Monica Förster: Die Balance von Kopf und Bauch

Monica Förster. Ihr Designstudio hat sie in Stockholm, im Bezirk Södermalm.
Monica Förster. Ihr Designstudio hat sie in Stockholm, im Bezirk Södermalm.(c) Camilla Lindqvis
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Auf der Suche nach den richtigen Mischverhältnissen: Die Designerin Monica Förster folgt Gefühlen genauso wie einem intellektuellen Zugang.

Auch das Stadtviertel, in dem die Schwedin ihre Ideen skizziert, lebt von der Mischung: Södermalm in Stockholm. Hohe Dichte an Hipster-Bärten und hohe Konzentration an philosophischen Gedanken. Und auch in ihren Entwürfen zerlegt Monica Förster gern den formalen und kulturellen Kontext in Bausteine, um sie danach in neuen Mischverhältnissen neu anzurühren: gern auch in Form einer „Melange“. So heißt die Kollektion aus Sofa, Lounge Chair und Beistelltischen, die sie gemeinsam mit den Wittmann Möbelwerkstätten entwickelt hat. Mit dem „Schaufenster“ sprach die Designerin über Ratio, Emotion und die perfekte Balance von all dem.

Mit Ihrer Kooperation mit Wittmann haben Sie sich auf bekanntem und unbekanntem Terrain gleichzeitig bewegt. Der handwerkliche Zugang war Ihnen vertraut. Die österreichische Gestaltungstradition weniger. Wie empfanden Sie diese Erfahrung?
Wir haben uns in unserem Studio tatsächlich viel und immer gern mit Manufakturen und ihrem handwerklichen Wissen auseinandergesetzt. Es ist immer wieder erstaunlich, welche Kompetenzen und Expertise dabei zu entdecken sind. Wie auch im Fall von Wittmann. Am schönsten ist es, wenn man dann noch mit dem Hersteller und den Menschen, die dort ihr Erfahrungswissen mitverarbeiten, in einen fruchtbaren Dialog treten kann. Nicht bei vielen Herstellern ist das heutzutage noch möglich.

Arrangement. „Melange“ setzt traditionelle Codes für Wittmann neu zusammen.
Arrangement. „Melange“ setzt traditionelle Codes für Wittmann neu zusammen. (c) Beigestellt


Wie haben Sie sich den Hintergrund der österreichischen Gestaltungskultur erschlossen?
Das war eine ganz tolle Erfahrung. Auf Vorschlag von Wittmann durfte ich eine persönliche Tour durch die Kunst- und Gestaltungsgeschichte in Wien machen, mit dem Kurator und Kunsthistoriker Christian Witt-Dörring. Dabei habe ich ganz wunderbare Dinge kennengelernt und es haben sich für mich zudem neue Zusammenhänge und Hintergründe erschlossen, die ich zuvor nicht kannte. Vor allem über die Wiener Moderne und den Jugendstil habe ich viel gelernt.


Was konnten Sie aus den historischen Schichten der Stadt für Ihre Kooperation mit Wittmann herausziehen?
Vor allem Dinge bezüglich der Detailverarbeitung natürlich. Ganz generell war meine Herangehensweise an die Kollektion „Melange“ eine dekonstruktivistische. Ein Verfahren, das man in der Mode anwendet. Oder auch in der Architektur. Im Design ist es auch eine Methode: Man schneidet aus und setzt neu zusammen. Eine der ersten Skizzen, die ich für „Melange“ gezeichnet habe, war farbenreich und recht verspielt. Nach meinem Spaziergang durch Wien habe ich jedoch neue Eindrücke einfließen lassen. Denn ich sah dabei viele grafische Linien in der Architektur und in den Fassaden, das wollte ich in meinen Entwurf übernehmen.


Oft gerät das Zitieren von Wiener Gestaltungstraditionen im Design zum oberflächlichen Patchwork. Vor allem bei aktueller Hotelarchitektur. Wie haben Sie sich davor geschützt?
Ganz einfach. Man kann sich oberflächlich mit den Dingen auseinandersetzen. Oder intellektuell. Es gibt einfach verschiedene Möglichkeiten, einem Thema zu begegnen. Man kann Inhalte auf eine Art umsetzen, die dem Trend entspricht. Aber auch so, dass sie auf einer kulturellen Ebene standhält. Eben nachhaltig und intellektuell. Und gerade diese Art der Beschäftigung mit Gestaltung liegt uns mehr. Wir arbeiten nicht mit Trends. Obwohl sie uns natürlich bewusst sind. Denn sonst könnten wir nicht auch Gegenentwürfe zu aktuellen Trends abliefern.

