Minihäuser: Raumwunder geschehen

Maximale Reduktion heißt die Lösung auf die Frage nach minimalem Energie- und Ressourcenaufwand im Bau. Wie groß ein Haus sein muss.

Nachdem ich mehrere Jahre im beruflichen Außendienst immer in Hotels gewohnt habe, entwickelte ich eine sehr kompakte Lebensweise, die auf einen Koffer und ein Zimmer reduziert war. Als ich den Beruf wechselte und wieder in meiner großen Wohnung lebte, bemerkte ich, dass mein ganzes Leben immer noch in einem Zimmer stattfand. Ich nutzte die anderen Räume nicht mehr“, erinnert sich der Vorarlberger Oliver Redl. Jene Zeit löste in ihm den Wunsch nach einem Eigenheim auf möglichst kleinem Raum aus. Ein freistehendes Häuschen sollte es sein.

Die Suche nach Minihausanbietern verlief allerdings ernüchternd: „Die fertigen Designhäuser auf dem Markt fand ich für die Größe viel zu teuer. Also setzte ich mich mit dem Architekten Robert Schmid zusammen und machte es selbst.“ Die Projektprioritäten lauteten: kleiner Preis und minimale Betriebskosten, modernes Design, Mobilität und Erweiterbarkeit.

Als Ausgangspunkt wurde der Typus Gartenhaus gewählt, den es vom Wand-, Decken- und Bodenaufbau her so lange zu erweitern galt, bis er bewohnbar wurde. Heraus kam eine simple Holzrahmenkonstruktion, die durch das geringe Gewicht nur ein Punkt-Fundament anstatt eines vollflächig betonierten Fundaments erforderte. „Während der Berechnung für die Statik und die Mindestanforderungen für die Wärmedämmung haben wir die Konstruktion auch auf Selbstmontage im 3-D-Programm optimiert. So entstand schließlich die Idee, eine Selbstbauanleitung mit Säge- und Stücklisten auszuarbeiten“, erzählt Redl. Geboren war das Microhouse: 24 oder 39 Quadratmeter, Letzteres für 20.000 Euro Materialkosten. Innenausstattung sowie Anschlussgebühren für Strom, Wasser und Kanal exklusive. Eine DVD mit Video-Tutorial zur Selbstbauanleitung ist dabei.

Leben „auf kleinem Fuß“

Wer etwas auf sich hält, lebt auf großem Fuß, lautet ein gängiges Klischee, das unter schönem und gesellschaftlich angesehenem Wohnen vor allem das Residieren auf möglichst großer Wohnfläche subsumiert. Dabei gäbe es gerade in Zeiten der finanziell wie ökologisch knappen Ressourcen Argumente genug, sich wie Redl im Raum zu beschränken. Wozu 3,5 Meter hohe Altbauräume heizen und nicht wirklich notwendige Nebenzimmer erhalten, wenn durch Fokussierung auf das Wesentliche klar wird, dass weniger mehr sein kann. Am Beispiel etwa von renommierten Architekten wie Rem Koolhaas, der beruflich Bürohäuser von bis zu 500.000 Quadratmetern plant, privat aber auf 40 Quadratmetern haust und dabei von „maximaler Konzentration“ schwärmt.

Bewegung: „Small House Movement“

Während also rein statistisch die durchschnittliche Wohnfläche von Einfamilienhäusern weltweit kontinuierlich ansteigt und in Österreich aktuell bei 107 Quadratmetern liegt, scheint gleichzeitig die Anzahl jener Personen zu steigen, die an der maximalen Reduktion Gefallen finden. Ein Trend, der 2002 in Amerika mit dem Zusammenschluss zur Interessengemeinschaft für Small House Movement seine Wurzeln hat. Die Bewegung, die das Leben in kleinen Häusern propagiert und ihren Ausdruck in einer Architektur findet, die Minihäuser plant und realisiert, schwappt seit wenigen Jahren auch auf Europa über.

