Wein aus Israel: Biblische Saurier

Weite. Gegen ­Trockenheit geht man in den Weingebieten mit Wassermangel-­Sensoren vor.
Weite. Gegen ­Trockenheit geht man in den Weingebieten mit Wassermangel-­Sensoren vor. (c) Getty Images (David Silverman)
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Alttestamentarische Bewirtschaftung und Apps gegen Trockenstress: Mit einem einmaligen Methoden-Mix will Israel zurück zu seinen historischen Rebsorten.

China? Georgien? Oder doch Israel? Irgendwo dürfte vor 8000 Jahren das erste Mal Wein erzeugt worden sein, so der archäobotanische Stand der Dinge. Einen Trumpf gegenüber den aktuell favorisierten Anwärtern aus Georgien hat Israel allerdings: Gott ist auf seiner Seite. Man braucht nur das Alte Testament aufzuschlagen, um sich davon zu überzeugen: „Denn der Herr, dein Gott, bringt dich […] in ein Land mit Weizen und Gerste, mit Weinstöcken, Feigen- und Granatbäumen, in ein Land mit Olivenbäumen und Honig", heißt es im Buch Deuteronomium (8,8). Doch spätestens mit den verlorenen Kreuzzügen endete diese antike Pracht, eine Weintradition, die von der römischen Oberschicht auch in Tunesien oder Marokko geschätzt wurde. Statt hebräischer Weine gab es unter der osmanischen Herrschaft lediglich kernlose Trauben, die vor allem als Rosinen geschätzt wurden.

Bis im Jahr 1882 – Verschwörungstheoretiker jetzt bitte aufmerken! – Baron Edmond de Rothschild das Know-how seines Weinguts Château Lafite nach Palästina transferierte. Der Bankier war nicht der erste Winzer auf dem historischen Boden (die russische Familie Shor pflanzte bereits 1848 Reben, Teperberg startete 1870 in Jerusalem). Aber erstens investierte er massiv, und zweitens zählt die bis heute existierende Carmel Winery zu den größten Produzenten des seit 1948 unabhängigen Landes. Dass drei Premierminister hier arbeiteten – David Ben Gurion, Levi Eshkol und Ehud Olmert –, erzählt man entsprechend gern im Kostraum nahe Haifa, wo unter dem Porträt des Barons der Flaggschiff-Wein „Limited", natürlich ein Bordeaux-Blend, ausgeschenkt wird.

Winzerleben. Tal Gal-Cohen fungiert als Botschafter der ­israelischen Weine.
Winzerleben. Tal Gal-Cohen fungiert als Botschafter der ­israelischen Weine. (c) Michael Cohen CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

Aushängeschild. Lange stellte das Traubenträgerlogo vom Berg Karmel auch international das bekannteste Aushängeschild des israelischen Weinbaus dar. Doch mittlerweile spielen anderen Produzenten im Export – auch nach Österreich – mit. In nur 15 Jahren hat die Ausfuhr israelischer Weine um 400 Prozent zugelegt. Dass man dennoch kaum Wein auf den Karten der hiesigen Restaurants findet, will Tal Gal-Cohen ändern. Der ehemalige Journalist fungiert als Weinbotschafter seines Landes. „1983 erfolgte mit der Gründung der Golan Heights Winery der Startschuss für den modernen Weinbau", erzählte er unlängst anlässlich eines Wien-Besuchs. Seither explodierte die Zahl der Boutique-Weingüter in den sechs Anbaugebieten auf 300. Israels Botschafterin Talya Lador-Fresher sieht die Weine als logischen nächsten Schritt in Wien: „Für unsere Küche sind wir bereits bekannt, Restaurants wie Miznon, Hungry Guy oder Neni haben Erfolg", moderierte sie die Verkostung mit Gal-Cohen im Hotel Hansen-Kempinski an. Die hohe Qualität der israelischen Weinproduktion unterstreichen jedenfalls die Auszeichnungen, die in den letzten Jahren eingeheimst wurden. ­2015 etwa wurde Arieh Nesher von „Tabor" eingeladen, seinen Cabernet Sauvignon bei der New Yorker Wine Experience, dem Einladungsturnier des Fachmagazins „Wine Spectator", einzureichen. Egal, wie renommiert die Betriebe sind, es darf jeweils nur ein Wein serviert werden. „Unser Zugang zu dieser kleinen, exklusiven Gruppe war eine bisher noch nicht da gewesene Leistung", erinnert sich der Winemaker. Mittlerweile ist der Wein aus Galiläa Stammgast bei der prestigeträchtigen Verkostung.

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Apps und Dino-Weine. Doch nicht nur die Weine auf Basis der beliebtesten Rebsorte des Landes – jeder fünfte Rebstock in Israel trägt Cabernet – haben für Aufschwung gesorgt. „Kennen Sie ,Jurassic Park‘? Das sind unsere Saurier", spricht Gal-Cohen jene Sorten an, die in den letzten Jahren aus den Labors wieder in die Weingärten kamen. Bei Ausgrabungen gefundene Trauben wie der Marawi wurden von der Ariel University geklont. Schon zu biblischen Zeiten war die Sorte bekannt, doch Lenny Recanati und Uri Shaked, die Gründer der Recanati Winery, waren die Ersten, die mit der uralten Sorte wieder auf den Markt kamen.
Die Jungfernlese bei Bethlehem 2014 ergab gerade 2.480  Flaschen und erhielt aus dem Stand 90  Punkte von Guru Robert Parker. „Aktuell arbeiten wir am Einsatz weiterer lokaler Sorten", verspricht Recanati eine Fortsetzung dieser Linie. Denn das Hightech-Land hat auch den Weinbau modernisiert. Ein Großteil der marktdominierenden Kellereien setzt auf „precision agriculture". Für Österreich undenkbar, trägt jeder einzelne Weinstock einen Sensor, der Wassermangel oder andere Parameter an die Smart Phones der Winzer meldet.

Auch hier zeigt sich der Spagat zwischen Tradition und Tele-Weinbau. „Alle sieben Jahre ruht der Weingarten", zitiert Gal-Cohen die „Shmita" als Vorschrift aus dem jüdischen Speisegesetz Kashrut. Zwar ist diese Regel heute eher symbolisch, orthodoxe Winzer verkaufen in diesen Reb-„Sabbaticals" ihre Trauben dennoch nur an Nichtjuden, anstatt sie selbst zu füllen. Selbst die archaischen Vorschriften haben heute plötzlich Vorzüge. Ein Verzicht auf tierische Schönungsmittel im Weinbau hat dafür gesorgt, „dass Israels das weltweite Zentrum für vegane Weine wurde" – und der Rabbi zur zweiten Qualitätskontrolle neben dem Winzer. 

Weine kaufen: Die Weine von Teperberg, Recanati und der Zion Winery sind in Wiens erster koscherer Vinothek Ferszt in der Taborstraße 20a erhältlich. ferszt.at

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