Fuori Salone: Die ganze Stadt als Galerie

Riesig. Die „Giants with Dwarf“ des Architekten ­Stephan Hürlemann.
Riesig. Die „Giants with Dwarf“ des Architekten ­Stephan Hürlemann.(c) Stefan Altenburger
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Zum Salone del Mobile in Mailand gehören auch die Events des Fuori Salone. Sie führen zum Teil in ganz neue Felder des Designs.

Mailand mit dem Reiseführer. Auch eine gute Idee. Aber wenn der Fuori Salone die Stadt mit Events, Ausstellungen und Präsentationen überzieht, lässt man sich am besten von anderen Zeichen leiten, jenen Fahnen, die zeigen, das in diesem Palazzo, diesem Hinterhof, diesem versteckten Garten genau das passiert, was man besser nicht versäumt, wenn man Design, Architektur und ihre Randzonen zur Kunst nicht nur aus der Ferne beobachten will. In diesem Jahr gab’s noch einen Wegweiser: „Tiny“, eine poppige Kaffeemaschine von Lavazza in einer Limited Edition, unverkennbar im Design der „Lipsticks“-Edition von „Toiletpaper“, dem Magazin der Künstler Maurizio Cattelan und Pierpaolo Ferrari.

Während der Mailänder Design Week erschließen sich den Besuchern nicht nur visionäre Prototypen und neue Experimentierfelder der Gestaltung, sondern das neue Viertel, in dem die Veranstaltungen über die Bühne gehen, gleich mit. So dringt man über enge Stiegen manchmal förmlich ins Herz der Stadt vor, denn zunehmend finden die Happenings in Wohnungen und Hotels statt. Zu den inzwischen traditionellen Designvierteln zählt im Süden Tortona. Dazu kommt immer wieder ein neues, in diesem Jahr fanden die Ventura Projects nicht wie zuvor im Stadtteil Lambrate statt, sondern im nordwestlichen „NoLo“ rund um den Piazzale Loreto.

Lederbälle. „Aura“ nennen  sich die Sitze des toskanischen Herstellers Maurizio Casini.
Lederbälle. „Aura“ nennen sich die Sitze des toskanischen Herstellers Maurizio Casini. (c) Beigestellt

Dabei befanden sich die Installationen von „Ventura Centrale“ unter den Gewölben des Hauptbahnhofs, „Ventura Future“ mit den experimentellen Arbeiten von Designschülern aus aller Welt am Rand von Città Studi, dem Universitätsviertel, im „Future Dome“, einem Jugendstilgebäude, in dem sich einst die Futuristen trafen. Und futuristisch mutete tatsächlich so manches Objekt an. Wie jene von Marija Puipaitä und Vytautas Geäas vorgestellte Chaiselongue „Envisioned Comfort“. Auch dem Projekt „Future Food City“ von Jasper Udnik und Ten Cate wurde viel Aufmerksamkeit geschenkt. Der Ansatz zur Entwicklung dieses „Dach“-Biotops, aus dem man in Zukunft wichtige Nahrungsmittel, darunter Algen und proteinreiche Würmer, entnehmen wird, dreht sich um die Frage: Ist Massentierhaltung noch vertretbar?

Auf Nachhaltigkeit fokussiert waren auch die Entwürfe an der dritten Location, den ehemaligen Pharmazielabors der Uni, wo vornehmlich Studierende von Designhochschulen ihre Projekte vorstellten. Die angehenden Designer der tschechischen Tomáš-Bat’a-Universität in Zlín beschäftigten sich mit den Konsequenzen des Schieferbergbaus und entwickelten aus einem umweltfreundlichen Schiefer-Geopolymer minimalistisches Küchengeschirr: wie etwa der Suppentopf „Tortam“ von Dana Vránková.

Umgedeutet. „Envisioned Comfort“, Chaiselongue von Marija Puipaitä.
Umgedeutet. „Envisioned Comfort“, Chaiselongue von Marija Puipaitä. (c) Beigestellt

Die Riesen des Hauptbahnhofs. Die „Giants with Dwarf“ des Schweizer Architekten Stephan Hürlemann waren zweifelsohne die Attraktion des diesjährigen Fuori Salone. Um seine sieben beweglichen Riesentier-Marionetten aus Holz in einem der Gewölbe des Hauptbahnhofs zu bestaunen, nahm man gern eine lange Menschenschlange in Kauf. Im benachbarten Bogen wurde man wiederum von Eileen Fishers „Arch of Trash“ empfangen. Die Amerikanerin befasst sich seit Längerem mit den Konsequenzen des ausufernden Textilmülls. In Mailand stellte sie die Kollektion „Waste No More“ vor, dazu gehört auch der mit der Künstlerin Sigi Ahl entworfene Teppich „Venetian Bauhaus“. Und wieder einen Bogen weiter konnte man sich von Denis Guidones und Tomoko Fuses Origami-Lampenkollektion „Paper & Lights“ bezaubern lassen.

Wie jedes Jahr herrschte im Künstlerviertel Brera auch reges Treiben. Einst hatte Dimorestudio den Trend angestoßen, Designobjekte in häuslichem Ambiente statt in klassischen Showrooms zu präsentieren. Und so werden immer mehr Altbauwohnungen zu Galerien, in denen man von Zimmer zu Zimmer schlendert, um sich in jedem einzelnen neu überraschen zu lassen. Hier fanden sich etwa Sitze namens „Aura“ vom toskanischen Hersteller Casini, die einem handgenähten Pilates-Ball aus Leder ähnelten. Oder auch Entwürfe, die sich der Ästhetik des Memphis-Gründers Ettore Sottsass verpflichtet sahen – von Nathalie Du Pasquier und George Sowden. Zu guter Letzt ging es zur etwas entlegenen Fonderia Artistica Battaglia, der ältesten Gießerei der Stadt, sie liegt unweit vom sehenswerten Zentralfriedhof. In der Gießerei haben der Meister Umberto Riva und der junge Giacomo Moor mit ihren Entwürfen „Come Architetture“, die enge Verbundenheit zwischen Design und Architektur zur Schau gestellt.

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