Fleiß und Konsequenz

Eine abblühende Rose.
Eine abblühende Rose. (c) Ute Woldtron
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Wer ein schönes Gärtchen haben will, kommt nicht umhin, sich die Hände dreckig zu machen und ordentlich zu schuften, alles andere ist Mumpitz.

Schau dir das an“, sagt die Dame des Hauses und deutet verdrossen auf das, was ein hübsches Gärtchen sein könnte, im Moment jedoch eher die Charakterzüge eines Ausschnitts des oberen Amazonasbeckens trägt. Dschungel. Jahrelang nicht geschnittene Obstbäume. Ein Überlebenskampf der Starken gegen die sich selbst überlassenen Schwächeren. Vom Efeu gewürgte Baumriesen. Darunter ein kleiner Sitzplatz, ausgelegt mit vermoosten und von Unkraut umspielten Steinplatten.

„Wo ist das Problem?“, frage ich. In die Hände spucken, das Werkzeug packen und arbeiten, das hilft in solchen Fällen augenblicklich. Am besten als Team, denn einer allein, so ein alter Spruch, schaut einem Deppen gleich. Die morschen Äste gehören weg, der Rasen gemäht, die Rabatten von Unkraut befreit, vielleicht ein paar neue Sträucher und Stauden an strategisch guter Stelle gepflanzt, und die Sache ist fürs Erste erledigt.


Daueropposition zum Unkraut. Die Struktur der überschaubaren Anlage ist nicht schlecht, sie stammt von einem Gartengestalter, der sich offensichtlich Gedanken über Baumbestand, Windrichtung und Sonneneinfall gemacht hat. Darauf könnten auch unerfahrene Gärtner aufbauen, weil hier eigentlich nur erhalten werden muss. Doch wer ein dauerhaft schönes Gärtchen haben will, kommt nicht umhin, darin auf die Knie zu gehen, sich die Hände dreckig zu machen und lange Stunden ordentlich zu schuften. Immer wieder.

Sie sei dafür nicht geeignet, meint sie, in Daueropposition zum Unkraut zu stehen sei einfach nicht ihr Ding. „Mumpitz“, sage ich dazu, am besten fest mit beiden Händen zupacken, aber überlegt und mit Strategie, denn beidhändiges Eindreschen führt selbst auf dem Tennisplatz nur dann zum Punkt, wenn der Schlag mit Sorgfalt, Plan und dem rechten Können erfolgt.

Fleiß. Die ewige Frage, wie viel Arbeit ein schöner Garten mache, ist einfach beantwortet: viel. Die unweigerlich darauf folgende, wie man das denn alles schaffe, ebenso: mit Freude am Tun und mit so altmodischen, mitunter scheel beäugten Tugenden wie Fleiß und Konsequenz. Noch keinem sind die Kirschen ins Mäulchen gewachsen, wo nicht irgendwann irgendwer ein Kirschbäumchen gepflanzt und sich um sein Fortbestehen gekümmert hat.

Verwahrloste Bäume tragen zwar jahrelang noch Früchte, doch wenn sie nicht gepflegt werden, liefern sie wenig Ertrag, und Kirschen hängen bald in schwer erreichbaren Höhen. Die Bäume vergreisen, bevor sie alt sind. Und das Ausmaß, mit dem man mit dem Unkraut zu ringen hat, liegt ebenfalls in des Gärtners eigener Hand.

Wer den Giersch nicht rechtzeitig zügelt, die Quecke nicht als solche erkennt und so lang ausreißt, bis sie ihr Glück anderswo versucht, wo sie nicht stört, wird verzweifeln oder den gärtnerischen Saustall seinem Schicksal überlassen. „Unkraut ist alles, was nach dem Jäten wieder wächst“, jammerte bereits Mark Twain, doch in diesem Fall irrt er sich ausnahmsweise, der alte Literat. Alles wächst, nicht nur das Unkraut.


Herbst als Beginn. Der Herbst ist nicht nur das Ende der einen Saison, sondern auch bereits der Beginn einer neuen. Stauden können jetzt ohne viel Aufwand geteilt und vermehrt werden. Frisch gesetzte Bäume und Sträucher haben noch ein paar Wochen Vegetationszeit, um gut einzuwurzeln und nach dem Winter entsprechend kräftig in den Frühling zu gehen. „Die Achse verläuft heute nicht mehr entlang liberal-konservativ“, meinte Steve Jobs, „sondern entlang konstruktiv-destruktiv.“ Im Garten hat dieser Leitsatz immer schon gegolten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2018)

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