Neue EU-Regeln für Börsenotierte: Minimalumsetzung in Österreich geplant

Ein Entwurf des Justizministeriums zeigt, wie der Gesetzgeber auf die 2. Aktionärsrechte-Richtlinie der EU reagieren will.

Wien. Soeben ist der lang erwartete Ministerialentwurf zum Aktienrechtsänderungsgesetz 2019, mit dem der österreichische Gesetzgeber die (am 10. Juni 2019 fällige) Umsetzung der 2. Aktionärsrechte-Richtlinie bewirkt.

Gegenüber dem, was informierte Kreise erwartet haben, bietet der Entwurf keine Überraschungen mehr. Der österreichische Gesetzgeber entscheidet sich für eine Minimalumsetzung der Richtlinie.

Deren Kerninhalt besteht im Wesentlichen aus drei Themen, die allesamt nur börsenotierte Aktiengesellschaften betreffen:

  • Erstens sollen diese in den Stand versetzt werden, ihre Aktionäre zu kennen („Know your shareholder“), weshalb die in der Praxis immer bedeutsameren Stimmrechtsberater (Proxy Advisers) und Intermediäre in die Pflicht genommen werden.
  • Zweitens ist mit der Vergütung von Vorstand und Aufsichtsrat (bzw in Ländern mit den eingliedrigen Board-System mit der Vergütung der Board-Mitglieder) die Hauptversammlung zu befassen und muss das zuständige Organ (in Österreich: der Aufsichtsrat) eine Vergütungspolitik (also die Grundzüge der Vergütung) sowohl für den Vorstand, als auch für den Aufsichtsrat) der Hauptversammlung zumindest alle vier Jahre vorlegen, die darüber Beschluss fasst. Über die tatsächlich geleisteten Vergütungen ist in einem Vergütungsbericht Rechenschaft abzulegen, der ebenfalls der Hauptversammlung vorgelegt wird.
  • Drittens müssen bestimmte, bedeutsame Geschäfte/Transaktionen der Gesellschaft mit Aktionären oder Organmitgliedern und diesen nahestehenden physischen oder juristischen Personen vorher von der Hauptversammlung oder vom Aufsichtsrat genehmigt und unmittelbar nach Geschäftsabschluss dessen wesentlicher Inhalt, die involvierten Personen und die für das Geschäft sprechenden Erwägungen veröffentlicht werden. Für den Begriff der „related parties“ verweist die Richtlinie auf die Verordnung betreffend die internationalen Rechnungslegungsstandards (konkret: IAS 24.9).

Die angesprochene „Minimalumsetzung“ durch den österreichischen Gesetzgeber äußerst sich insbesondere folgendermaßen: Sowohl das Votum der Hauptversammlung über die ihr vorgelegte Vergütungspolitik als auch das Votum über den Vergütungsbericht hat nur empfehlenden, also nicht verbindlichen Charakter. Beide Beschlüsse sind nicht anfechtbar. Dies sieht auch der deutsche Regierungsentwurf vom 20. März 2019 so vor. Vorstandsmitglieder dürfen nur entsprechend einer der Hauptversammlung vorgelegten (also nicht notwendigerweise: einer von ihr auch gebilligten) Vergütungspolitik entlohnt werden.

Was bedeutet „überarbeitete Vergütungspolitik"?

Fraglich ist, was zu geschehen hat, wenn die Hauptversammlung die Vergütungspolitik ablehnt. Der Wille des österreichischen Gesetzgebers dürfte – zumal auch die Richtlinie nichts anderes zwingend vorschreibt – dahin gehen, den Aufsichtsrat nicht zur Durchführung materieller Änderungen zu verpflichten. Der Ministerialentwurf bringt dies aber mit der Formulierung, der Aufsichtsrat habe eine „überarbeitete Vergütungspolitik“ vorzulegen, sehr unklar zum Ausdruck. Besser wäre die Terminologie im deutschen Regierungsentwurf, der den Aufsichtsrat zur Vorlage eines „überprüften Vergütungssystems“ verpflichtet.

