Billy Wagner: Mit starker Hand

(c) Caroline Prange
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Billy Wagner ist Berlins berühmtester Sommelier. Als Neo-Wirt im Nobelhart & Schmutzig schlüpft er nun in eine andere Rolle. Und hat nachgedacht: Was ist denn ein Wirt?

Billy Wagner ist einer jener Menschen, deren Jobbeschreibung von Medien gern mit diversen Attributen versehen wird. In seinem Fall: Hipster-Sommelier, Sommelier-Popstar, schillernde Figur der Sommelierszene. Billy Wagner, Jahrgang 1981, sieht nicht so aus, wie man sich jahrzehntelang einen Sommelier vorgestellt hat – zugegeben, von der neuen Sorte gibt es mittlerweile einige. (Willi Schlögl etwa, prächtig tätowierter und seinen Dialekt unbeirrt praktizierender Steirer und Chef der Weinbar Cordobar in Berlin.) Billy Wagner kleidet sich anders, redet anders, wirft zur Begrüßung auch einmal wild die Hände in die Luft. Und er hat Kritiker. Etwa junge Sommeliers, die sagen, so viel mache „der Billy“ nicht anders, das sei halt sein Auftreten, er vermarkte sich einfach gut. Von diversen Gastroführern wie „Falstaff“ oder „Gault Millau“ wurde Wagner jedenfalls zum Sommelier des Jahres ernannt beziehungsweise das Ergebnis seiner Arbeit zur Weinkarte des Jahres.

Exzentrisch. Billy Wagner war bis vor ziemlich genau einem Jahr für die legendäre Weinkarte in der Weinbar Rutz in Berlin-Mitte zuständig. Und seit ziemlich genau einem Jahr arbeitete er daran, Wirt zu werden, sein eigenes Lokal aufzusperren. Dass das lang erwartete Eröffnungsdatum (noch während der Berlinale) Freitag der 13. ist, passt zur exzentrischen Figur Billy Wagner. Wie auch der Name des Lokals, der Fragezeichen aufwirft: Nobelhart & Schmutzig – mit dem Zusatzclaim: eine Mahlzeit. Der Name sei von einem „FAZ“-Artikel über eine Hamburger Polosport-Familie inspiriert, erzählt Wagner beim Interview während der Berlin Food Week im vergangenen Herbst. „Nobel, hart und schmutzig – eine Leidenschaft“ war dort der Titel. „Und das trifft’s ja gut: Am Anfang ist ein guter Abend nobel, man macht sich schick, freut sich, dann wird er irgendwann härter, wenn man betrunken ist, und irgendwann ist er schmutzig. Das hoffe ich zumindest für jeden.“ Der Claim „eine Mahlzeit“ kommt daher, sagt Wagner, dass es eine Mahlzeit wie früher sein soll. „Eine Mahlzeit, die teilt man mit anderen Menschen, und alle essen das Gleiche.“ Das Konzept lautet: Küchenchef Micha Schäfer kreiert ein Menü aus zehn Gängen (à la carte gibt es nicht), von denen man einen Gang mitnimmt und „im Taxi essen oder der Freundin mitnehmen kann; oder der Frau – oder der Freundin und der Frau“. Ein Gang, das ist für Billy Wagner ein abgeschlossener Gedankengang: Alte Milchkuh/Weißkohl/Liebstöckel. Sellerie/Birne fermentiert/Bohnenkraut.

(c) Caroline Prange



Die Zutaten kommen alle aus Berlin und dem Umland der Stadt. Was anderswo mittlerweile für viele Lokale der konzeptuelle Hauptpfeiler ist, ist für Berlin doch besonders, wie andere Köche, wie etwa Daniel Achilles vom Zweisterner Reinstoff, bestätigen. „Es gibt in Berlin nicht die Beziehung zum Umland, wie das in München, Paris oder Wien der Fall ist“, erklärt Billy Wagner. „Es gab ja nicht nur die Teilung in Ost und West, sondern auch die sehr gravierende in Stadt und Umland. Erst nach 1989 konnte man von innen nach außen fahren. Während Berlin die letzten 25 Jahre daran gearbeitet hat, einen Geschmack zu entwickeln, geht es jetzt darum, die Stadt mit dem Umland zu verzahnen.“

Ausgeschenkt werden im Nobelhart & Schmutzig „Weine mit regionalem Charakter.“ Aus Österreich etwa also Grüner Veltliner, Blaufränkisch, Traminer. „Aber kein österreichischer Cabernet Sauvignon.“ Für welche Weine steht Billy Wagner? „Mir ist Persönlichkeit wichtig, also dass ich die Menschen kenne, die den Wein machen.“ Aus Österreich schätzt er etwa Uwe Schiefer, Heinz Velich, Peter Malberg, Matthias Warnung. „Eigentlich sollten die Leute immer den Wein auf dem Weingut kaufen, mit dem Winzer ein Glas trinken.“

Dass Billy Wagner, was man ihm bisweilen vorwirft, allzu bereitwillig auf der Naturweinwelle mitschwimme, stimme doch gar nicht: „Ich mag Weine, deren Ursprung man erkennt, die handwerklich hergestellt sind. Was nicht immer heißen muss, ohne Schwefel. Ich trinke genauso gern einen Kabinettriesling von Egon Müller. Ich will nur, dass sich die Leute mit ihrem Geschmack beschäftigen. Dafür sind Naturweine eben gut, sie können einen schrecken, aber auch bewegen.“

Mit starker Hand. Über das Wirt-Sein hat sich Billy Wagner im letzten Jahr viele Gedanken gemacht. Was muss ein Wirt für die Gäste tun, wann sagt er Nein? Generell geht das Eingehen auf „den Gast“, wie es dann heißt, in Wagners Augen heute schon viel zu weit. „Dieses Auseinandernehmen von Gerichten! Dann nimm doch ein anderes Gericht!“ Er schenkt auch nicht Weißwein eiskalt und Rotwein „auf Pissoir“ aus. „Nein, ich sage den Leuten, warum der Weißwein einen Tick wärmer und der Rotwein einen Tick kälter gehört. ,Die Gäste erwarten dies, die Gäste wollen das‘ – die Gäste erwarten doch gar nicht so viel.“ Ein Wirt sei schon jemand, der Lust hat, dem Gast eine Freude zu bereiten, aber auch einer, der den Gast führt. „Anständig, aber doch mit starker Hand. Ich würde ja den Teufel tun, meinem Automechaniker zu sagen, wie er mein Auto zu reparieren hat.“ Es gehe nicht um Machtspielchen oder darum, alles besser zu wissen, sagt er. Aber man müsse auch bewusst Sachen verweigern. Das beginnt bei seinem Konzept damit, dass es einfach ein Menü gibt. „Klar gibt es Alternativen, aber das Konzept ist eben so. Weil wir das so machen wollen.“ Grenzen seien wichtig. „Ich sage zum Beispiel sicher nicht: ,Klar brate ich dir dein Fleisch gern durch.‘ Nein! Manche Fünfsternehotels schütten dem Gast auch gern Mouton Rothschild mit Cola zusammen, wenn der Gast das will, das ist deren Anspruch. Meiner nicht.“ Ein guter Wirt müsse aber sehr wohl die Gäste lesen. Auch zwischen den Zeilen.

Tipp

Nobelhart & Schmutzig, Friedrichstr. 218, Berlin, Kreuzberg. nobelhartundschmutzig.tumblr.com

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