Meinungsfreiheit: Politiker kann „Arsch mit Ohren“ sein

(c) AP (Lilli Strauss)
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OGH widerspricht Vorinstanzen: Eine Karikatur ist unter Umständen zulässig. Hintergrund: Ein Streit über eine Strache-Karikatur in "Österreich".

Wien. Die Nationalratswahlen 2008 sind geschlagen, ein pikanter Fall aus dem Wahlkampf vor zwei Jahren stand aber erst jetzt auf der Tagesordnung des Obersten Gerichtshofs (OGH). Dessen Grundaussage: Es könnte zulässig sein, FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache mit einem „Arsch mit Ohren“ in Zusammenhang zu bringen.

In der Oberösterreich-Ausgabe der Zeitung „Österreich“ war im September 2006 eine aus vier aneinandergereihten Bildern bestehende Karikatur zu sehen. Die Bilder zeigen eine männliche und eine weibliche Person, die ein Bild im Museum betrachten. Das Bild zeigt ein Gesäß mit Ohren. Es kommt zu folgendem Dialog der Comicfiguren: „Grandios. Also ich finde Hazeh Strache sehr gut getroffen.“ – „Was? Jetzt hören Sie aber auf! Das ist doch nicht HC Strache, das ist ein Arsch mit Ohren!“ – „Jetzt, wo Sie's sagen.“

Der FPÖ-Politiker fand das nicht so lustig: Er forderte eine strafrechtliche Verurteilung wegen Beleidigung sowie eine medienrechtliche Entschädigung wegen übler Nachrede. Die Zeitung argumentierte damit, dass die Karikatur im Lichte der Meinungsfreiheit zulässig sei, weil sie eine Kritik an der Ausländerpolitik Straches darstelle. Eine derartige Interpretation sei aber selbst im Hinblick auf den Wahlkampf nicht nachvollziehbar, meinte die erste Instanz, das Landesgericht Wien. Der durchschnittliche Leser werde durch die Verwendung des Vornamens „Hazeh“ statt „HC“ im Cartoon keine Anspielung auf einen ausländischen Namen erkennen. Es handle sich um eine grobe persönliche Diffamierung Straches. Ihm wurden 2000 Euro Entschädigung zugesprochen.

Das Oberlandesgericht Wien sah die Sache in der Berufung ähnlich: Die Karikatur weise persönlichkeitsverletzende Aussagen auf, die weder durch die Freiheit der Meinung noch durch jene der Kunst gedeckt sind. Es fehle jegliche Präzisierung der Zielrichtung allfällig mittransportierter Kritik an der Person Straches. Es handle sich um einen persönlichkeitsverletzenden medialen Angriff ohne erkennbaren konkreten Anlass.

Grundsätzlich ist in derartigen Verfahren beim Oberlandesgericht Schluss. Hier aber griff die Generalprokuratur ein und brachte einen Antrag auf außerordentliche Wiederaufnahme ein. Auch die beklagte Zeitung forderte eine Erneuerung des Strafverfahrens wegen Verletzung der in der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierten Meinungsfreiheit. Nun war der OGH am Zug.

Politischer Kontext zu prüfen

Und die Höchstrichter (15 Os 10/08x) teilten die Bedenken der Generalprokuratur: Es gebe erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Beurteilung der Vorinstanzen. Der politische Kontext der Karikatur sei nicht berücksichtigt worden. Bei einem politischen Spitzenfunktionär spreche aber schon der Umstand, dass die Karikatur im Politikteil abgedruckt wurde, für die unmittelbare Verbindung zu den politischen Positionen der Partei. Es sei nicht notwendig, dass Zeichnung oder Text ausdrücklich darauf Bezug nehme. Der OGH erinnerte an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), wonach bei Kritik an einem Politiker größere Toleranz aufgebracht werden müsse.

Die bisherigen Entscheidungen der Gerichte wurden vom OGH aufgehoben. Nun ist wieder das Erstgericht im Zug. Es muss die Frage klären, ob der „Arsch mit Ohren“-Vergleich im Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit Straches in Ordnung ist. Die Erwägungen der Höchstrichter seien zwar noch kein Präjudiz, erklärt (der am Verfahren nicht beteiligte) Grazer Anwalt Stefan Lausegger im Gespräch mit der „Presse“. Er hält die OGH-Ansicht aber für überschießend: Eine derart verunglimpfende Bezeichnung ohne Darlegung einer Begründung verletze auch einen Politiker in seinem Recht auf Ehre, so Lausegger.

Übrigens: Laut einem Urteil des EGMR durfte man einen Politiker nach einer provokativen Rede ungestraft als Trottel bezeichnen. Ein österreichischer Journalist hatte in den Neunzigerjahren recht bekommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2008)

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