Kleiner denken mit Micro-Living

Microloft. Eine mobile Immobilie aus Österreich.
Microloft. Eine mobile Immobilie aus Österreich. www.microloft.at
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Der Planet ist zu eng für große Häuser. Deshalb entwerfen Designer und Architekten inzwischen gern auch Modelle in "Tiny" oder "Skinny".

Jetzt wird s eng. Jeden Tag Hunderte Ellbogen mehr. In der U-Bahn. Auf dem Gehsteig. Und zu Hause in den Wohnungen? In Wien kommen durchschnittlich zwei Ellbogen auf 40 Quadratmeter. Vor mehr als 100 Jahren, in der Gründerzeit, waren es nur vier Quadratmeter, über die ein Stadtbewohner theoretisch verfügte. Und oft auch nur für die Hälfte des Tages. Denn wenn man etwa in Wien selbst in der Fabrik war, kamen oftmals die Bettgänger, die den freien Platz inzwischen zum Schlafen nutzen.

Das Zimmer, in dem der junge italienische Architekt Leonardo Di Chiara aufwuchs, war, wie er erzählt, neun Quadratmeter groß. Und vielleicht ist deshalb das Haus, das er selbst entwickelt hat, auch nicht viel größer: "aVoid" nennt er es, denn der Zustand von "void", also "leer", sollte sich auch im Namen wiederfinden. Und Leere zeichnet sich auch deutlich ab, wenn man in das Haus hineinschaut. Doch ein paar Spalten und Aussparungen zwischen den grauen Holz-Paneelen verheißen: Das kann sich auch ändern. Sobald man Hunger hat. Sobald Freunde zu Besuch kommen. Und man danach müde wird. Dann wird von allen Seiten ausgeklappt, was man gerade zum Leben braucht. "Es ist einfach eine Frage der Organisation. Der Innenraum lässt sich jeweils für die aktuelle Situation adaptieren", sagt Di Chiara.

 "aVoid" heißt das Haus, das urbane Nischen sucht.
"aVoid" heißt das Haus, das urbane Nischen sucht. Stefan Dauth

Dass man Häuser auch günstig so bauen kann, dass sie in kleinste urbane Nischen passen, das hat Di Chiara in Berlin gelernt. Vor allem von einem Designerkollektiv, das sich Tinyhouse University nennt. Gegründet hat es der Berliner Architekt Van Bo Le-Mentzel, der sich ausgiebig mit erschwinglichen Möbeln und Wohnraum in Eigenbau beschäftigt. In Sommerkursen wurde vergangenes Jahr etwa vermittelt, wie man für 4000 Euro ein Ministadthaus bauen kann. Für Plätze, die sich in Städten plötzlich auftun. Für Orte, an die Migranten, Flüchtlinge und Menschen, die nicht viel brauchen oder nicht viel haben, mit ihrem Haus rollen können. Denn auch das Haus "aVoid" steht auf Rädern. "In diesem Jahr möchte ich damit von Berlin nach Italien fahren", sagt Di Chiara. Im vergangenen Sommer war es noch im Hof des Bauhaus-Archivs in Berlin ausgestellt. Als ein Modell von vielen, die dort Aufstellung genommen hatten. Um zu zeigen, wie Leben auf engem Raum funktioniert, weil es in Zukunft vielleicht gar nicht mehr anders funktionieren kann aus nachhaltiger Sicht. "Ich wollte einfach auch zeigen, dass man auf so wenig Platz sehr respektabel leben kann", sagt Di Chiara.

Gemütliche Autarkie im "Wohnwagon", eine österreichische Idee.
Gemütliche Autarkie im "Wohnwagon", eine österreichische Idee. www.wohnwagon.at

Kleine Träume. Schon in den 1970er-Jahren sei in den USA eine Bewegung entstanden, erzählt Di Chiara: das Tiny House Movement. Der gedankliche Überbau dabei: die Reduktion auf das Wesentliche, so ähnlich wie "Gesundschrumpfen". Inzwischen listen verschiedene Websites Hersteller und Pläne für den Eigenbau auf, um das Thema Wohnen und Häuser auch im Maßstab von klein bis winzig zu denken. Microliving ist auf dem urbanen Immobilienmarkt jedoch für viele nicht mehr als eine Anlageform. Für andere ist es hingegen längst die einzig richtige Lebensform. Nicht als Resultat einer ökonomischen Notwendigkeit. Sondern als Ausdruck einer Überzeugung. Schon der italienische Architekt Renzo Piano hatte vor ein paar Jahren dieses Prinzip auf nur sechs Meter Wohnfläche ausgebreitet oder besser gesagt: verengt.

"Diogene" von Renzo Piano  versorgt sich selbst.
"Diogene" von Renzo Piano versorgt sich selbst. Julien Lanoo

Ein Projekt eines Mannes, der Häuser schon 300 Meter hoch in den Londoner Himmel wachsen ließ. Und nach eigenen Aussagen sogar eines, von dem er immer schon geträumt hatte. Gemeinsam mit dem Schweizer Hersteller Vitra entwickelte Piano eine Behausung, die die Funktion der Architektur auf das Ursprünglichste zurückwirft: den Schutz. "Diogene" heißt das Haus, ummantelt mit Aluminium, das auch die Romantik der Unabhängigkeit und der einsiedlerischen Isolation beschwört. Was das Haus braucht, produziert es selbst, etwa die Energie. Die Reduktion soll dabei Teil des Wohnerlebnisses werden, das immer dort stattfinden kann, wo es die Topografie und die Eigentumsverhältnisse erlauben. Als Wohnwagen will Piano das Haus jedenfalls nicht verstanden wissen: "Ein Caravan verkörpert die Idee der Freiheit. Dieses Haus verkörpert etwas anderes: die Idee der Stabilität." Und gerade diese brauche einen "Topos", an dem sich das Haus verorten könne, erklärte Piano bei der Präsentation.

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