Theresa Bienenstein: Äußere Werte, innere Stimme

Gefühlsbetont. Theresa Bienenstein gründete in Wien ihre Firma Bienenstein Concepts.
Gefühlsbetont. Theresa Bienenstein gründete in Wien ihre Firma Bienenstein Concepts. (c) Anna Stöcher
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Designerin Theresa Bienenstein formt vor allem eines in den Räumen und Wohnungen, die sie gestaltet: Gefühle.

Quadratmeter Wohnfläche. Kubikmeter Raum. Selbst wenn man ihn füllt, mit Möbeln, Dingen, Objekten, kann er manchmal unerklärlich leer wirken. Denn das Wichtigste, das man gleichmäßig in den Raumvolumina verteilen sollte, sind Emotionen, meint die Innenarchitektin und Interior-Designerin Theresa Bienenstein. Und womöglich Antworten auf so einige Fragen, die sie den Auftraggebern stellt. Manchmal gibt sie jedoch in den Entwürfen für Wohnungen, Häuser, Geschäfte, Hotels und Shops auch Antworten, ganz ungefragt: Darauf, wie man Räume ineinanderfließen lässt und dabei auch gegen den Strom gestaltet.

Sie haben bereits in unterschiedlichsten kulturellen Kontexten gearbeitet. Wie sehr äußern sich diese tatsächlich in der Gestaltung der Wohn- und Lebensräume?
Durch meinen Beruf habe ich mit verschiedensten Nationen und Kulturen Erfahrungen gemacht. Und ja, die soziokulturellen Merkmale, aber sogar auch mikrogeografische Besonderheiten schlagen sich in der Gestaltung der Wohnungen nieder. Ein Interior-Projekt in New York setzt andere Schwerpunkte als in Paris, in der Einrichtung, in der Ausstattung, in der Raumaufteilung. Doch wenn ich mich einem Projekt widme, geschieht das vorerst völlig kontextfrei: Ich nähere mich der Aufgabe, indem wir beobachten, gut zuhören, analysieren, entwerfen. Und über all den kulturellen Spezifika steht trotz allem eine Gemeinsamkeit: Schlussendlich geht es um die Emotionen, die ein gelungenes Projekt auslöst. Ob in New York oder Paris.


Wenn Wohnräume atmosphärische Stellschrauben hätten, an welchen können Interior-Designer am effektvollsten drehen, um die Gesamtsituation zu verbessern?  
Vor allem kann man beim Umgang mit den Raumvolumina viel erreichen. Dabei geht es auch darum, wie sie ineinandergreifen, welcher „Flow“ dabei entsteht. Wir nähern uns dem Interieur von der architektonischen Hülle her an, wir denken quasi die Räume von außen nach innen, von der Schale zum Kern. Denn eine Wohnung sollte das Leben der Bewohner entsprechend abbilden. Also auch ihren Tagesablauf. Oder den Lebensstil, den sie pflegen oder wünschen. Da lässt sich über die Raumgrößen und -anordnungen schon viel erreichen.

„Für manche wird die Wohnung auch zum entdigitalisierten Rückzugsort.“
„Für manche wird die Wohnung auch zum entdigitalisierten Rückzugsort.“(c) Paul Warchol


Warum wirken manche Menschen gerade beim Thema Wohnen so hilflos und verlassen sich lieber auf professionelle Beratung als auf ihre eigene innere Stimme?
Ich denke, dass man die eigene Stimme oft nicht mehr so gut wahrnimmt, weil man auch überflutet wird von Reizen, die auf uns einprasseln. Vor allem auch von den Medien. Das überfordert viele. Da können geschultere Augen das Wesentliche doch noch besser sehen, das Relevante vom Uninteressanten besser trennen. Außerdem öffnen professionelle Berater den Auftraggebern noch ganz andere Zugänge zu Expertisen, aber auch zu Ressourcen, um Vorstellungen zu verwirklichen.


Warum tun sich manche Menschen so schwer, auch beim Einrichten sie selbst zu sein?
Diese Frage könnte man noch erweitern: Warum fragen sich immer weniger Menschen, wer sie sind, wofür sie stehen und wie sie wirklich leben möchten? Man lässt sich gern von Normen, Standards und Trends das Leben, das man führt, vorzeichnen. Denn Abweichen von der Norm ist auch immer ein wenig unbequem, zunächst. Aber ich verstehe es durchaus als meine Aufgabe, ohne mich als Weltverbesserin zu sehen, meine Kunden an ihre Individualität und Authentizität he­­ranzuführen. Mein Auftrag besteht darin, einen Rahmen zu schaffen, eine Leinwand, die der Kunde mit seiner ganz persönlichen Geschichte füllen kann.


Welchen Bereichen widmen Gestalter oft zu wenig Aufmerksamkeit in den Wohnungen?
Ein wesentlicher Faktor ist sicher die Lichtgestaltung. Dafür arbeite ich auch gern mit Lichtplanern zusammen, denn die richtige Beleuchtung kann ein sehr komplexes Thema sein. Auch die Akustik der Räume ist etwas, das schon bei der Planung berücksichtigt werden sollte. Worauf man auch gern vergisst: genügend Stauraum einzuplanen. Das führt oft dazu, dass nachgebessert wird, mit Lösungen, die sich nicht so recht ins Ganze fügen wollen. Schlussendlich ist es aber auch die Summe der kleinen, auch architektonischen Details, die das gesamte Raumerlebnis kreieren: Materialübergänge, Schattenfugen, Texturen, Oberflächenhaptik.


Wie wirken sich allgemeine gesellschaftliche Entwicklungen auf die Gestaltung von Wohnräumen aus? Die Digitalisierung etwa?
Intelligent vernetzte Haustechnik gehört schon zum Standard bei anspruchsvollen Wohnprojekten. Die Technologien verfeinern sich, genauso wie ihre ästhetischen Ausdrucksformen. Home-Office ist natürlich ein großes Thema, das Raumgestaltung und Möbelauswahl beeinflusst. Jedoch beobachte ich auch parallel zur Digitalisierung eine Art Gegenbewegung, die sich im Zuhause äußert: weg vom digitalen, wieder zu mehr „analogem“ Wohnen – das Zuhause wird zum entdigitalisierten Rückzugsort.

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