Nina Mair: Ideen, die nachhallen

Design und Architektur. ­Nina Mair betreibt in der ­Innsbrucker Innstraße ihr Studio.
Design und Architektur. ­Nina Mair betreibt in der ­Innsbrucker Innstraße ihr Studio. (c) Peter Philipp
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Nina Mair hat Augen für Details und Ohren für räumliche Qualitäten. Zu ihren erfolgreichsten Entwürfen gehört auch ihr selbstbestimmter gestalterischer Weg.

Die Schnittstelle selbst braucht kaum Platz. Meist sitzt sie ohnehin im Hirn des Gestalters. Und müssten Design und Architektur doch wieder einmal zueinanderfinden, hätte Innsbruck einen geeigneten Ort dafür: Im Atelier von Nina Mair darf die eine Sphäre fließend in die andere übergehen, in einem Raum, in dem von 1777 bis 2010 vor allem Seife geflossen ist. „Deshalb die verfliesten Wände“, sagt Mair. Vom Hinterhof in der Innstraße aus denkt Mair in alle Richtungen, in den Mikrokosmos der Details. Und in die Welt der größeren räumlichen Zusammenhänge. Noch dazu gleichzeitig. Doch bevor ihre Entwürfe in unterschiedlichsten Kontexten Sinn, Funktion und Atmosphäre stiften, lässt Mair ihre Ideen gern erst einmal auf andere wirken – auf die Scharen von Besuchern, die sich während des Salone del Mobile in Mailand im Designbezirk Brera herumtreiben. Dort mischt sie sich und ihre Entwürfe regelmäßig unter jene, die auch das Rampenlicht suchen, statt vergeblich zu warten, dass es zu ihnen kommt. „Von selbst kommt keine internationale Firma, um in einen Hinterhof in Innsbruck zu schauen“, sagt Mair. Um vielleicht in der ehemaligen Seifenproduktionsstätte Qualitäten zu finden, an denen Mair genauso emsig feilt wie an ihrem konsequenten gestalterischen Weg.

Guter Ruf. „Die Ideen anderer umsetzen, das wollte ich nie“, sagt Mair. Ihr eigener, selbstbestimmter Weg sollte es sein. Und wohin der führen soll, ist auch schon ziemlich klar. Schließlich, sagt Mair, hat sie sich selbst oft genug gefragt, was sie will. Und dazu gehört schon: So weit zu kommen, dass man beim Namen „Mair“ nicht mehr allzu viel erklären muss, von gestalterischem Anspruch, ganzheitlichem Denken und so weiter. In der kleinen Weltstadt Innsbruck funktioniert das mit den Architektennamen von Welt prinzipiell schon ganz gut: David Chipperfield, Snøhetta, Dominique Perrault, Zaha Hadid haben hier zumindest schon gebaut. Und hier, ganz Weltstadt, reicht manchmal sogar der Vorname. Auf der Suche nach ihrer Adresse schickt die Passantin gleich „Schöne Grüße an Nina“ mit.

Eenspannt. „Relax“ ist ein Acoustic Absorber aus mikroperforiertem Holz und Merinowolle.
Eenspannt. „Relax“ ist ein Acoustic Absorber aus mikroperforiertem Holz und Merinowolle. (c) Guenter Kresser

Seit ihrem Studium der Architektur in Innsbruck knotet Mair eben fleißig an ihrem Netzwerk. Die ersten internationalen Fäden hat sie dabei schon bei ihrem Auslandsstudium in Florenz gelegt. Schließlich: „So manche Geschäftsbeziehungen in Mailand wären ohne Italienischkenntnisse wohl nicht zustande gekommen“, sagt Mair. Bei einem anderen langjährigen Gestaltungspartner war das Idiom nie ein Hinderungsgrund: Für die Osttiroler Tischlerei Forcher springt Mair von einem Maßstab in den anderen. Zurzeit feilt sie am Entwurf für die neue Produktionsstätte. Zuvor verlieh sie etwa schon einer Badewanne aus Nussholz Linien, an denen die Hände der Handwerker ausgiebig schleifen und ölen mussten. Dutzende Stunden von Mensch und Maschine fließen in ein Exemplar, bevor das Wasser hineinplätschern darf.

