Parfum aus Jasmin: Blüten wie Sternschnuppen

(c) Carolina Frank
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Weißes Blütengold oder doch dem Ekel nah: Der Duft von Jasmin ist in der Haute Parfumerie ebenso begehrt, wie er mit ambivalentem Charakter ausgestattet ist.

Wie wert und teuer die Jasminblüte den Franzosen ist, lässt sich schon daran ablesen, dass das 66. Hochzeitsjubiläum ihnen als „noces de jasmin", die Jasminhochzeit, gilt: Zumindest in dieser Typologie ist Jasmin wertvoller als Gold und Diamant. In der Haute Parfumerie ist die sternförmige Blüte wirklich fast mit Edelmetall aufzuwiegen: Ein kleiner Flakon reinen Parfums mag einige Tausend bei Tagesanbruch geerntete Blüten enthalten. Exakt 10.600 sollen es etwa im Falle von „Joy" sein, dem ersten Hausduft von Jean Patou, der 1930 lanciert und damals als „teuerstes Parfum der Welt" beworben wurde.

Eine prominente Rolle spielt Jasmin seit jeher auch in dem wohl berühmtesten Parfum aller Zeiten, „N°5" von Chanel. Die hier verarbeitete Grandiflorum-Variante (die zweite in der Parfümerie bedeutsame ist der arabische Jasmin oder Jasmin Sambac) stammt, zumindest im hoch konzentrierten „Extrait de Parfum" von „N°5", aus Grasse, von einem der wenigen verbleibenden Produzenten vor Ort.

Ambivalente Natur. Wie andere weiße Blüten beinhaltet auch natürlicher Jasmin besondere Moleküle, die zwischen Wohlgeruch und Ekel oszillieren: Sogenannte Indole sind anderen organischen Verbindungen verwandt, die in Fäkal- und Fäulniszusammenhängen auftreten. Wenngleich sie etwa in Jasmin nur in sehr geringer Konzentration vorkommen, vermögen Indole für einen „animalischen", man könnte auch sagen verruchten und in der traditionellen (französischen) Parfümerie jedenfalls als besonders faszinierend geltenden Charakter zu sorgen. Wie ein einst aus der Küche nicht wegzudenkener Hautgout allmählich unüblich geworden ist, musste auch in Belangen der Duftkomposition alles überaus Animalische oder Komplexe nach und nach in den Hintergrund treten. Synthetisierte Jasminvarianten, etwa das 1958 von Firmenich auf den Markt gebrachte und heute sehr gebräuchliche Hedion, kommen ohne diese Konnotation des leicht Schmutzigen aus, die besonders in der amerikanischen Parfümerie als völlig inakzeptabel gelten würde.

Die Anzahl der von Jasmin (mit-)geprägten floralen Kompositionen ist größer denn je: Zu den weiterhin vertriebenen Klassikern stoßen regelmäßig neue Parfums, die der kostbaren Sternblüte die Ehre erweisen. „Jasmin Rouge" von Tom Ford, vor sieben Jahren lanciert, hat mittlerweile selbst das Zeug zum Klassiker und kredenzt eine mit würzigem Charakter veredelte Jasmin-Sambac-Note. Ähnliches gilt für die vor zehn Jahren auf den Markt gebrachte „Jasmin Noir"-Komposition von Bulgari, die als besonders reif und ins nicht klebrig Süße spielend überzeugt.

Mit und ohne Ecken. Seite an Seite werken in Grasse die beiden LVMH-Parfümeure Jacques Cavallier Belletrud und François Demachy. Während Belletrud in seiner ersten Kollektion für Louis Vuitton keinen expliziten Jasminduft inkludierte, ist doch das blumige „Apogée" als vordergründiger Maiglöckchenduft auch eine Weißblüherangelegenheit mit Spuren von Jasmin. Demachy hingegen erweiterte erst in diesem Jahr die Exklusivlinie der „Collection privée" um einen dank deutlich wahrnehmbarer Marillenoten sehr fruchtigen und dem Namen nach engelsgleichen „Jasmin des Anges". Herrlich nostalgisch ist jene Komposition, die sich Frédéric Malle in Zusammenarbeit mit Modedesigner Alber Elbaz vorzulegen traute: „Superstitious" erinnert als florale Aldehydexplosion an ein ins Unendliche übersteigertes „N°5", oder auch – das überrascht weniger, Alber Elbaz war lange Lanvin-Hausdesigner – „Arpège" von Jeanne Lanvin.

Ein schönes Zusammenspiel diverser Blüten (neben Jasmin etwa Rose, Engelswurz, Tuberose) ist „Flowerhead" von Byredo, dem es vielleicht ein wenig an Ecken und Kanten fehlt. Schön samtig indessen ist die Kombination aus Jasmin mit wärmender Ringelblume, soeben von Jo Malone als „Jasmine Sambac & Marigold" lanciert. Und der vielleicht schönste Jasmin dieses Jahres, zugleich auch eine der gelungensten Jasmin-Kompositionen seit Langem, ist „Udaipur" von Etro: Das italienische Modehaus feiert seine indisch inspirierte DNA im 50.  Jubiläumsjahr und gönnt sich zu diesem Anlass einen vollmundigen Jasmin-Sambac-Tropfen. Man sollte die Feste wirklich feiern, wie sie fallen.

Parfums im Bild

Von links nach rechts:

  • Flowerhead von Byredo ­(50  ml um 110 €).
  • Jasmin Rouge von Tom Ford (50  ml um 185 €). ­
  • Jasmin des Anges von ­Christian Dior (nur in Dior-Boutiquen, 125 ml um 198 €).
  • Apogée von Louis Vuitton (nur in Louis-Vuitton-Boutiquen, 100 ml um 210 €).
  • ­Jasmin Noir von Bulgari (50 ml um 97 €).
  • N° 5 Eau de Parfum Red von Chanel ­(limitierte Edition, 100 ml um ­150 €).
  • Jasmine Sambac & ­Marigold von Jo Malone (nur bei Douglas, 50 ml um ­88 €).
  • ­Superstitious von Editions de Parfum Frédéric Malle (100 ml um 275 €).
  • Udaipur von Etro (100  ml um 160 €).

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