Briefmarken-Design: "Man muss sich Zeit nehmen"

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Markenwettbewerb: "Man muss sich Zeit nehmen"Clemens Fabry
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Nikolaus Schmidt ist der Gewinner des diesjährigen Briefmarkenwettbewerbs. Dabei ist das Motiv seiner Briefmarke auf den ersten Blick gar nicht so leicht zu erkennen.

Nikolaus Schmidt ist ein haptischer Mensch. Es sind die verschiedenen Papiersorten, die ihn interessieren. Edles Papier, billiges Papier, Druckverfahren wie Siebdruck oder Letterpress, das eine Zeit lang in Österreich schwer zu erhalten war. Auch Briefmarken haben eine besondere Haptik. Ein kleines 35 x 35 Millimeter großes Papierstück mit Zackenrand, auf dem es gilt, den Zeitgeist ganzer Nationen einzufangen. „Das Spannende war, eine visuelle Botschaft auf so einer kleinen Fläche darzustellen“, sagt Schmidt, warum er am diesjährigen Markenwettbwerb der „Presse“ und der Österreichischen Post AG teilgenommen hat.

65 Kreative haben heuer wieder Sonderbriefmarken gestaltet. „Und Österreich bewegt sich doch“, lautete die Vorgabe. Die Siegermarke ist mit 5000 Euro dotiert und wird im Rahmen des Sondermarkenprogramms der Post AG 2015 produziert.

Herausgekommen sind etwa Motive mit Conchita Wurst (in aller Munde, wenn es um das Thema Toleranz geht), Kreisverkehrszeichen, deren Pfeile in eine andere Richtung zeigen, Windräder und die Siegermarke von Nikolaus Schmidt. Er hat „Österreich 62 Cent“ auf die Marke geschrieben. Die Schrift erinnert an ein Labyrinth in den Farben Rot-Weiß-Rot. „Die rein typografische Lösung von Nikolaus Schmidt hat gleichermaßen mit minimalistischem Konzept und handwerklich aufwendiger Umsetzung überzeugt. Der Versuch einer Dechiffrierung der Marke regt zu intensiver Auseinandersetzung mit ihr an“, lautete die Jurybegründung. Sie bestand heuer aus Georg Pölzl (Generaldirektor Post), Anita Kern (Kerndesign und Philateliebeirat Post), Claudia Lughammer und Günter Schmied (beide Philatelie Post) sowie „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak und „Presse“-Geschäftsführer Rudolf Schwarz. Sie haben unter 115 Einsendungen den Sieger ausgewählt. Kein leichtes Unterfangen.

Nikolaus Schmidt selbst hat mit dem Sieg gar nicht gerechnet. „Der Inhalt wird von manchen Betrachtern schneller wahrgenommen werden, von anderen langsamer oder vielleicht auch gar nicht“, sagt er. Genau das sei aber Teil des Konzept gewesen. Gesellschaftlicher Wandel bedeutet auch, dass sich Menschen mit einem Thema auseinandersetzen müssen. „Dafür muss man sich Zeit nehmen“, sagt der 37-Jährige. Insofern gibt auch das Erkennen der Schrift auf der Briefmarke diesen Prozess wieder.

Ein Fan des Minimalismus

Die Idee für das Motiv ist Schmidt relativ rasch gekommen. „Ich bin an diese Aufgabenstellung sehr analytisch herangegangen“, sagt er. Das Analytische spiegelt sich auch in seiner Arbeit wider. Schmidts Stil ist sehr aufgeräumt, er mag klare Linien, ist selbst seit Jahren ein Fan der Kunstrichtung Minimalismus. Noch mehr interessiert er sich aber für eingangs erwähnte Druckverfahren und verschiedenen Papiersorten. „An diese Themen versuche ich meine Kunden heranzuführen“, sagt er. So gestaltet er den grafischen Auftritt – manchmal auch ganze Räume – für kleine und große Firmen.

Dabei ist Schmidt durch Zufall zum Grafikdesign gekommen. Eigentlich hat er zwei Jahre lang die Werbeakademie in Wien besucht, dort allerdings den Kurs für Marktkommunikation und nicht den für Grafikdesign. „Für eine Lehrveranstaltung mussten wir aber mit dem Grafiklehrgang zusammenarbeiten“, erzählt er. Da habe er bemerkt, wie sehr ihm das Gestalten gefalle. Am Ende des Ausbildung war klar: Werbebranche, Kontakter, nein das interessiere ihn nicht. Also ist er für drei Jahre nach London gegangen und hat dort Typografie studiert. „Da habe ich erst gelernt, anders zu denken“, sagt er. In London zähle nämlich nicht nur die Optik, sondern vor allem die Argumentation der Arbeit. Am Ende schließt Schmidt sein Studium mit Auszeichnung ab. 2004 kehrt er nach Wien zurück. Seither, sagt er, hätte sich auch die Szene in Wien verändert. „Es gibt viele junge, gute, aufstrebende Studios, die tolle Arbeit leisten.“ Die hätte es vor zehn Jahren noch nicht gegeben.

Es ist wohl ein gutes Zeichen. Ein Zeichen, dass sich auch in der österreichischen Grafikszene etwas bewegt.

DER WETTBEWERB

„Und Österreich bewegt sich doch“ lautete das Thema beim diesjährigen Briefmarkengestaltungswettbewerb der Österreichischen Post AG und der „Presse“. Die Jury bestand heuer aus Georg Pölzl(Generaldirektor Post), Anita Kern (Kerndesign und Philateliebeirat Post), Claudia Lughammer und Günter Schmied (beide Philatelie Post) sowie „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak und „Presse“-Geschäftsführer Rudolf Schwarz. Die Siegermarke wurde aus 65 Bewerbern und 115 Einsendungen ausgewählt. Sie ist mit 5000 Euro dotiert und wird im Rahmen des Sondermarkenprogramms der Post AG 2015 produziert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2014)

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