Wiener Parks: Die Logik unter der Grasnarbe

Garden Party. Im Garten des Palais Schönborn feiert Lilli Lička mit anderen Parkexperten.
Garden Party. Im Garten des Palais Schönborn feiert Lilli Lička mit anderen Parkexperten. (c) die Presse (Carolina Frank)
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Parks haben ihre versteckten Codes. Nicht nur die Landschaftsarchitektur schreibt sie. Sondern vor allem Gesellschaft und Politik, zeigt die Konferenz „Park Politics“ in Wien.

Auch Städte brauchen ihren Ausgleich. Strukturell, sozial, atmosphärisch, klimatologisch. Hier das Gebaute, Dichte, Private. Dort das oben Offene, Öffentliche, gern Grüne. Das Konzept „Park“ ist den Stadtplanern dazu eingefallen. Egal, ob sie versprenkelt in den Grätzeln liegen, als Fußballtor-, Vogelgezwitscher- und Schaukelnahversorger. Oder großflächig als weites Feld, auf dem die Stadt ihre oft beschworene urbane Diversität zwischen Bäumen, Ententeich und Blumenwiese so richtig ausspielen darf. Doch unter dem Schotter, dem Rindenmulch, den Baumwurzeln liegen noch ganz andere Schichten: gesellschaftliche Haltungen, politische Einstellungen, kulturelle Kontexte. Sie suchen ihren ästhetischen und funktionalen Ausdruck an der Oberfläche. In Form von Materialien, Pflanzen, Wegen, Zonierungen und Konzepten der Nutzbarkeit. Aber auch in ganz grundsätzlichen Fragen, die sich von der Landschaftsarchitektur explizit formulieren lassen: Wie viel Ordnung braucht der öffentliche Raum? Wie wild soll die Wildnis denn werden? Lilli Lička versucht, darauf regelmäßig Antworten zu geben, sie leitet das Institut für Landschaftsarchitektur an der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien. Und damit steuert sie inhaltlich auch die Konferenz „X-Larch. Park Politics“. Dieses Wochenende findet sie in Wien statt, führt entlang der Keynotes internationaler Referenten tief in die gestalterische Logik der Parks. Aber auch in Exkursionen am Samstag direkt in Wiener Grünanlagen, in denen sich gesellschaftliche Haltungen und politische Hintergründe besonders deutlich manifestieren. Etwa in den Donaupark.

Denn „Größe“ und „Weite“ sind Merkmale, zu denen sich Entscheidungsträger in der Parkgestaltung auch erst einmal mutig bekennen müssen. „Der Donaupark wurde mit 100 Hektar projektiert“, erzählt Lička. Heute sind es knapp 64. Doch bemerkenswert sei „der vorausschauende Mut bei der Anlage des Parks, in einer Gegend, in der die zukünftige Entwicklung noch gar nicht festgeschrieben war“. Der erste öffentliche Park, der in Wien von der Stadt selbst angelegt wurde – im Jahr 1862 –, ist der Stadtpark. Auch er hatte so etwas wie eine Ausgleichsfunktion. Denn das Glacis, das weite Feld vor den Stadtmauern, auf dem die Wiener üblicherweise Erholung suchten, wich der Ringstraße, sagt Lička.

Offene Räume. „Wir wollen auf der Konferenz gern untersuchen, welche ideellen Hintergründe zur Ausgestaltung der Lebensumgebung führen“, sagt Lička, „welche kulturellen Codes sich gestalterisch niederschlagen, welche Einladungen und Verbote von Parks ausgesprochen werden“. Wo Freiheiten keimen oder wo Grenzen politisch und sozial bedingt etwas tiefer eingegraben sind. „Und natürlich, ob sich diese Grenzen auch verschieben lassen.“ Auf einem Terrain, das gut gepflastert ist mit Gesetzen, Regeln, Richtlinien. Die Landschaftsarchitektur hat da so einiges zu bewältigen, weiß Lička. Noch dazu, weil schon der öffentliche Raum selbst mehrere Aufgaben gleichzeitig erledigen sollte. Vor allem auch, verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen ausreichend Quadratmeter und Angebote einzuräumen. In Wien kommen derzeit ein paar Hektar Park hinzu. Hauptsächlich dort, wo die Neu-Wiener in den Stadtentwicklungsgebieten auch mal ihre Beine ausstrecken und Dinge tun wollen, die Gestalter und Parkordnungen für sie vorgesehen haben. Am Nordbahnhofgelände etwa darf der Park stellenweise extrawild ausfallen: In der „Freien Mitte“ sollen künftig auch Eidechsen in Steinhaufen zu Hause sein und Kröten in Tümpeln leben.

„Wenn man den Code der Gestaltung entschlüsselt, findet man auch die Stellschrauben, mit denen sich Parks völlig neuen Bedingungen anpassen lassen“, sagt Lička. Gute Parks seien so angelegt, dass sie inhaltlich alles mögliche aufnehmen und zeitlich überdauern können. „Die Flexibilität ist dann gegeben, wenn man Veränderungen zulässt, ohne dass die räumlichen Qualitäten Einbußen erfahren.“ Und dazu gehört auch eine gewisse Balance aus wesentlichen Merkmalen: Schatten, Sonne, Kleinteiligkeit genauso wie Großflächigkeit. „Parks sollten wie Gebäude unterschiedlichen Nutzungen standhalten“, meint Lička. Zwischen den Bäumen entsteht im besten Fall ein atmosphärischer Raum, in den auch die Weltanschauung von übermorgen hineinpasst. Und sich dereinst das aktuelle Verhältnis des Stadtbewohners zur Natur abbilden kann. Derzeit ist ja eher die Stadtflucht angesagt: Also die Stadt flüchtet sich selbst ins Dorf. Oder vielmehr in das Prinzip, dass man Stadt und Land sowieso nicht mehr so gut auseinanderhalten kann.


Identitätsstiftend für Städte können Parks allemal werden: wie der Central Park für New York. Oder La Villette für Paris. Wie wertvoll Parks sind, haben natürlich auch Immobilieninvestoren erkannt. Sie bebildern ihre Vorsorgewohnungen in ihren Exposés am liebsten mit den Parkanlagen der Umgebung. Ob in ihnen schließlich das Gras die nackten Füße kitzeln darf, entscheidet auch die Politik. Doch schon 1979 haben Aktivisten in Wien erfolgreich für die „Rasenfreiheit“ im Burggarten gekämpft.

Tipp

„Park Politics“. Am 8. und 9. Juni Konferenzprogramm auf der Boku; Freitagabend: Party ab 20 Uhr im Garten des Palais Schönborn. Programm unter x-larch.at

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