EuGH verurteilt Österreich erneut: Beamte wegen Alters diskriminiert

Am Gerichtshof der Europäischen Union.
Am Gerichtshof der Europäischen Union.(c) Reuters
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Österreich hat noch immer keine diskriminierungsfreie Regelung für die Anrechnung der Vordienstzeiten von Beamten und Vertragsbediensteten vor Vollendung des 18. Lebensjahres gefunden.

Luxemburg/Wien. Auf Österreich dürften Gehaltsnachzahlungen an Beamte und Vertragsbedienstete in Millionenhöhe zukommen. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat in einem heute, Mittwoch, veröffentlichten Urteil festgestellt, dass Österreich für die Staatsbediensteten noch immer keine diskriminierungsfreie Regelung über die Anrechnung von Vordienstzeiten gefunden hat, die vor dem 18. Geburtstag zurückgelegt worden sind.

Die Auseinandersetzung um diese Form der Altersdiskriminierung nicht gegen Ende der Berufslaufbahn, sondern an deren Beginn hat bereits eine lange Tradition. Schon im Jahr 2009 hatte der EuGH im Urteil Hütter erstmals darüber entschieden: Es sei unzulässig, nur solche Vordienstzeiten  bei der Gehaltseinstufung anzurechnen, die nach dem 18. Geburtstag erworben wurden, nicht aber solche vor diesem Zeitpunkt (z. B. in Gestalt von früher Berufstätigkeit oder einer bestimmten Ausbildung).

Wiederholte Versuche einer Reparatur ohne Kosten

Der Gesetzgeber hat dann wiederholt versucht, einen diskriminierungsfreien Zustand zu erreichen, der keine Mehrkosten auslösen sollte. Nach wiederholten (weiteren) Verurteilungen durch den EuGH und entsprechenden Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofs hält der Luxemburger Gerichtshof jetzt klipp und klar fest: Die diskriminierten Beamten und Vertragsbediensteten haben einen Anspruch gegen ihren Arbeitgeber auf eine Ausgleichszahlung in Höhe der Differenz zwischen dem Gehalt, das sie hätten beziehen müssen, wenn sie nicht diskriminiert worden wären, und dem tatsächlich von ihnen bezogenen Gehalt (Rechtssachen C-24/17, C-396/17).

Die Reformversuche erfolgten in den Jahren 2010, 2015 und 2016. Zuletzt sah Österreich als Dienstgeber rückwirkend vor, dass die Beamten und Vertragsbediensteten in ein neues Besoldungssystem  übergeleitet werden, im dem sich ihre erste Einstufung nach ihrem letzten gemäß dem früheren System bezogenen Gehalt richtet.

GÖD und ein Tiroler Polizist setzen sich durch

Daraufhin wandten sich der ÖGB über den Rechtsschutz der Gerwerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) an den Obersten Gerichtshof und ein Tiroler Polizist an das Bundesverwaltungsgericht. Sie brachten vor, dass weiterhin eine Diskriminierung bestehe. Die beiden Gerichte schalteten schließlich den EuGH ein. Der führt aus, dass mit den neuen Systemen eine Ungleichbehandlung der durch das alte System benachteiligten Personen (die ihre Berufserfahrung, sei es auch nur teilweise, vor Vollendung des 18. Lebensjahrs erworben haben) und der durch dieses System begünstigten Personen (die eine gleichartige Berufserfahrung von vergleichbarer Dauer später erworben haben), beibehalten werde. Das Gehalt, das Erstere bezögen, sei allein wegen ihres Einstellungsalters  niedriger als jenes, das Zweitere bekämen: ein klarer Fall von Altersdiskriminierung.

Andauernde Wirkung nicht zu rechtfertigen

Der Luxemburger Gerichtshof sieht keine Möglichkeit, die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen: Da diese nicht nur während eines Übergangszeitraums, sondern endgültig fortbestehe, könne sie weder mit dem legitimen Ziel der Besitzstandswahrung und des Schutzes des berechtigten Vertrauens  (der besser Verdienenden) verteidigt werden noch durch Haushaltserwägungen oder administrativen Überlegungen.

Liegt eine EU-rechtswidrige Diskriminierung vor, haben die benachteiligten Beamten und Vertragsbediensteten einen Anspruch darauf, die gleichen Vorteile zu erhalten, wie sie den durch die umstrittenen Systeme Begünstigten zukommen.  Beobachter rechnen mit Nachzahlungen des Staates in Höhe von zig Millionen Euro.

Beamtenminister und Vizekanzler Heinz-Christian Strache will das Urteil zunächst einmal genau anaylisieren.

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