Auch für das Tiroler Landesmuseum beschäftigte sich Mair intensiv mit Holz und mit den Formen, die es traditionellerweise in Tirol annimmt. Etwa als typische „Vorbank“ der Bauernhäuser. Auf ihnen blicken die Landwirte gern auf das Tagwerk und ihre Felder zurück. Dabei verzetteln sie sich beim gepflegten „Hoangaschtn“ auch mal in informelle Plaudereien. „Diese Bänke dienten als Vorbild für den Entwurf“, sagt Mair. Sie hat sie in eine Museumssituation übersetzt. In einen Kontext, in dem die Besucher mal Pause machen und auf „Werke“ zurückschauen.

Serviert. Der Barwagen ­„Porter“ auf drei Rädern rollte ­zuletzt zu seiner Premiere in ­Mailand ein.
Serviert. Der Barwagen ­„Porter“ auf drei Rädern rollte ­zuletzt zu seiner Premiere in ­Mailand ein. (c) Guenter Kresser

Wenn Mair ihr eigenes Werk betrachtet, sieht sie ein Portfolio, das solide wächst. Schübe dafür holt sie sich auch bei ihren Ausflügen nach Mailand. Früher war Mair noch Teil des Designtrios „Pudels Kern“, damals rollten sie mit dem Wohnmobil auf dem Parkplatz des Messegeländes ein. „Es hat ständig geregnet. Nach dem Fortgehen haben wir ein paar Stunden im halb feuchten Wohnmobil geschlafen. Und am nächsten Tag waren wir wieder auf dem Salone del Mobile“, erzählt Mair. Vor allem auf jenem Teil, der als Talente-Sprungbrett gilt: Der „Salone Satellite“, von dem schon renommierte Designer wie die Bouroullec-Brüder oder Sebastian Herkner direkt ins Business gehüpft sind. Der erste Auftritt dort: Eine waghalsige pneumatische Konstruktion. Der zweite „war schon viel geordneter, und wir hatten sogar Visitenkarten dabei“. Pudels Kern hat sich inzwischen längst aufgelöst, jetzt steuert Nina Mair ihr Büro selbst. Es war ein Neuanfang unter erleichterten Bedingungen, wie sie sagt. Denn Erfahrung und vorhandene Kontakte waren die Basis. „2014 habe ich meine erste eigene Ausstellung in Mailand, in Brera, organisiert. Das war der Startschuss.“

Und heuer investierte sie wiederum in die teure Suche und Miete eines Ausstellungsraums – als Investment in ihren Erfolgsweg. Diesmal sind gemeinsam mit ihr auch zwei Entwürfe für Servierwagen eingerollt. Sowie ein Acoustic Absorber, der Räume akustisch und stilistisch in Form von Sechsecken ganz neu einkleiden könnte: „Relax“ kombiniert mikroperforierte Holzpaneele mit Schallabsorbern aus Merinowolle vom Hersteller Ydol. Für Büros. Oder auch Restaurants, in denen die Besitzer öfter mal Feedback bekommen wie: „Gut geschmeckt hat’s. Aber a bissl laut war’s.“

Selbstbild. „Cypris“ „rahmt das eigene Spiegelbild“ ein, wie Mair sagt. Für den Hersteller Classicon.
Selbstbild. „Cypris“ „rahmt das eigene Spiegelbild“ ein, wie Mair sagt. Für den Hersteller Classicon. (c) Beigestellt

Selbst in ihrem Atelier im Innsbrucker Hinterhof schlucken Vorhänge und Wandpaneele den Schall. Genauso wie die Leuchte, die sie gestaltet hat und die über dem Besprechungstisch baumelt. „Ich habe versucht, akustische Eigenschaften in Möbelstücke zu integrieren.“ Auch in der Flughafen-Lounge in Innsbruck, die sie entworfen hat, war „die Akustik ein großes Thema“, erzählt Mair. Gerade weil ziemlich viele glatte Quadratmeter – Boden, Panoramafenster und Wände – den Schall in den Raum zurückwarfen. „Wir haben hier Raumteiler mit Schallabsorbern aufgestellt.“ Das Resultat: Räume, die visuell groß wirken, aber akustisch umso intimer. Denn laut nachhallen, von Tirol in die Welt, soll vor allem eines: ihr Name. Neben etablierten internationalen Architekten wie Richard Meier und Jürgen Mayer H. wäre da durchaus noch Platz für eine „Mair“.

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