Erbe: Stundung, um Firmen zu retten

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Im Justizministerium wird an neuen Regeln für Pflichtteilsberechtigte gefeilt. Experten sind sich einig: Die strikten Gesetze müssen aufgeweicht werden.

Wien. Eigentlich wollte Susanne Steins Vater im Familienunternehmen noch fünf Jahre operativ tätig sein. Doch dann starb er schon im Alter von 61 Jahren. Nur 48 Stunden später war die Tochter bereits Geschäftsführerin des bekannten Buchverlags Manz.

Was so einfach klingt, war in Wirklichkeit ein schwieriger Weg, auch wenn die Tochter schon in der Firma tätig war. Denn die Anteile, die einst vom Cousin gekauft wurden, waren noch mit Schulden behaftet. Gleichzeitig musste man das Geschäft weiterführen. „Der Richter hat von mir eine unbedingte Erbserklärung verlangt, um mich in die Haftung zu bekommen, falls etwas schiefgeht“, sagte Stein. Für sie ging, dank gesetzlicher Erbfolge und Einigkeit in der Familie, alles gut.

Doch wenn es diese Einigkeit nicht gibt, dann drohen echte Probleme, wie sich beim letztwöchigen Rechtspanorama an der WU zeigte, das von der „Presse“ und der Uni veranstaltet wurde. Denn der Pflichtteil ist momentan gleich fällig. Das kann Firmen aber in ihrer Existenz bedrohen. Das Problem sieht auch das Justizministerium. Es arbeitet gerade am Entwurf für ein neues Erbrecht, das auch das Vererben von Unternehmen leichter machen soll. So wolle man festlegen, dass das Pflichtteilsrecht gestundet werden kann, erklärt Georg Kathrein, Chef der Zivilrechtssektion im Justizministerium.

Stundung bis zu zehn Jahren?

Das Pflichtteilsrecht aber soll bestehen bleiben. „Wir haben den Eindruck, dass Vorschläge, das Pflichtteilsrecht abzuschaffen, nicht mehrheitsfähig sind“, sagte Kathrein. Aber die Fristen sollen laut dem Plan so verlängert werden. dass der Pflichtteil erst nach einem Jahr ausgezahlt werden muss. Zudem soll im Einzelfall zweimal eine Stundung von insgesamt bis zu zehn Jahren möglich sein.

„Der Gesetzgeber muss eine Lösung finden, bei der sich Vermögen nicht auflösen und das Unternehmen bestehen kann“, forderte Ludwig Bittner, Präsident der Österreichischen Notariatskammer. Wobei man viel schon vor dem Tod des Firmeninhabers regeln könnte, wie auch Stephan Probst, Anwalt in Wien und Vorstand des Vereins Familienunternehmen, betonte. „Meine Überzeugung ist, dass eine gut geplante Unternehmensübergabe unter Lebenden nicht übertroffen werden kann.“ Bewährt habe sich, dass einer das Unternehmen erhält, die anderen entschädigt werden.

Als Berechnung dafür solle nicht der Verkaufs-, sondern der Ertragswert herangezogen werden. Auch wer das Unternehmen nicht erbt, soll am laufenden Gewinn beteiligt werden. Beschließt der Firmeninhaber das Unternehmen zu verkaufen, sollen auch die anderen Erben davon einen Teil erhalten.

Susanne Kalss, Professorin für Zivil- und Unternehmensrecht an der WU, verdeutlichte, warum eine Reform nötig ist. „Wir haben ein Erbrecht, das im Grunde 200 Jahre alt ist. Aber wir haben 200 Jahre Wirtschafts- und Gesellschaftsentwicklung hinter uns. Und das muss abgebildet werden.“ Es könne nicht sein, dass man für 100.000 Euro in bar und ein Unternehmen, das diesen Betrag wert ist, dieselben Regeln hat. „Ein Unternehmen kann ja morgen schon nichts mehr wert sein, weil sich die Marktumstände geändert haben.“ International habe man bereits Gesetze modifiziert: In den Niederlanden etwa seien Subbeteiligungen von Unternehmen vorgesehen, in Deutschland gebe es Stundungsregeln.

Als die Lösung einst scheiterte

Freilich: Schon vor Jahren gab es den Expertenvorschlag, laut dem für Pflichtteilsberechtigte eine Wartezeit von bis zu zehn Jahren angedacht war. Die Politik wollte aber damals noch über das gesamte Pflichtteilsrecht diskutieren. Professor Herbert Krejci fürchtete daher 2006 in einem „Rechtspanorama“-Beitrag, dass die „,kleine Lösung‘ unter den Trümmern gescheiterter ,großer Denkansätze‘ begraben werden könnte“.

„Der größte Feind des Legisten ist das Archiv der ,Presse‘“, scherzte Kathrein, als er mit dem Artikel von damals in der Diskussion konfrontiert wurde. Es schaue nun aber wirklich gut für eine Reform aus, versprach der Sektionschef. Ende des Jahres will die Regierung mit der Erbrechtsnovelle in die Begutachtung gehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2014)

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