Seidenpapierene Schönheiten

Mit der richtigen Behandlung hält der Islandmohn auch länger in der Vase.
Mit der richtigen Behandlung hält der Islandmohn auch länger in der Vase.(c) Ute Woltron
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Die Gattung Mohn treibt bekanntlich flüchtige Blüten, die sich kaum einfangen und in die Vase stecken lassen, weil sie in kürzester Zeit verwelken, doch zum Glück gibt es eine Ausnahme.

Meterhoher Schnee und Frost. Die Gärtner sind gelangweilt. Schon viel zu lang ist nichts zu tun da draußen, und auch drinnen herrscht weitgehender botanischer Stillstand, vor allem, was das Blühgeschehen anlangt. Neben der verlässlich dauerblühenden Forellenbegonie ist lediglich eine winzige Zitrusblüte an der in der Wärme überwinternden Kaffirlimette zu verbuchen, und auch der Christusdorn strengt sich zumindest ein wenig an. Insgesamt ist die bunte Ausbeute für Frühlingshungrige jedoch mager.

Es war also wieder einmal an der Zeit, in Richtung Wiener Schleifmühlgasse zu wandeln, um in Christine Finks Blumenkraft-Oase Duft und Farbe zu tanken. Nicht-Wienerinnen und -Wiener kommen in solchen Fällen in den Genuss, diese prachtvolle Stadt mit stets frischen Augen betrachten zu dürfen. Ein Spaziergang, beispielsweise vom 2. über den 3. bis in den 4. Bezirk, ist unbestritten eine architektonische Augenweide. Außerdem war der Tag fast schon frühlingshaft, bei strahlendem Sonnenschein und deutlichen Plusgraden. Irgendwo in einem Park sang ein Amselhahn tatsächlich sein erstes Frühlingslied, und bei diesem lang vermissten Klang wird einem ohnehin sofort ganz warm ums Herz.


Frühlingsausbruch. Im Blumengeschäft war der Frühling dann vollends ausgebrochen. Duftende Hyazinthen, Zwergiris, Anemonen und Ranunkeln in allen Farben. Italienische Röschen und frühe Waldreben mit reizenden lila Blüten und eine seidenpapierzarte Riege wunderschönster Mohnblüten in gelb-orangen Pastelltönen. Vor allem Letzteren bin ich verfallen.

Die Gattung Mohn treibt höchst flüchtige Blüten, die sich so gut wie nicht einfangen und in die Vase stecken lassen. Sie verwelken, sobald sie gepflückt sind. Bereits nach wenigen Minuten beginnen ihre zarten Häupter zu sinken, und ein Blütenblatt nach dem anderen fällt ab. Es gibt unter den weltweit etwa 100 Mohnarten jedoch eine erfreuliche Ausnahme, und zwar eben diesen Islandmohn, Papaver nudicaule. Wer ihn nach dem Pflücken richtig behandelt, darf sich eine gemessene Frist an seinem Anblick erfreuen.

Das Wichtigste ist die Vorbereitung der einzelnen Blüten. Zum einen wird der Mohn geschnitten, solang die Blütenknospen im Aufgehen begriffen, doch noch nicht völlig geöffnet sind. Die Stielenden müssen anschließend entweder mit dem Feuerzeug oder, noch besser, durch kurzes Eintauchen in kochend heißes Wasser versiegelt werden. Wer also ein Islandmohnsträußchen nach Hause trägt und die Stängel für zu lang befindet, sollte nach dem Schnitt diesen Prozess unbedingt wiederholen. Auch die Temperatur spielt eine Rolle. Je kühler der Mohn steht, desto länger wird er blühen.

Ansonsten ist die zarte Pflanze in ihrem eigenen Habitat ein widerstandsfähiges Gewächs, denn sie stammt aus den arktischen bis subarktischen Gebieten Nordamerikas und Asiens. Aus genau diesem Grund ist es schwierig, sie hierzulande im Garten zu ziehen, denn sie verträgt zwar Trockenheit, doch keine Hitze. Außerdem gedeiht sie auf Kalkböden eher mäßig, und wie fast alle Mohngewächse, sieht man vom Türkenmohn ab, lässt sich der Islandmohn kaum umsetzen.

Geschickte können sich eines Tricks bedienen und den Mohn in Blumentöpfen vorziehen. So bestehen bessere Chancen, die Pflanzen mitsamt Erde und Wurzelstock behutsam ins Beet zu übersiedeln. Dort blüht der Islandmohn erfreulich lang von Mai bis August. Mehrere Zuchtformen stehen zur Verfügung, vom knapp zehn Zentimeter kleinen Winzling bis zu einen halben Meter hohen Prachtsorten.

Eine weitere Methode, den Mohn auf Dauer in den Garten zu locken, besteht darin, die Samen direkt im Steingarten oder in einem mageren, trockenen Beet auszustreuen und das Beste zu hoffen. Vollsonnige Stellen sind zu vermeiden, obwohl der Mohn an sich Sonne mag, doch je kühler der Standort, desto besser wird er gedeihen. Die kapriziöse Staude ist zwar mehrjährig, doch eher kurzlebig, aber sie streut sich reichlich aus und kann, wenn sie sich wohlfühlt, geräumige Areale besiedeln.

Wem das zu kompliziert ist, muss auf andere Mohnarten zurückgreifen. Vergleichsweise unkompliziert ist der bereits erwähnte Türkische Mohn, Papaver orientale. Die ausdauernde Staude gedeiht jahrelang an sonniger, nicht zu feuchter Stelle und zieht ab Mai mit Riesenblüten in Knallrot, Orange, Rosa, Lachs die Blicke auf sich. Die bis zu 15Zentimeter großen Blüten sind bei den Bienen so beliebt, dass oft ein halbes Dutzend durch den dichten Kranz von Staubgefäßen taumelt, wie in emsiger Trance und voll Begeisterung für den reichlich gedeckten Pollentisch.

Lexikon

Papaver. Die Gattung Mohn kommt rund um den gesamten Globus in etwa 100 Arten vor. Der hierzulande bekannteste, weil sehr häufig anzutreffende wild wachsende Mohn ist der große Kolonien bildende Klatschmohn.

Papaver orientale. Im Vergleich zum anspruchsvollen Islandmohn ist der Türkische Mohn ein robuster, ganz einfach zu ziehender Gigant und deshalb für Normalgärtner die wahrscheinlich sinnvollere Variante.

Papaver somniferum. Der wunderschöne Schlafmohn ist aufgrund seines opiumhaltigen Pflanzensafts in den meisten Ländern verboten, nicht so in Österreich, das auf eine Schlafmohntradition bis in die Hallstattzeit zurückblickt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2019)

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