird lediglich der tatsächlich bezahlte Kartenpreis refundiert. Allenfalls für den Karteninhaber angefallene Spesen können nicht ersetzt bzw. geltend gemacht werden.“ Dabei scheinen drei Elemente problematisch: erstens der gänzliche Ausschluss der Erstattung nach 60 Spielminuten; zweitens die ausgesprochen kurze Frist und drittens der Ausschluss der Erstattung von (Kauf-)Spesen.

Rechtlich ergeben sich vor allem zwei Anknüpfungspunkte: Einerseits unterliegen AGB ja allgemein einer dreistufigen Kontrolle und sind unter anderem dann nichtig, wenn sie nicht die Hauptleistungspflicht festlegen (was sehr eng interpretiert wird und daher hier nicht vorliegt) und „einen Teil gröblich benachteiligen“ (§879 Abs3 ABGB). Gerade die vierwöchige Rückerstattungsfrist scheint, insbesondere während der Sommer- und Urlaubszeit, auffallend kurz und wäre daher meines Erachtens nichtig. Noch weniger rechtfertigen dürfte sich wohl der Ausschluss jeglicher Refundierung ab einer Spielzeit von 60 Minuten lassen, insbesondere bei längeren Aufführungen (Spielzeit der „Fledermaus“: etwa zweieinhalb Stunden).

Eigentlich erscheint die juristische Lösung aber noch simpler: Der Veranstaltungsvertrag ist üblicherweise ein Verbrauchergeschäft (§ 1 Abs1 Konsumentenschutzgesetz): Für den Zuseher gehört der Besuch ja nicht „zum Betrieb seines Unternehmens“ (ausgenommen etwa unternehmerisch tätige Kulturkritiker oder -journalisten), wohingegen es für den Veranstalter regelmäßig ein Unternehmensgeschäft im Sinn des KSchG darstellt.

Verbraucher stärker geschützt

Gegenüber Verbrauchern kann nun aber die Gewährleistung grundsätzlich nicht eingeschränkt werden. In § 9 KschG heißt es: „Die Vereinbarung einer kürzeren als der gesetzlichen Gewährleistungsfrist ist unwirksam.“ Nach herrschender Literatur und Judikatur ist es auch unwirksam, dem Verbraucher die Pflicht zur Mängelrüge aufzuerlegen oder den Mangel binnen einer gewissen Frist anzuzeigen.

Es bleibt daher gegenüber Verbrauchern bei der gesetzlichen Gewährleistungspflicht. Diese sieht vor, dass das Unterbleiben der Werkaufführung grundsätzlich den Werkunternehmer trifft (§ 1168a Satz 1 ABGB), kurz: ohne Aufführung kein Entgelt (und zwar gar keines). Dabei ist es übrigens unerheblich, ob das Werk körperlich oder – wie hier – unkörperlich ist.

Von den drei eingangs erwähnten Problemen können damit über die Werkvertragsgewährleistung zumindest zwei gelöst werden. Erstens: Die Frist kann wohl nicht auf vier Wochen verkürzt werden, sondern bleibt bei zwei Jahren (ab vereinbartem Leistungszeitpunkt). Zweitens dürfte bei gänzlichem Aufführungsentfall das gesamte Entgelt (also inklusive etwaiger Spesen etc.) zu refundieren sein, sogar inklusive Zinsen. Nur der letzte Punkt kann hier nicht abschließend behandelt werden: Das Ausmaß der Preisminderung bei einer Teilaufführung scheint schwierig festzumachen; eine simple, wenngleich grobschlächtige Möglichkeit wäre natürlich, den Wert einer Teilaufführung nach dem Verhältnis der Spielzeit zu bemessen.

Abgesehen von AGB-Kontrolle und Gewährleistung wären als Rechtsgrundlagen für die Refundierung übrigens noch Irrtum (gemeinsamer Irrtum über Wetterlage) und vor allem Verkürzung über die Hälfte („Laesio enormis“ – wenn weniger als 50 Prozent der Spieldauer erreicht wurden) aussichtsreich.

Zusammenfassend ist die Lehre aus dem konkreten Fall also zweierlei. Erstens, und das kann Nichtjuristen nicht oft genug veranschaulicht werden: Nicht alles, was in AGB steht, ist deshalb auch unbedingt wirksam. Und zweitens: Das Publikum der Operette „Fledermaus“ scheint besonders prozessierfreudig zu sein.


Dr. Clemens Limberg war Assistent am Institut für Zivilrecht der Universität Wien und ist seit Kurzem Rechtsanwalt in Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2014)

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