Anna Popelka: Die Stadt, wie man sie nicht kennt

Anna Popelka. Gemeinsam mit Georg Poduschka gründete und führt sie das Büro PPAG Architects.
Anna Popelka. Gemeinsam mit Georg Poduschka gründete und führt sie das Büro PPAG Architects.(c) Carolina Frank
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Wie Wien in Zukunft wohnt, das gestaltet auch die Architektin Anna Popelka mit ihrem Büro PPAG mit.

Wien wie damals? Das wird nicht mehr. Wien wird anders. Und innovative Wiener Architekturbüros bauen an der Zukunft der Stadt mit. Auch daran, wo und wie Wiener in Zukunft wohnen werden. Anna Popelka entwickelt mit ihrem Architekturbüro PPAG die Stadt mit, z. B. durch neue Wohnkonzepte, die in Wien ein ständiges Zuhause finden sollen.

Die Städte wandeln sich rasant durch ökonomischen und demografischen Druck. Wie viel Einfluss kann man als Architektin auf die Lebensqualität der Zukunft nehmen?
Die Städte werden dichter, keine Frage. Wir werden neue Dichtemodelle brauchen, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können, auch das steht fest. Wir glauben aber an eine positive, hedonistische Dichte. Und wir glauben auch, dass wir entsprechende Lösungen entwickeln können, die auf gesellschaftlichen, ökonomischen oder klimatologischen Wandel reagieren. Als Planerin hat man die Instrumente dafür in der Hand. Und die Ideen im Kopf. Seit über 100 Jahren wachsen die Städte, da ist einiges an Expertise zusammengekommen, wie man Städte entwickeln kann. Und wir arbeiten daran, dass noch mehr davon hinzukommt.

Man sagt, gerade im Stadtraum gäbe es Dinge, die man nicht künstlich stadtplanerisch herstellen könne. So etwas wie Urbanität etwa. Wie viel lässt sich tatsächlich planen?
Natürlich kann man Hunderte Jahre Geschichte, die in manch alten gewachsenen Grätzln drinstecken, nicht von heute auf morgen erzeugen. Aber es muss einem als Planer auch bewusst sein, dass man heute die baukulturelle Geschichte von morgen erzeugt, auf die man in 100 Jahren im besten Fall wohlwollend zurückblickt. Was wir heute für gut befinden, muss die Geschichte auch noch für gut halten. Das ist bei jeder Kulturleistung des Menschen so. Gerade in Städten mit viel historischer, wertvoller Substanz, und da gehört Wien dazu, hat es die Weiterentwicklung manchmal auch schwerer. Das darf uns aber nicht daran hindern, weiter und neu zu denken und uns auf das Abenteuer einzulassen, dass die Stadt so ausschauen wird, wie wir es uns heute noch gar nicht vorstellen können.

Bruch mit Konventionen. In der Seestadt Aspern realisierten PPAG Architects das Projekt Slim City.
Bruch mit Konventionen. In der Seestadt Aspern realisierten PPAG Architects das Projekt Slim City. (c) Wolfgang Thaler

Davon scheinen ja so manche aktuellen Stadtentwicklungsgebiete in Wien weit entfernt. Sie wirken wie Abziehbilder eines gleichförmigen Städtebaumusters, ohne jegliche Radikalität. Trügt der Eindruck?
Bei riesigen Projekten wie etwa der Seestadt Aspern hätte man natürlich sagen können: Wir lassen uns ganz darauf ein und machen Stadt so, wie wir’s noch nie gemacht haben. Herausgekommen ist ein bisschen anachronistische Blockrandbebauung der Gründerzeit hier, ein bisschen Modell Gartenstadt dort. Trotzdem empfinden wir das Projekt insgesamt als mutige Geschichte, bei der einiges sehr gut funktioniert – auch weil man Dinge gut geplant und antizipiert hat. Das Prinzip der Stadt der kurzen Wege etwa, das Angebot der alternativen Mobilität. Oder auch die geforderte Mischnutzung. So kommt man auch den Qualitäten der gewachsenen Stadt ein Stück näher. Auch die Straße muss nicht mehr der qualitätslose Raum sein, vor dem man die Stadtbewohner baulich schützen muss.

Gehen sich wirklich innovative Konzepte innerhalb der Kostenstrukturen überhaupt aus?
Wir Architekten haben meist keine Einsicht in die Kostenstruktur, was schade ist, weil wir durchaus helfen könnten, das Budget und damit die Qualitäten sinnvoll zu verteilen. Wo kann man etwas wegnehmen, wo kann man Qualitäten zuführen? Es geht natürlich auch darum, Konventionen und auch gängige Standards immer wieder infrage zu stellen.

Gehört die Herausforderung des Gewohnten zur Rolle des zeitgenössischen Architekten?
Ja. Wir versuchen in unseren Projekten auch tradierte Stadtmorphologien aufzubrechen, wie etwa in „Slim City“, das wir in der Seestadt Aspern realisiert haben. Die Blockrandbebauung ist ja morphologisch ein antiquiertes Modell. Heute braucht man mehr Permeabilität. Weniger hermetische Abtrennung, eine Chance für die Kommunikation. Und auch für einen neuen selbstbewussten Umgang mit dem öffentlichen Raum. Das sind Gedanken, die natürlich schon diskutiert werden. Aber wir Architekten nehmen diese Themen vielleicht eine Sekunde früher auf als andere.

Offen. Im Sonnwendviertel plant das Architekturbüro das Quartiershaus „Open up!“ am Park.
Offen. Im Sonnwendviertel plant das Architekturbüro das Quartiershaus „Open up!“ am Park. (c) Rendering PPAG Architects

Welches Angebot zum Wohnen sollte man den Menschen in den Städten vermehrt machen?
Auf jeden Fall ein vielfältiges. Individualisierte Lösungen und Konzepte, in die jeder für sich mit seiner persönlichen Biografie, seiner individuellen Familiensituation, aber auch seinen Vorlieben schlüpfen kann. Und dieses breite Angebot kann auch innerhalb eines Hauses gemacht werden. Wir glauben, dass das eher soziale Stabilität erzeugt als das gleichförmige Einheitsbreiangebot.

Wodurch lässt sich auch architektonisch die Grundlage für Communitys mit starker sozialer Kohäsion legen?
Da haben wir natürlich durch viele, viele Wohnungen, die wir gebaut haben, Erfahrungswerte gesammelt. Manchmal sind es ganz einfache Entscheidungen wie: Wo legt man den Gemeinschaftsraum hin? Oder Überlegungen wie: Sollte nicht auch die Waschküche irgendwie ein Indoor-Spielraum sein, wenn Eltern mit ihren Kindern dort viel Zeit verbringen? Wir versuchen uns im Vorfeld sehr in die Alltagslogik der Bewohner, quasi in die Bühnenabläufe, einzufühlen, um räumlich auch ein paar Nutzungen oder Möglichkeiten der Selbstorganisation anzubahnen. Manchmal geht es nur um ein paar Zentimeter, ob etwas funktioniert oder nicht.

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