Bau-Beschau: Architekturfotografen

(c) Carolina Frank
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Die Architektur in unseren Köpfen: Die passenden Bilder dazu produzieren die Architekturfotografen. Das „Schaufenster“ ist ihnen gefolgt, an die Orte, an denen aus Räumen Bilder werden.

Selbst das Unbewegliche, Architektur etwa, hat so seine Momente. Und so sind Fotos von Architektur auch nichts anderes als Momentaufnahmen. Die Zeit der Architektur beginnt allerdings lang bevor sie sich materialisiert – als Computervisualisierung. Und endet mit der Abrissbirne. Dazwischen liegt, im Facility-Manager-Sprech, ein Lebenszyklus, aus dem Architekturfotografen einzelne Momente bildlich herausziehen. Häufig jene des Ursprungszustands, der Bauzaun ist kaum weg, da rückt der Architekturfotograf an. Vor ihm und der Linse: Linien, Formen, Räume, Materialien. Hinter ihm, wie manche Fotografen erzählen, eine ganze Entourage von Architekten, Bauherren oder anderen Menschen mit Schlüsselbünden. Der Fotograf Kurt Kuball sagt: „Ich arbeite am liebsten allein. Zuerst wird viel besprochen. Aber dann, wenn ich im Gebäude bin, brauche ich meine Ruhe.“

Für manche ist Architektur allerdings erst komplett, wenn sie lebt. Wenn Nutzer erste Spuren hinterlassen haben, auch atmosphärische. Manche, wie David Schreyer etwa, kommen dann wieder. Andere überhaupt erst dann.

„Bei manchen Gebäuden ergibt das natürlich Sinn, wenn man auch in späteren Zuständen Bildserien macht“, sagt Kurt Hörbst. Bei Schulen etwa. Die gebaute Umwelt ist größtenteils das Motiv seiner Fotografie. Das können auch die Umwälzungen sein, wenn sich Bagger durch die oberösterreichische Landschaft vor seiner Haustür graben, wie in seinem Projekt „S10“. Oder auch dort, wo ihn die Auftraggeber haben wollen. Vor Ort versucht er dann gern, „das Innen mit dem Außen spürbar zu verbinden“. Oder auch den Kontext der Architektur bildlich für den Betrachter zu erschließen. Denn Architektur steht nie allein und kontextfrei. Für das „Gesamtbild“ muss der Architekturfotograf dann doch ein paar Schritte zurücktreten, „auf Distanz gehen“. Um aus der inhaltlichen Entfernung ganz neue Qualitäten zu erspüren, wie Hörbst meint. Auch wenn er dafür auf Dächer kraxeln muss.

Haltungsfrage. „Architekturfotografie ist ein wichtiges Werkzeug für die Architekturrezeption“, sagt der Fotograf David Schreyer, der von Kufstein aus Aufträge in ganz Österreich bedient. „Man ist ja in einer privilegierten Position, in der man unbefangen einen Ort besuchen kann.“ Dann lässt er nicht nur die Augen arbeiten, sondern auch jene Antennen, die ihm ganz andere Dinge als oberflächliche verraten: Die Haltung der Architekten etwa, auch die bildet David Schreyer, wie er sagt, implizit ab. Bilder von Architektur seien immer auch Abbilder der Baukultur, in der sie entstanden ist. „Mein Zugang kommt ja nicht über die Fotografie, sondern direkt über die Architekturfotografie.“

In Innsbruck hat Schreyer Architektur studiert. Auch deshalb sieht er hinter Räumen und evidenten Strukturen manchmal mehr als der oberflächliche Betrachter. „Manche Häuser sind gehaltvoll. Bei anderen weiß man nach fünf Minuten, dass sie nichts außer Fassade sind.“ Die einen wie die anderen: Ihre Bilder wandern durch die Blogs, manchmal ins Museum, sehr oft in die Verkaufskataloge der Immobilienentwickler, in Ästhe­tiken, die ihnen die Fotografen verpasst haben. Was nach Vertragsabschluss passiert, interessiert die Developer weniger. Den Architekturfotografen Schreyer schon mehr. „Ich komme gern immer wieder an die Orte zurück, um neue Aufnahmen zu machen, ich beobachte die Orte immer wieder.“ Der Ursprungszustand ist dabei nicht jener, den Schreyer präferiert. „Ich sehe auch gern, wie der Raum schließlich seiner vorbestimmten Funktion zugeordnet wird.“ Im Nutzungszustand. Im Betrieb.

Bei der Krypt Bar im neunten Wiener Bezirk hat er sich dagegen bislang mit dem menschenleeren Zustand begnügt: „Dieser Raum hat eine solche Kraft, die funktioniert. Das spricht für die architektonische Qualität.“ Auch für die haptische, die der Fotograf in seinen Bildern ebenso visuell spürbar machen will. „Doch auch die Krypt Bar ist für mich ein noch nicht abgeschlossenes Projekt. Ich komme sicher wieder, um zu fotografieren.“ An einem späteren Punkt auf der Lebenslinie der Architektur.

Die Kärntner Fotografin Gisela Erlacher fotografiert „alles, was unsere Umgebung gestaltet“. Die Urheber können Architekten sein. Oder Menschen, die vielleicht über mehr beherzten Gestaltungswillen als ästhetisches Gespür verfügen. Aber auch die räumlichen Zusammenhänge, die im urbanen Kontext so „passieren“, interessieren Erlacher. Sie steckten voller „Psychogeografie“, wie sie sagt. Wie der Nordwestbahnhof in Wien, dessen Terrain liebliche und brutale Zeiten erlebt hat. Jetzt halten sich die alten Lagerhallen im absurden Zwischenzustand, bis der Wohnbau über das Areal drüberfahren wird.

„Mich interessieren eigenständige Bilder, die Kraft haben“, sagt Erlacher. Situationen im Stadtraum, die sie intuitiv „anspringen“. Visuell setzt sie sich mit den Motiven dann in einer „analogen Langsamkeit“ auseinander. Obwohl sie längst digital fotografiert. „Aber das Analoge steckt in mir.“ Wie auch das Gefühl für den richtigen Zeitpunkt. Und der ist auch beim Fotografieren des Unbeweglichen nicht leicht zu treffen.

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