Françoise Donche, seit 25 Jahren Duft-Directrice bei Givenchy, spricht über ihr olfaktorisches Männerbild.
Woran erkennt man einen echten Gentleman? Die Frage ist kniffelig genug, um bereits die Verfasser einer Unzahl an Traktaten und Benimmratgebern auf den Plan gerufen zu haben. Und sie lässt sich – leider? zum Glück? – auch in der Haute Parfumerie nicht eindeutig beantworten. Das Maison Givenchy nämlich, eines der anerkanntesten Modehäuser in Frankreich (und seit 1988 Teil der LVMH-Gruppe) mit einer langen Tradition auch im Bereich der Parfümerie, legt fast vierzig Jahre nach der Lancierung von „Givenchy Gentleman“ nun mit „Gentlemen Only“ eine gänzlich neue olfaktorische Interpretation seines eleganten Männerbildes vor.
Hippie-Schwaden. Aus dem klassischen, von Patchouli dominierten „Gentleman“ der Siebziger wird unter der Ägide der „directrice olfactive“ des Hauses, Françoise Donche, ein weiterhin sehr maskuliner, jedoch trocken-holziger und überaus entstaubter Edelmann. „In den Siebzigern hatte Hubert de Givenchy seinen ‚Hippie-Chic‘-Moment. Als er in London Stoffe einkaufte, fielen ihm die Patchoulischwaden der aus Indien heimgekehrten Hippies auf“, erklärt Madame Donche, die ihren Posten seit 25 Jahren innehat und sich als eine Art Tempelwächterin bezeichnet. „2013 kann ich so ein Parfum nicht machen, das wäre viel zu altmodisch. Also haben wir uns für eine sehr holzige, von Zedernholz und Vetiver dominierte Komposition entschieden. Als ganz leichten Verweis auf den Vorgänger gibt es eine Patchoulinote, aber, wie gesagt, sie ist äußerst subtil.“
In der Aktualisierung des olfaktorischen Erbes von Givenchy liege, so Madame Donche, schließlich ihre Hauptaufgabe. Es gelte, die Zeichen der Zeit zu verstehen, sich ihnen anzupassen und doch auch vorauszueilen: „Man muss immer danach trachten, kreativ zu bleiben, anstatt ein Mitläufer zu werden. Inspirationen finde ich im Duftarchiv von Givenchy, aber genauso in den Modekollektionen von Riccardo Tisci.“
Ganz so schnelllebig wie das Laufstegtreiben ist die Parfumbranche freilich nicht. Und doch, auch hier wechseln die Geschmäcker. „Natürlich gibt es wechselnde Zyklen, die bestimmte Parfumfamilien favorisieren oder ihnen zum Nachteil gereichen – zu einem Wechsel kommt es im Schnitt alle drei Jahre.“ Die schweren, floralen Düfte der Achtzigerjahre seien ebenso „démodés“ wie die als allzu frisch empfundenen, aquatischen Wasserbomben der Neunziger. Über diese Zyklen setzen sich freilich jene Parfumkonsumenten hinweg, die über lange Jahre, vielleicht sogar zeitlebens, einem einzigen Duft die Treue halten. „Dieses Phänomen, das früher weit verbreitet war, wird aber immer seltener“, unterstreicht Françoise Donche. „Ich schätze, dass nur mehr ein Fünftel der gesamten Klientel dieses Treueverhalten an den Tag legt.“
Eindeutige Angelegenheit. Abgelöst wurden offenbar auch die verwischten Geschlechtergrenzen der seit den Neunzigern kursierenden Unisex-Parfums. Das lässt zumindest „Gentlemen Only“ erahnen: „Wir haben alles Zweideutige gemieden – keine Vanille, keine Tonkabohne, keine Gewürznoten, die auch in Damendüften vorkommen.“ Zwar werden sich die ungefähr 15 Prozent der Konsumentinnen, die sich laut Statistik im Schnitt bei Herrendüften bedienen, davon kaum abschrecken lassen („Manche Frauen suchen nach diesem psychologischen Kick, besonders maskulin zu riechen“), unter dem Strich dürfte aber der Name dieser neuen Kreation als durchaus programmatisch verstanden werden.