VfGH entscheidet gegen Willkür beim Fruchtgenussrecht

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Symbolbild BMF. (c) APA (ROLAND SCHLAGER)
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VfGH-Erkenntnis. Das Bundesfinanzgericht ignorierte ständige Judikatur gleich mehrfach.

Wien. Eine Stiftung erhielt im Jahr 2000 eine Zustiftung in Form von sieben Zinshäusern. Unter einer Zustiftung versteht man eine freiwillige Zuwendung an eine Stiftung. Sie kann in Geld- oder Sachleistungen bestehen. In diesem Fall behielt sich die Stifterin das Fruchtgenussrecht vor. 2005 wurde die Stiftung von der Stifterin widerrufen und das Vermögen der Stiftung an die Stifterin rückübertragen. Diese Vorgang qualifizierte das Finanzamt als kapitalertragssteuerpflichtige Zuwendung der Stiftung an die Stifterin und erließ einen Bescheid, in dem es die Kapitalertragssteuer (KESt) vorschrieb. Dagegen erhob die Stiftung Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (BFG). Das BFG wies die Beschwerde ab, änderte jedoch die Bemessungsgrundlage der KESt. „Die Rückübertragung der Liegenschaften auf die Stifterin wurde mit dem Verkehrswert der Liegenschaft abzüglich der Stiftungseingangswerte bewertet. Die Belastung der Liegenschaften mit dem Fruchtgenussrecht allerdings wurde außer Acht gelassen, da es sich bei diesem Recht um persönliche Verhältnisse der Stifterin handle“, sagt Steuerberaterin Anja Cupal, Partnerin bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft TPA-Österreich. „Im Ergebnis wurde daher für die Übertragung des nackten zivilrechtlichen Eigentums an den Liegenschaften der Wert der gesamten Substanz der Besteuerung unterworfen. Hinsichtlich des Wertes des Fruchtgenussrechts, über das die Stiftung nie verfügen konnte und daher auch nicht rückübertragen werden konnte, kam es so zu einer „Scheinzuwendungsbesteuerung“.

BFG ignorierte Judikatur

Wenig überraschend wandte sich die Stiftung an den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Und der VfGH hob das BFG-Erkenntnis prompt auf, und zwar mit einer Begründung, die aufhorchen lässt (E2212/2015): Das BFG habe die Rechtslage mit seiner Entscheidung gleich gehäuft verkannt. Dieses gehäufte Verkennen der Rechtslage sei als Willkür zu beurteilen.

Zu der gegenständlichen Rechtsfrage habe es ohnehin schon eine gefestigte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) gegeben, betont der VfGH: Demnach erhält eine Stiftung bei einer Zustiftung von Immobilien, bei denen das Fruchtgenussrecht zurückbehalten wird, nur den um das Nutzungsrecht verminderten Vermögenswert. Diese Rechtsprechung habe das BFG mit seiner Entscheidung schlichtweg ignoriert und bei der Zuwendung der Immobilien von der Stiftung an den Stifter unterstellt, dass das volle Eigentumsrecht und somit der Verkehrswert ohne Berücksichtigung der Belastung, die durch das Fruchtgenussrecht entsteht, als Bemessungsgrundlage der KESt heranzuziehen sind, moniert der VfGH .

Wie das BFG zu seiner Wertung kommt, bleibt indes offen. Hätte nämlich die Stiftung die Liegenschaften einem anderen Begünstigten zugewendet, wäre nach BFG-Ansicht nur der um das Fruchtgenussrecht verminderte Verkehrswert der Besteuerung unterworfen gewesen. Damit würde ein und derselbe Vorgang (Übertragung einer Liegenschaft) – je nachdem an wen die Liegenschaft übertragen wird – unterschiedlich beurteilt. „Eine Rechtsauslegung die den Gleichheitssatz widerspricht. Und zusätzlich noch die ständige VwGH-Judikatur zu ignorieren, bedeutet – nach dem vorliegenden VfGH-Erkenntnis – nichts anderes als Willkür“, sagt Cupal.

Für die Steuerberaterin hat deshalb die Entscheidung jedenfalls über den konkreten Anlassfall Relevanz. Und auch das Finanzministerium (BMF) habe nun zu agieren: „Eine zeitgerechte Anpassung der Richtlinien und Erlässe des BMF an die Judikatur des VwGH scheint nun verfassungsrechtlich geboten. Und die ausführenden Organe der Finanzverwaltung sollten es tunlichst vermeiden, die aktuelle Rechtssprechung der Höchstgerichte einfach außer Acht zu lassen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2017)

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