Datenschutz: Internetprovider zu Auskunft verpflichtet

Internetnutzer auch ohne Richterbeschluss
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Der Oberste Gerichtshof verpflichtet Internetprovider, dem Staatsanwalt auch ohne gerichtliche Genehmigung Auskunft über die Identität verdächtiger User zu geben.

Wien. Vorige Woche, und damit knapp vor der Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung in Österreich, hat der Oberste Gerichtshof entschieden: Die Staatsanwaltschaft darf Auskünfte über Stammdaten eines Internetusers zur Aufklärung von Straftaten ohne gerichtliche Bewilligung anordnen (die schriftliche Ausfertigung des Urteils liegt noch nicht vor). Damit scheint eine lange Kontroverse darüber entschieden, ob Internetprovider dem Staatsanwalt Auskunft geben müssen, wer hinter einer bestimmten IP-Adresse (einmalige Kennung von Rechnern im Internet) steht, ohne dass ein Richter es bewilligte.

Anlass war der Fall eines Mannes, der in betrügerischer Weise Onlinetickets der ÖBB bezogen haben dürfte. Anhand der registrierten IP-Adresse wollte die Staatsanwaltschaft die Identität des „Kunden“ eruieren. Das juristische Problem: Ergebnis der gewünschten Auskunft ist zwar bloß ein Stammdatum (Herr XY), die Auswertung der beim Provider gespeicherten Log-Files, aufgrund derer der Anschlussinhaber identifiziert werden kann, erfordert jedoch die Verarbeitung von Verkehrsdaten; diese unterliegen dem Kommunikationsgeheimnis und dessen Bruch einem Richtervorbehalt. Die Generalprokuratur hat in einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes dafür plädiert, die Ausforschung des Anschlussinhabers von einer gerichtlichen Bewilligung abhängig zu machen.

Der OGH vertritt in seiner mündlich verkündeten Entscheidung jedoch die Ansicht, eine bloß interne Verarbeitung von Verkehrsdaten (wer hat wann mit wem kommuniziert) beim Provider wahre das Datengeheimnis gegenüber dem Staat. Der allein relevante „äußere“ Vorgang der Bekanntgabe von Stammdaten würde nicht ins Fernmeldegeheimnis eingreifen. Auch würde das Datenschutzgesetz ausdrücklich Eingriffe in das Datengeheimnis zum Zweck der Strafrechtspflege zulassen.

Stamm- nur mit Verkehrsdaten

Die hier nur kursorisch wiedergegebene Begründung des OGH überzeugt nicht restlos. Im Ergebnis wird durch das Abstellen auf das bloße Ergebnis des Auskunftsverlangens (Stammdaten) der Grundrechtsschutz verweigert, weil unzulässig abgeschnitten. Dem OGH ist zwar zuzustimmen, dass die Bekanntgabe von Stammdaten allein nicht in die Grundrechtssphäre der Betroffenen eingreift (man denke nur an Informationen aus einem Telefonbuch). Allerdings darf die Verarbeitung und Übermittlung von Verkehrsdaten direkt beim Internetprovider nicht negiert werden. Der Umstand, dass Provider ohnehin die rechtliche Befugnis haben müssen, Verkehrsdaten zu verarbeiten und auch zu übermitteln, kann den hoheitlichen und staatlich veranlassten Eingriff in die vorhandenen Daten nicht legitimieren. Zum einen existiert für Provider keine rechtliche Grundlage, Verkehrsdaten zu verarbeiten und an die Staatsanwaltschaft zu übermitteln. Im Gegenteil, es besteht eine Löschungsverpflichtung (§99 Abs1 TKG 2003) bzw. die alleinige Speichermöglichkeit ausschließlich für Verrechnungszwecke. Zum anderen bedarf jedes staatliche Handeln, das in eine grundrechtlich geschützte Sphäre eingreift, der Kontrolle. Daher gehen auch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts davon aus, dass Verkehrsdaten dem Fernmeldegeheimnis und damit dem Richtervorbehalt unterliegen (VwGH 2007/05/0280, VfGH G 147/08).

Die hoheitlich veranlasste Verarbeitung und Übermittlung von Verkehrsdaten, die in die (bloße) Bekanntgabe von Stammdaten mündet, sollte daher nur „aufgrund eines richterlichen Befehls“ zulässig sein. Es geht nicht darum, die Aufklärung von Verbrechen zu verhindern, sondern ein Richter sollte die Herausgabe der Daten prüfen.

Angesichts der Einschränkungen, die mit der kommenden Vorratsdatenspeicherung einhergehen, wurde hier eine Chance vertan: Der OGH hätte im Interesse des Grundrechtsschutzes dem manchmal allzu willfährigen Gesetzgeber Grenzen setzen können.

Dr. Michael Hasberger ist Partner der HasbergerSeitz & Partner Rechtsanwälte GmbH.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2011)

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