In Deutschland etwa das Micro Compact Home (m-ch), das an der Technischen Universität München vom britischen Architekten Richard Horden entwickelt wurde. Was ursprünglich als Lösung für das Problem, Studienanfänger günstig in der Stadt unterzubringen, gedacht war, ist seit 2006 in ganz Europa erhältlich. Es wird von einer Firma mit Sitz im oberösterreichischen Uttendorf in Kleinserie produziert. Mit je 266 Zentimetern Außenmaß für Breite, Länge und Höhe und einer Innendeckenhöhe von 198 Zentimetern erweist sich der Miniaturkubus als Raumwunder, das unter anderem Platz für zwei kompakte Betten, einen Schiebetisch, einen Wohn-/Essbereich samt Flachbildfernseher, eine Dusch- und Toilettenkabine sowie eine Küchenzeile bietet.

Zur Ausstattung gehören zudem eine thermostatgeregelte Warmluftheizung, Klimaanlage und Warmwasserbereitung. Richtpreis inklusive aller Innenausbauten: 38.000 Euro.

Für den Wochenendausflug

„Das m-ch wird per Anhänger oder mithilfe eines leichten Krans angeliefert und kann als Einzelelement auf einem Aluminiumrahmen aufgebaut werden“, erläutert Firmenleiter Rupert Gatterbauer. Genutzt werde es vornehmlich als Gästehaus im Garten oder Ferienhaus auf dem Land für Wochenendausflüge. „Es können aber auch mehrere Micro Compact Homes neben- oder übereinander angeordnet werden und so größere Dörfer bilden, in denen die einzelnen Einheiten durch zugehörige Außenräume miteinander verbunden werden“, so Gatterbauer. Mögliche Einsatzgebiete solcher Dörfer liegen zudem in der Bereitstellung von studentischem Wohnraum und Übernachtungsmöglichkeiten für Kurzaufenthalte oder Geschäftsreisen.

Der Boom an Miniaturwohneinheiten hat inzwischen weitere Varianten auf den Markt gebracht. Etwa das Mikrohaus der im 21. Wiener Gemeindebezirk angesiedelten Firma Tech Metall, die bereits 1960 Mikrohäuser als „Haas-Häuser“ in Serie gefertigt hat und 50 Jahre später den Relaunch für energieeffiziente Minihäuser zur nachhaltigen Wohnraumschaffung wagte. Zum Angebot stehen Größen ab 30 Quadratmeter zu Baukastenanschaffungspreisen ab 1150 Euro pro Quadratmeter und Heizkosten für ganzjähriges Wohnen ab 300 Euro.

„Wir setzen mit Schwerpunkt ökologischer Fußabdruck vor allem auf Energieeffizienz, geringe Anschaffungskosten und die rasche Herstellung der nachhaltigen Stahlbaukonstruktionen. Die Weiterentwicklung geht in Richtung Energieautarkheit“, erläutert Geschäftsführer Sascha Haas.

30 Quadratmeter auf dem Wasser

Wer es besonders individuell mag und bereit ist, etwas tiefer in die Tasche zu greifen, kann zu einem Gesamtpreis ab 120.000 Euro auch ein Floating Home erwerben. Das Angebot: ein ganzjährig bewohnbares Eigenheim am Wasser mit 30 Quadratmetern Wohnfläche und 18 Quadratmetern Terrasse, gelegen auf einem zehn mal sechs Meter großen Schwimmponton mit integrierten Abwassertanks und Versorgungsleitungen für Wasser und Strom. Betriebskosten von weniger als 200 Euro pro Jahr sollen dabei durch eine Wärmedämmung sichergestellt werden, die sich bis hin zum Passivhausstandard ausführen lässt.

WEITERE INFORMATIONEN UNTER

www.microhouse.at

www.smallhousestyle.com

www.microcompacthome.at

www.mikrohaus.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2012)

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