Entscheidung der Woche

Reißt die Hose, handelt es sich um keinen Unfall

(c) APA/AFP/JEAN-PIERRE CLATOT
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Ein Mann hatte eine private Unfallversicherung abgeschlossen. Das Sportrisiko „Klettern, alpines Gelände ab Schwierigkeitsgrad V“ ließ er extra mitversichern.

Was unter einem Unfall zu verstehen sei, war in den „Klipp-und-Klar-Bedingungen“ der Versicherung geregelt: „Ein Unfall liegt vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper einwirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet“, hieß es da.

Dem Versicherten dürfte diese Definition jedoch alles andere als klipp und klar gewesen sein, wie der Rechtsstreit mit der Versicherung zeigte: Als er mit seinem Kletterpartner die Eiger-Nordwand durchstieg, stürzte er ins Seil, weil ein Stein unter seinen Füßen weggebrochen war. Dabei verletzte sich der Kletterer nicht, aber seine Hose riss an einigen Stellen. Er und sein Partner setzten die Bergtour dennoch fort.

Im Nachhinein betrachtet die falsche Entscheidung. Denn die beiden erreichten zwar den Gipfel, aber der Versicherte erlitt Erfrierungen, weil die rissige Hose nicht mehr wasserabweisend war. Schlussendlich musste der Mann beide Vorfüße amputieren lassen und erwartete in der Folge Leistungen von seiner Versicherung. Die zahlte aber nichts, weil aus ihrer Sicht ja klipp und klar feststand, dass überhaupt kein Unfall passiert sei.

Der Rechtsstreit zog sich durch alle Instanzen. Doch auch der Oberste Gerichtshof gab der Versicherung recht. Ein Unfall liege nur vor, wenn es bei einem Ereignis zu einer zumindest geringfügigen Verletzung des Versicherten gekommen sei, entschied der OGH. Das sei hier aber nicht der Fall gewesen. Eine Beschädigung von Ausrüstungsgegenständen – wie eine Hose – falle nicht unter den Unfallbegriff.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2017)

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