Wertschöpfungsabgabe ist eine sachliche Diskussion wert

Panamera-Produktion mit Kuka-Robotern
Panamera-Produktion mit Kuka-Robotern(c) APA/dpa-Zentralbild/Jan Woitas (Jan Woitas)
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In der Kritik am Vorschlag der SPÖ kommen einige Punkte zu kurz. Etwa der Freibetrag, der den meisten Freiberuflern zugute käme.

Wien. Die von der SPÖ vorgeschlagene Wertschöpfungsabgabe war von Anfang an dem Gegenwind der Medien ausgesetzt. Dazu passt auch eine Analyse der Agenda Austria, die unlängst medial bekannt wurde. Allerdings fallen dort wichtige Argumente unter den Tisch.

Was will die SPÖ mit der Wertschöpfungsabgabe erreichen? Das SPÖ-Modell, das in der Steuerreformkommission 2014 erstmals vorgelegt wurde, sieht die aufkommensneutrale Umbasierung des Dienstgeberbeitrags zum Familienlastenausgleichsfonds (Flaf) vor. Die Bemessungsgrundlage soll zwar verbreitert werden: Statt wie bisher nur die Lohnsumme soll in Zukunft auch die Nettowertschöpfung erfasst werden; dafür soll im Gegenzug der Beitragssatz von 4,5 auf 3 Prozent gesenkt werden, also um ein Drittel. Dadurch soll der Faktor Arbeit um rund zwei Milliarden Euro entlastet und die Finanzierungsgrundlage des Sozialstaates nachhaltig abgesichert werden.

„Trifft vor allem Freiberufler“

Laut Medienberichten hat die Agenda Austria das Modell analysiert, und zwar insbesondere in Hinblick auf die Belastungsverschiebungen zwischen den Branchen. Sie kommt zum Ergebnis, dass vor allem Freiberufler und Einzelunternehmer betroffen sind. „Tierärzte, Dolmetscher, Architekten und Anwälte müssten ein Vielfaches der jetzigen Belastung tragen. Dort arbeiten aber keine Roboter“, so Studienautorin Köppl-Turyna gegenüber dem „Kurier“. Daraus folgert die Agenda, dass die Wertschöpfungsabgabe am Ziel vorbeischießt und die Falschen trifft.

Die aufkommensneutrale Umbasierung einer bestehenden Steuer führt zwangsläufig zu Belastungsverschiebungen zwischen den Unternehmen und Branchen. „Die Presse“ hat bereits vor Monaten SPÖ-interne Berechnungen zu diesen Verschiebungen publiziert: Beschäftigungsintensive Branchen wie Handel, Tourismus, Bau und Industrie profitieren, es verlieren Banken und Wohnungswirtschaft sowie Dienstleister mit wenig Beschäftigten, aber hohen Gewinnen, z. B. Zahnärzte. Dass die Agenda Austria diese Ergebnisse bestätigt, ist eine Fleißaufgabe ohne Neuigkeitswert.

Die Argumentation der Agenda verdient aber so, wie sie in den Medien publiziert wurde, Kritik (die Studie selbst ist noch nicht online).

Keine Rede von Maschinen

Erstens unterliegt sie offenbar dem Missverständnis, die Wertschöpfungsabgabe soll nur jene Branchen besteuern, in denen Maschinen („Roboter“) tätig sind. Eine solche Einschränkung war, schon aus Gründen des Gleichheitssatzes, offensichtlich nie vorgesehen. Somit werden jene Branchen, in denen Personal tätig ist, zwar auch besteuert; die Senkung des Steuersatzes soll aber gerade personalintensive Branchen entlasten.

Zweitens übersehen die Agenda-Rechnungen offenbar den Freibetrag: Der SPÖ-Vorschlag – sowohl in der „Presse“ vom 19. August als auch in der Steuerreformkommission 2014 beschrieben – sieht einen Freibetrag für kleine Unternehmen bzw. Selbstständige vor (ohne einen konkreten Betrag zu nennen). Es verwundert nicht, dass die Agenda die kleinen Selbstständigen überproportional betroffen sieht. In einer umfassenden Berechnung müsste dieser Freibetrag jedoch (unter verschiedenen Annahmen) berücksichtigt werden. Laut Statistik Austria verdienen 75 Prozent aller Selbstständigen weniger als 25.000 Euro jährlich. Würde man einen Freibetrag von 30.000 Euro vorsehen (in etwa das Medianeinkommen), lösen sich die Mehrbelastungen für die meisten in Luft auf, weil ihre wichtigste Wertschöpfungskomponente – der Gewinn – durch den Freibetrag praktisch wegfällt. Für die mehr verdienenden Freiberufler reduziert der Freibetrag die Belastung zumindest erheblich.

Drittens ist die Interpretation der Ergebnisse irreführend, wenn unterstellt wird, dass Digitalisierungsgewinne durch Roboter von der Abgabe nicht erfasst wären. Dabei verwechselt die Agenda Austria die statischen und dynamischen Auswirkungen. Im Jahr der Umstellung (von Lohnsumme auf Nettowertschöpfung) profitiert die Industrie zwar, weil sie sehr beschäftigungsintensiv ist. Wenn die Industrie aber künftig Menschen durch Maschinen ersetzt (dynamisch), dann muss sie laut SPÖ-Vorschlag weiter Flaf-Beiträge zahlen, im Status quo aber nicht. In Zukunft tritt also genau der Lenkungseffekt ein, den die SPÖ erreichen will.

Panikmache um Investitionen

Viertens: Da die Wertschöpfungsabgabe nicht an die subjektive Größe Gewinn, sondern an die objektive Größe der Wertschöpfung anknüpfen soll, werden dem Gewinn Fremdkapitalzinsen sowie Miet- und Pachtzinszahlungen hinzugerechnet. Insbesondere Zinsen sollen daher nicht abzugsfähig sein. Die Agenda Austria befürchtet deshalb einen „Rückgang an Investitionen“. Dieses Argument scheint aber doch reichlich übertrieben, um nicht zu sagen, Panikmache zu sein – allein schon angesichts des einmalig niedrigen Zinsniveaus, das nach Einschätzung vieler Ökonomen noch Jahre anhalten soll.

Die Wertschöpfungsabgabe entlastet personalintensive Branchen. Daher würden Österreichs wichtigste Exportsektoren – (personalintensive) Industrie und Tourismus – von ihrer Einführung profitieren. Immerhin scheint die Agenda Austria aber zumindest dieses Ergebnis zu bestätigen.


MMag. Dr. Urtz ist Universitätsprofessor für Finanzrecht an der Universität Salzburg.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2016)

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