Vögel. Eine figurative Arbeit für den ­schwedischen Hersteller Svenskt Tenn.
Vögel. Eine figurative Arbeit für den ­schwedischen Hersteller Svenskt Tenn.(c) Beigestellt


Ihre Herkunft wird oft in Zusammenhang mit Ihrer Person genannt. Ist es wirklich so relevant für Ihre Design-Biografie, dass Sie in Lappland aufgewachsen sind?
Ich glaube, für manche Menschen kann ihre Herkunft durchaus wichtig sein. Für andere wiederum weniger. Die Bedingungen waren in Lappland natürlich ganz anders, als wenn ich in Stockholm aufgewachsen wäre. In Lappland lebt man ganz nah an der Natur, mit dem Wald, mit der Jagd. Meine Mutter kommt aus einem kleinen Dorf dort. Mein Vater stammt aus der damaligen Tschechoslowakei. Sie haben sich in Stockholm getroffen und in Lappland zusammen ihr eigenes Restaurant aufgemacht. Für das Essen haben sie selbst gejagt und ihre Fische selbst geangelt. Aber natürlich ist es eine sehr isolierte Gegend. Doch der Mangel an Möglichkeiten hat vor allem eines stimuliert: die Kreativität. Das ist mir sehr entgegengekommen. Ich wäre sicher eine andere Monica Förster geworden, wenn ich woanders aufgewachsen wäre.


Nun ist das „Kreativviertel“ Södermalm von Stockholm Ihr Heimatbezirk. Können sich Kreative dort zwischen all den Hipster-Bärten und Lifestyle-Veganern noch wohlfühlen?
Es gibt noch immer sehr viele Kreative. Aber natürlich hat das Milieu auch die großen Lifestyle-Marken in den Bezirk gelockt. Daneben gibt es aber nach wie vor kleinere Geschäfte. Wir sind mit unserem Studio vor Kurzem in eine alte Brauerei gezogen. Nur fünf Minuten weiter, aber trotzdem in eine ganz andere Gegend. Dort ist der Anteil an Intellektuellen noch höher. Dort leben Musiker, Schriftsteller. Und man hat auch seine Ruhe. Jedenfalls möchte ich in meinem Alltag auch ganz normalen Leuten begegnen, nicht nur sogenannten Kreativen.


Sie verstehen sich als Industrial-Designerin, also auch als jemand, der rational Pro­bleme löst. Wie viel Platz haben denn Bauchentscheidungen in Ihrem Business?
Dass Design auch ins Herz treffen muss, das ist klar. Aber bei meiner Herangehensweise lasse ich mich nicht vordringlich von Gefühlen leiten. Mein Prozess ist ein anderer. Denn ich muss auch verstehen, was ich da tue. Wenn ich es selbst nicht verstehe, kann ich es auch niemandem anderen erklären. Es ist ein Prozess, den wir auch in unserem Studio durchlaufen. Natürlich drehen sich Design und Gestaltung um Emotionen. Aber versuchen Sie einmal, das einem Sales-Manager zu erklären.

Mischformen. Skizzen zum Lounge Chair „MelaMischformen. Skizzen zum Lounge Chair „Melange“ von Wittmann. nge“ von Wittmann.
Mischformen. Skizzen zum Lounge Chair „MelaMischformen. Skizzen zum Lounge Chair „Melange“ von Wittmann. nge“ von Wittmann. (c) Beigestellt


Wie viel hat dann Ihr Bauch letztendlich mitzureden?
Bauchentscheidungen sind ja erfahrungsbasiert. Und ja, wahrscheinlich steht am Ende der Kette auch bei mir als Creative Director unseres Studios eine Bauchentscheidung. Aber davor kommt die Arbeit mit dem Team. Meine Tools sind meine Mitarbeiter. Wir skizzieren und besprechen Dinge, wir forschen und sammeln. Und am Ende folgt eine Entscheidung, die aus einem Bauch kommt, der 20 Jahre Erfahrung hat.


Also gehört auch das Selbst-Monitoring zum Entstehungsprozess Ihrer Entwürfe?
Um zu verstehen, was ich tue, brauche ich eine Menge Information. Die hole ich mir durch intensive Recherche, durch Analysen. Aber manchmal lasse ich mich natürlich auch von Gefühlen leiten, von Erfahrungswerten, die sich bei mir in den vergangenen 20 Jahren meiner Arbeit angesammelt haben. Manchmal schwingen einfach auch Gefühlslagen mit. Oder Stimmungen, die ich einfange, während ich mich in den Kontext der Projekte einlese. Während ich an der „Melange“-Kollektion gearbeitet habe, habe ich das Buch „Der Hase mit den Bernsteinaugen“ gelesen. Es handelt von einer jüdischen Familie, die aus Wien stammt, und ihren Kunstschätzen, die sie zum Teil geerbt hat. Dadurch habe ich auch viel von Otto Wagner und anderen mitbekommen. So ein Buch zum Beispiel kann ein Gefühl hervorrufen, das durchaus Einfluss nehmen kann auf den Entwurf.


Wie viel Einfluss trauen Sie sich denn selbst zu, Einfluss auf die Designkultur der Gegenwart vor allem?
Ich bin schon lang im Design-Business und versuche natürlich Einfluss zu nehmen, wo ich kann. Auch auf die Hersteller, um sie, wenn es notwendig ist, zur Nachhaltigkeit anzustiften. Deswegen arbeite ich auch gern mit Herstellern, die langfristig denken und deren Anspruch sich nicht immer nur in der Geschäftsbilanz ablesen lässt.

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