Der Architektur-Aufreger: In der Bank

Auf dem Austria Campus in Wien zieht die Bank Austria ein. Architektonisch fährt sie die Pentagon-Strategie: Ja nicht zu nahe kommen.

Ein schönes Gefühl, geliebt zu werden. Aber eines, das man sich vor allem zuhause, bei Familie und Freunden abholen muss. Stimmt schon: Hofiert wird man eh auch außerhalb der eigenen Wohnungstür. Aber nur von ein paar Unternehmen und Dienstleistern, die uns freundlich sagen, dass wir uns gefälligst selbst um uns kümmern sollen -  daheim, bei unseren Lieben. Vor allem die Banken haben diesen Gestus professionell kultiviert. Auch mit Hilfe der Architektur. Am liebsten sagen uns Banken in den Filialen: Schön, dass du gekommen bist. Wir hoffen, es war das letzte Mal.

Doch viele Bankfilialen verhalten sich ohnehin so, als würden sie gestalkt werden von Kunden: Sicherheitshalber verschwinden sie gleich aus dem Stadtbild. Und wo sie bleiben, da wirken sie gestalterisch, als hätten sie es nicht allzulange vor. Die Räume, die architektonisch noch eine andere Haltung manifestierten, dienen nicht mehr Menschen, sondern längst anderen Zwecken, etwa als Hotelrestaurants. Statt Bankschalter sind nur mehr jene Schalter relevant, an denen „On“ und „Off“ steht. An den Maschinen, die Gesichter nur mehr in Form von User-Interface haben und die die Menschen sich selbst servicieren lassen.

Gut, wir bleiben eh gern zuhause, wegen der Liebe und so. Aber gar so deutlich wie die Bank Austria muss man es uns auch nicht spüren lassen. Der Türsteher am Filialeingang sortiert gleich mal lächerliche von unerfüllbaren Wünschen. Dann darf man eine Nummer ziehen. Ein Vorgang, der in den Meinl-Supermarkt-Filialen an der Wursttheke früher noch einen Ansatz von Eleganz und Grandezza hatte.

Bankfiliale in Lienz
Bankfiliale in Lienz(c) Michael Strobl

Inmitten des Bank Austria Farbkonzepts will man am liebsten einen Billigflug mitbuchen und gleich dafür bezahlen, dass man sein Gepäck selbst zum Flugzeug bringen darf. Das Design-Konzept vermittelt den Eindruck, als würde der Laster schon im Hof warten, um den Pop-Up-Store des mittelpreisigen Online-Möbel-Shops, in den man geraten ist, weiter zu verfrachten.  Die extra-offene Gestaltung ist ein Täuschungsmanöver. Eine Verteidigungsstrategie, die unsichtbare Mauern aufzieht, die vor zu viel Hingezogenheit seitens der Kunden schützen soll.

Die neue Unternehmenszentrale der Bank Austria nahm sich diese Logik besonders zu Herzen.  Der Austria Campus im zweiten Bezirk in Wien lässt Baukörper und Büroflächen in die Stadt plumpsen.  So plump, dass das Pentagon in Washington architektonisch als reinste Charmeoffensive gelten könnte. Was man früher mit freundlicher Widmung der Stadt in den Himmel gestapelt hätte, hier liegt es unmotiviert wie vom Wind gekippte Baumstämme in der Stadtlandschaft herum. So lang, wie Hochhäuser eben hoch wären.

Und die gelangweilte architektonische Attitüde wäre vielleicht noch länger ausgefallen, wenn der Platz dafür gewesen wäre. Die Seiten des Pentagons sind zumindest stattliche 280 Meter lang. Doch hinter der Geometrie des Gebäudes steckt im Gegensatz zu den Baukörpern des Austria Campus zumindest eine gestalterische Logik: Kein Raum sollte vom anderen weiter als sieben Minuten Fußweg entfernt liegen.

Sieben Minuten zu Fuß in einem Autobahntunnel wären wahrscheinlich kurzweiliger als am Austria Campus die gekippten Hochhäuser abzuschreiten. Die lang gestreckten Baukörper ermüden den Blick in der gleichen Sekunde, in der er auf sie fällt. Müde Ermattung macht sich im Lustzentrum im Hirn der Stadtmenschen breit, sobald sie davor stehen. Die Defensivstrategie - sie scheint aufzugehen. Die dreijährige Tochter eines Freundes hat gestern einen besseren Entwurf abgeliefert, als ihre Bauklötze versehentlich umgekippt sind. Wundert gar nicht allzu sehr bei einer Bank, die vor kurzem noch überlegt hat, wie sie ihr Privatkundengeschäft am besten losbekommt.

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