Irreparabel? Experte will besseren Käuferschutz

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Werden industriell erzeugte Produkte frühzeitig unbrauchbar, haben Käufer nur beschränkte Behelfe gegenüber den Händlern. Zivilrechtler Koziol will die Erzeuger stärker in die Pflicht nehmen; sonst profitieren sie von der Situation.

Wien. Es sei dahingestellt, ob Waren massenweise bewusst so produziert werden, dass sie nach einiger Zeit unbrauchbar werden. Aber das Phänomen ist bekannt: Man kauft etwas, und – so ein Pech! – es funktioniert nicht mehr, kaum dass die Gewährleistungsfrist abgelaufen ist. Eine Reparatur ist nicht möglich oder teurer als ein Neukauf. Was tun gegen Obsoleszenz, sei sie geplant oder nicht?

Helmut Koziol, einer der führenden Zivilrechtsexperten Österreichs, ist der Sache systematisch nachgegangen. In seinem neuen Buch „Obsoleszenzen im österreichischen Recht“ (Jan Sramek Verlag) tritt Koziol dafür ein, die Position der Käufer zu verbessern und die Hersteller stärker in die Pflicht zu nehmen. Im Gespräch mit der „Presse“ erklärt der ehemaliger Professor für Zivilrecht an der Uni Wien und nunmehrige Vizedirektor des Europäischen Zentrums für Schadenersatz- und Versicherungsrecht in Wien, warum er das Verhältnis zwischen Produzenten und Abnehmern neu austarieren will: „Die arbeitsteilige Welt führt zu einer eklatanten Verschlechterung beim Kunden und zu einer eklatanten Verbesserung beim Erzeuger.“ Denn gegen diesen können wegen der Zwischenschaltung eines Händlers Ansprüche nicht geltend gemacht werden, denen er ausgesetzt wäre, wenn er der unmittelbare Vertragspartner des Endabnehmers wäre.

Aber auch der Händler soll nicht ungeschoren bleiben: Koziol tritt dafür ein, die (zweijährige) Gewährleistungsfrist bei verborgenen Obsoleszenzen später als bisher einsetzen zu lassen, nämlich erst mit der objektiven Erkennbarkeit des Mangels und nicht schon mit der Übergabe der Ware.

Ein Beispiel: Jemand kauft in einem Elektrofachmarkt eine Waschmaschine um 399 Euro. Sie ist teuer genug, dass der Kunde mit einer Lebenszeit von einigen Jahren rechnen kann. Doch schon zwei Jahre und einen Tag nach der Übergabe setzt der Motor aus, der die Trommel antreibt. Für die Gewährleistung, gerichtet auf Reparatur oder Rückabwicklung, ist es zu spät; dabei hätte der Kunde nachzuweisen, dass der Mangel schon bei der Übergabe im Gerät angelegt war (etwa durch schlechte Lager). Eine Reparatur ist unmöglich oder wirtschaftlich unvernünftig.

Ein Rechtsbehelf, der in dieser Situation noch infrage kommt, ist die Anfechtung wegen Irrtums – in diesem Fall über die Haltbarkeit des Geräts als wesentlichen Faktor. Die Irrtumsanfechtung ist drei Jahre ab dem Vertragsschluss möglich; sie setzt laut Koziol jedoch voraus, dass der Irrtum dem Händler auffallen musste oder dass er ihn gar verursacht hat. Der Händler weiß um verborgene Schwächen des Produkts aber nicht Bescheid.

Sehr im Gegensatz zum Hersteller, der genau weiß, wie das Gerät konstruiert ist, welche Bestandteile verbaut sind, ob es reparabel ist und ob Ersatzteile lieferbar sind. Vor diesem Hintergrund geht Koziol von einer Informationspflicht des Herstellers bezüglich der relevanten Fakten aus. Und von einer Pflicht, über die Verfügbarkeit von Ersatzteilen aufzuklären und, wenn diese knapp werden, die Händler zu informieren. Nur diese können ja ihre Abnehmer kennen. Eine Alternative wäre eine Information der Allgemeinheit zum Beispiel im Wege von Zeitungsinseraten. Eine allgemeine Pflicht zur unbefristeten Lagerhaltung oder Erzeugung von Ersatzteilen nimmt Koziol jedoch nicht an.

Käufer sollen besser informiert werden

Für ihn steht fest, dass Kunden – und zwar nicht nur Konsumenten, sondern auch Unternehmer – einen Anspruch haben, ausreichend informiert zu werden. Auch einseitige öffentliche Erklärungen der Hersteller würden gewisse Bindungen erzeugen: „Wenn der Erzeuger in Anpreisungen auf die Haltbarkeit oder die Reparaturfähigkeit seiner Produkte hinweist, könnte man ihn packen.“

Koziols Thesen bedürften noch einer Bestätigung durch die Gerichte oder einer gesetzlichen Klarstellung. Der Experte sieht aber schon gewisse Ansätze dafür beim Obersten Gerichtshof. So hat das Höchstgericht 2015 im Motorfall (1 Ob 71/15w) entschieden: Autofahrer dürfen davon ausgehen, dass ein neu eingebauter Motor länger als zwei Jahre hält. „Die Erwartung einer gewissen Lebensdauer wird also geschützt“, so Koziol. Bei dem Streit ging es um einen nach 23 Monaten und rund 65.000 Kilometern eingetretenen Motorschaden. Grund: Ein Dichtring war nicht ausreichend haltbar. Weil dem Motor eine „gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaft“, nämlich die längere Funktionsfähigkeit, fehlte, konnte der Käufer die Werkstatt zur Gewährleistung heranziehen.

Für Koziol darf dies nicht auf Obsoleszenzen innerhalb der zweijährigen Gewährleistungsfrist beschränkt bleiben. Ähnlich wie bei Rechtsmängeln (Käufer erhält nicht die vereinbarte Rechtsposition) solle vielmehr die Frist zur Geltendmachung erst dann zu laufen beginnen, wenn der Mangel objektiv erkennbar wird. „Sonst wird der Schutz selbst obsolet“, also hinfällig, meint Koziol.

Ob der OGH dem ohne Gesetzesänderung zu folgen bereit ist, bleibt allerdings offen. Auch die Frage, welche Haltbarkeit Kunden bei welchem Produkt erwarten dürfen: Das werde einerseits von der allgemeinen Erfahrung und vom Preis abhängen, und andererseits müsse sich – auch mithilfe von Sachverständigen – jeweils eine relevante Mindestlebensdauer herauskristallisieren.

Den aussichtsreichsten Weg, um gegen Obsoleszenz vorzugehen, sieht Koziol derzeit aber im Schadenersatz. Dieser verjährt erst drei Jahre ab Kenntnis von Schaden und Schädiger. „Wenn der Käufer gestützt auf fehlerhafte Information einen Vertrag schließt, den er sonst nicht eingegangen wäre, kann er vom Verkäufer die Aufhebung des Vertrags oder vom Hersteller den Ausgleich des finanziellen Nachteils verlangen.“ Auch das setzt allerdings erweiterte Informationspflichten des Verkäufers und des Herstellers voraus.

Koziol hat seine Studie in Kooperation mit dem Fachverband Maschinen & Metallwaren Industrie erstellt. Weil dieser Unternehmen auf Anbieter- und auf Erwerberseite vertritt, legt er Wert auf Lösungen, welche die Interessen beider Seiten berücksichtigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2016)

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