Causa Grasser: Ab einem Jahr Strafdrohung kann grundsätzlich das Telefon von Verdächtigen abgehört werden. Das Oberlandesgericht Wien muss aber klären, ob die Verdachtslage ausreichend war. Falls nicht, dürften die gesammelten Daten nicht gegen die Beschuldigten verwendet werden.
[Wien] War es in Ordnung, dass Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser im Jahr 2010 über Monate hinweg telefonisch abgehört wurde? Diese Frage traute sich bei einem „Presse“-Rundruf kein Jurist seriös zu beurteilen. Denn die wichtigste Frage ist, wie konkret der Tatverdacht gegen Grasser war. Und dies kann man ohne Aktenkenntnis nur schwerlich einschätzen.
Klar ist aber, dass grundsätzlich die Voraussetzungen für eine derartige Überwachung gegeben waren. Telefonisch abgehört werden darf man zur Aufklärung einer vorsätzlichen Straftat, die mit mehr als einem Jahr Haft bedroht ist. Gegen Grasser wird im Zusammenhang mit dem Buwog-Verkauf wegen Amtsmissbrauchs und Untreue ermittelt, beide Delikte übersteigen diese Strafdrohung deutlich.
Allerdings ist eine Überwachung auch nur dann gestattet, wenn sie zur Aufklärung der Tat „erforderlich“ ist. Dies muss im Einzelfall vom Richter geprüft werden. Im Fall Grassers gab ein Richter des Landesgerichts Wien grünes Licht für die von der Staatsanwaltschaft geforderte Überwachung.
Betroffene werden informiert
Diese war recht umfangreich. So wurden Gespräche am Handy, am Festnetz und via Skype ausgewertet, auch die Standortdaten wurden ermittelt. Neben dem Exminister waren von den Überwachungsmaßnahmen zudem Grasser-Freund Walter Meischberger, und Immobilienmakler Ernst Karl Plech betroffen. Grasser telefonierte laut „Format“ mit acht verschiedenen Sim-Karten, Meischberger mit fünf. Alle Überwachten wurden inzwischen von der Justiz informiert. Diese Mitteilung muss erfolgen, sobald aus ermittlungstaktischen Gründen nichts mehr dagegen spricht. Die Mitteilung gibt den Betroffenen nun die Möglichkeit, sich im Nachhinein zu wehren.
Grassers Anwalt hat eine Beschwerde angekündigt. Gibt das Oberlandesgericht Wien der Beschwerde statt, dürfte keines der durch die Überwachung zu Tage getretenen Ergebnisse gegen die Betroffenen verwendet werden.
Wann die Überwachung Verdächtiger zulässig ist, regelt die Strafprozessordnung. Die bloßen Verbindungsdaten (wer hat mit wem Kontakt) darf man bereits bei mehr als sechs Monaten Strafdrohung erfassen. Dies aber nur, wenn zumindest einer der beiden Telefonteilnehmer zustimmt. Bei mehr als einem Jahr Strafdrohung können auch ohne Zustimmung sowohl die Verbindungsdaten als auch der Gesprächsinhalt aufgezeichnet werden. Bei Delikten mit mehr als zehn Jahren Haft darf man den Verdächtigen sogar mittels versteckter Kamera überwachen.