All-in-Verträge: Entgelt oft zu niedrig?

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Viele Dienstverträge enthalten Pauschalen, etwa für Überstunden. Oft würden dabei die Dienstnehmer draufzahlen, meinen Gewerkschafter. Ein Onlinerechner ermöglicht eine Ersteinschätzung, er wurde jetzt erweitert.

Wien. „Mit uns wird es zwölf Stunden als Regelarbeitszeit nicht geben.“ Konkreteres zum Thema Arbeitszeitflexibilisierung ließ sich Wolfgang Katzian, Chef der Angestelltengewerkschaft, beim Pressegespräch gestern, Dienstag, nicht entlocken. Bloß noch, dass er zuversichtlich sei, dass die Sozialpartner bis Juni eine Einigung finden werden – diese Frist setzte ihnen die Regierung im neuen Arbeitsprogramm.

Zu dem Gespräch geladen hatte die GPA-djp aus einem anderen Grund: Es ging um den sogenannten All-in-Rechner. Diesen hat die Gewerkschaft am 1. Februar 2016, also vor rund einem Jahr, online gestellt. Und zwar vorerst für acht Branchen, darunter Metallindustrie, Elektro- und Elektronikindustrie, IT und Handel. Arbeitnehmer aus diesen Bereichen, die All-in-Verträge oder Überstundenpauschalen haben, können sich damit zumindest eine Ersteinschätzung verschaffen, ob ihre Entlohnung passt oder nicht. Mehr als 50.000 Mal sei der Rechner bisher verwendet worden, in etwa 300 Fällen hätten Betroffene Beratung in Anspruch genommen, heißt es seitens der Gewerkschaft. Der Rechner wurde kürzlich auf weitere Branchen ausgeweitet, unter anderem Banken, chemische Industrie, Bauindustrie und Energieversorger.

Alle Mehrleistungen gedeckt?

Bei All-in-Verträgen sind grundsätzlich sämtliche Mehrleistungen, die Arbeitnehmer zusätzlich zu ihrer Normalarbeitszeit erbringen, pauschal abgegolten: Mehr- und Überstunden, aber etwa auch Reisezeiten oder Rufbereitschaft. Daneben gibt es auch reine Überstundenpauschalen. Zulässig ist beides, wenn das Pauschalentgelt so hoch ist, dass damit über einen längeren Beobachtungszeitraum – üblicherweise zwölf Monate – tatsächlich die erbrachten Leistungen gedeckt sind. Arbeitgeber sind verpflichtet, das regelmäßig zu überprüfen. Ist die Pauschale zu gering, müssen sie die Differenz nachzahlen.

Das geschehe jedoch nicht immer, meinen die Gewerkschafter. Zum Teil würden die Deckungsprüfungen gar nicht durchgeführt. Dann liege rasch unbezahlte Arbeit vor, sagt Gewerkschaftsjuristin Andrea Komar. Vorsicht sei auch bei sehr hohen Überzahlungen geboten: „Zum Beispiel, wenn mehr Überstunden abgegolten werden, als nach dem Arbeitszeitgesetz zulässig sind.“ Denn nicht selten werde dann auch tatsächlich länger gearbeitet, als gesetzlich erlaubt ist.

Auswertungen der Daten, die Arbeitnehmer in Einträge im All-in-Rechner eingegeben haben, zeigen laut den Gewerkschaftern, dass die gesetzliche Normalarbeitszeit von 40 Stunden oft überschritten wird: Im Schnitt ergebe sich eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 44 Stunden – freilich auch ein relativ hohes Durchschnittsgehalt von fast 3960 Euro brutto. Was aber laut den Gewerkschaftern nicht heißt, dass All-in nur in höheren Gehaltsklassen üblich ist – denn Spitzenverdiener treiben den Durchschnittswert nach oben. Auch über die Korrektheit der Entlohnung im Einzelfall sagt der Durchschnittswert nichts aus.

>>> Crashkurs Arbeitsrecht: All-In-Vereinbarungen

All-in nur für Führungskräfte

In manchen Branchen, etwa IT oder Eleltronikindustrie, gebe es fast nur noch All-in-Verträge, wird kritisiert. Nach Ansicht der Gewerkschafter sollte das nicht sein – für die meisten Betroffenen rechne es sich nämlich nicht. Plädiert wird für eine Regelung, die All-in auf Führungskräfte beschränkt oder erst ab einer bestimmten Entgelthöhe erlaubt. (cka)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2017)

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