Interessant wird in der Praxis sein, wie börsenotierte Gesellschaften ihre Vergütungsberichte gestalten und ob dem Ziel nach klarer und verständlicher, nicht ausufernder Darstellung Rechnung getragen wird. Die Europäische Kommission selbst scheint dieses Ziel mit dem Entwurf ihrer „Guidelines“ für die Gestaltung von Vergütungsberichten zu unterminieren, denn diese haben allein dreißig Seiten. Und sie gehen auch inhaltlich zum Teil über die Vorgaben der Richtlinie hinaus. So ist etwa die Aufnahme von Reisespesen eindeutig nicht durch die Richtlinie gedeckt, denn diese sind kein Entgelt und haben daher auch in einem Vergütungsbericht nichts verloren.

„Related Party Transactions“

Betreffend die „Related Party Transactions“ hat sich der Ministerialentwurf – und zumindest das scheint allgemein konsensfähig zu sein – dafür entschieden, die Zustimmung des Aufsichtsrates und nicht der Hauptversammlung vorzusehen. Sowohl für die Genehmigungspflicht als auch für die Veröffentlichungspflicht wird eine einheitliche Maßgeblichkeitsschwelle von 10% der Bilanzsumme festgelegt. Dies scheint auf den ersten Blick sehr hoch zu sein (deutscher Regierungsentwurf: 2,5%). Bedacht werden muss aber Folgendes: Eine „Entlastung“ der betroffenen Unternehmen ist damit in erster Linie betreffend die Veröffentlichungspflicht verbunden.

Hier möchte der Gesetzgeber – meines Erachtens verständlicher Weise – der Abneigung der Emittenten Rechnung tragen, den genaueren Inhalt und gar dahinterstehende Erwägungen bedeutender und heikler, aber von bereits zwei Organen (und vielleicht noch einem Wirtschaftsprüfer) geprüfter Transaktionen öffentlich bekannt zu machen.

Vorherige Befassung des Aufsichtsrats selbstverständlich

Was die Aufsichtsrats-Genehmigung anbelangt, so verlangt gute Corporate Governance ohnehin, diese in den Geschäftsordnungen für den Aufsichtsrat schon bei weitaus (!) niedrigeren Schwellen zu verankern und in machen Konstellationen von solchen Schwellen überhaupt abzusehen. Es wäre auch absurd, anzunehmen, der Vorstand einer österreichischen börsenotierten AG dürfe ein Geschäft zB mit einem Großaktionär über ein Volumen von 100 Mio Euro ohne vorangehende Befassung des Aufsichtsrats abschließen. Und das Einlagenrückgewährverbot sollte mit seiner Bedrohung durch zivilrechtliche Unwirksamkeit, schadenersatzrechtliche Haftung und strafrechtliche Verantwortlichkeit der Beteiligten idR dafür sorgen, dass die Konditionen fremdüblich sind.

Die Vorschriften betreffend die Genehmigungspflicht von „Related Party Transactions“ sollen mit 10. Juni 2019 in Kraft treten. Die Vergütungspolitik ist erstmals der ordentlichen Hauptversammlung für jenes Geschäftsjahr vorzulegen, das nach dem 10. Juni 2019 beginnt. Der Vergütungsbericht ist der Hauptversammlung im darauffolgenden Geschäftsjahr vorzulegen.

Abgesehen von Zwangsstrafen nach § 258 AktG (maximal 3600 Euro) sieht der Ministerialentwurf keine spezifischen Sanktionen für die Verletzung der neuen Verpflichtungen vor (vgl Art 14b der RL). Es bleibt abzuwarten, ob die bestehenden Sanktionen (schadenersatzrechtliche Haftung, Abberufung beteiligter Organmitglieder und strafrechtliche Sanktionen) unionsrechtlich als ausreichend beurteilt werden.

Zum Autor

Georg Schima ist Partner der Schima Mayer Starlinger Rechtsanwälte GmbH und Honorarprofessor für Unternehmensrecht und Arbeitsrecht an der WU Wien.

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