Spanien

Auf Tapas-Tour durch die Hauptstadt der Häppchen

Madrid bietet Vielfalt - nicht nur am Teller.
Madrid bietet Vielfalt - nicht nur am Teller. Unsplash
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Madrid hat einiges zu bieten: prächtige Museen, enge Gassen und breite Boulevards – und köstliche Tapas in allen Varianten.

Bei Alberto ist man nach einem langen Tag auf den Beinen genau richtig. Er zapft in ein mit Eiswürfeln gefülltes Stielglas eine bräunliche Flüssigkeit, legt ein Scheibchen Zitrone darauf und stellt es auf die Bar: Vermú (Wermut), aromatisierter, würziger, süßer Wein, das sei das beste Getränk für einen gelungenen Start in den Abend. Oder das beste Getränk für den späten Vormittag, bevor es zum Mittagessen geht. Alberto stellt eine Schale Oliven dazu, und wenig später kommt ein ganzer Reigen an Tellerchen und Schüsselchen, gefüllt mit feinen Happen. Die dunklen „croquetas de calamares en su tinta“ sind die Spezialität im Casa Alberto: die spanische Variante von Kroketten mit cremiger Béchamelfüllung und der Tinte von Tintenfischen, die sie fast schwarz macht.

Eine Reise nach Madrid, die zahlt sich schon allein wegen der wunderbaren Tapasbars aus. Da sind die prächtigen Museen der spanischen Hauptstadt, die tollen kleinen Geschäfte, die breiten Boulevards und die engen Gassen der Altstadt noch gar nicht mit in die Rechnung genommen – sowie die Vielfalt auf den Märkten samt der dort zur Verkostung angebotenen Delikatessen. Womit wir wieder beim Essen wären. In der spanischen Hauptstadt zelebriert man das Weggehen und das gemeinsame Essen. Im Ausgehviertel Las Letras, wo auch das Casa Alberto liegt, ist man genau richtig: Im „Viertel der Literaten“ ist an jeder Ecke eine Tapasbar zu finden, zu späterer Stunde meist zum Bersten voll.

Die Madrilenen bleiben nie lang an einem Ort: Man konsumiert gemeinsam die besten Spezialitäten von Tortilla über Ibérico-Schinken oder Sardinen (eingelegt oder frittiert) bis hin zu Grammeln und Kutteln. Dazu ein kleines Bier oder ein Glas Wein – und weiter geht die Reise. Der Weg zur nächsten Tapasbar ist nie weit. Neben traditionellen Lokalen mit einer langen Schank aus Holz und Marmor findet man auch die moderne Variante: oft ebenfalls viel Holz, aber kein Schnickschnack an den Wänden, dennoch gemütlich. Hundertjährige Bars neben Hipsterlokalen, Cafés und kleine Handwerksläden, die Silberschmuck oder Flamenco-Schuhe herstellen oder Schinken vom iberischen Schwein verkaufen. Hier im Stadtteil Las Letras ist die Welt in Ordnung.

Brücke über den Fluss Manzanares.
Brücke über den Fluss Manzanares. Irene Zöch

Kunst ohne Ende

Nur einen Steinwurf entfernt, auf der anderen Seite der breiten Prachtstraße, gesäumt von Platanen und Kastanienbäumen, hat sich eine lange Schlange gebildet. Hier ist eines von Madrids berühmten Museen: der Prado. Und alle, die sich angestellt haben, wollen noch heute Abend hinein in den Prado. Die letzten zwei Stunden, bevor das Museum schließt, ist der Eintritt gratis. Das nutzen Touristen wie Madrilenen. Wobei zwei Stunden für eine der größten Kunstsammlung der Welt mit einer derartigen Dichte an europäischen Meisterwerken sowieso viel zu knapp bemessen ist. 15.000 Bilder und Objekte befinden sich im Prado, die Hälfte davon in Lagerräumen im Keller. Raffael, El Greco, Rubens, Goya, Velázquez – ein Meisterwerk hängt neben dem anderen. Gemälde, die die spanischen Könige über die Jahrhunderte gesammelt haben.

Religiöse Motive, klassische Mythen und besonders viele Porträts spanischer Könige von Karl V. bis zur Infantin Margarita sind dabei. Heuer feiert das Museum sein 200-jähriges Bestehen, im November 1819 wurde die kaiserliche Pinakothek eröffnet. Sonderausstellungen und Veranstaltungen nicht nur im Prado, sondern in ganz Spanien stehen auf dem Programm. Eine Sonderschau läuft bereits seit November: „Museum del Prado 1819–2019. Ort der Erinnerung“. Auch vor dem Museum Reina Sofía in der Calle de Santa Isabel hat sich abends eine lange Schlange gebildet, trotz Nieselregens. Auch hier ist der Eintritt die letzten beiden Stunden gratis. Und auch hier befinden sich einige der wichtigsten Werke der europäischen Geschichte, diesmal geht es um zeitgenössische Kunst. Eines der bekanntesten Werke von Pablo Picasso, „Guernica“, zählt zu den Highlights. Picasso hat das monumentale Bild 1937 nach den Luftangriffen auf die Stadt Guernica geschaffen, bei denen Hunderte Zivilisten gestorben sind. Es wurde zur Weltausstellung 1937 in Paris präsentiert.

Kunst im alten Schlachthof Matadero.
Kunst im alten Schlachthof Matadero.Irene Zöch

Das Museum Reina Sofía ist in einem ehemaligen Krankenhaus untergebracht, dessen ein wenig düsterer Charakter mit den langen Gängen deutlich erhalten geblieben ist. Vor fast 20 Jahren wurde dem historischen Gebäude ein Zubau vom Stararchitekten Jean Nouvel verpasst. Gemeinsam mit dem Nationalmuseum Thyssen-Bornemisza geben das Reina Sofía und der Prado einen umfassenden Überblick über die Kunst vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Etwas abseits vom Zentrum, aber gut mit der U-Bahn zu erreichen liegt im Stadtteil Arganzuela das Gelände des Matadero. Bis in die 1990er-Jahre gingen dort Fleischer und Arbeiter ein und aus. Heute ist auf dem großzügigen Areal des früheren Schlachthofs, der im frühen 20. Jahrhundert errichtet wurde, eine kleine, äußerst lebendige Kulturstadt entstanden.

Im alten Kühlhaus wird gerade eine Ausstellung aufgebaut. Dort, wo Rinder und Schweine zerteilt wurden, ist nicht nur Raum für kleine Künstlerinitiativen sowie für Artists in Residence, sondern sind auch ein Haus für Leser, ein Kino und Cafés entstanden. Im Sommer finden auf dem großen Platz, auf dem früher die Tiere zusammengetrieben wurden, Konzerte, Performances und Flohmärkte statt. Vor den Toren der Industriegebäude hat sich eines der spannendsten Naherholungsgebiete der Stadt entwickelt. 2006 entschied die Stadtregierung, den Verkehr, der mehrspurig auf der M 30 entlang des Madrider Flusses Manzanares dahinbrauste, in die Versenkung zu verbannen. In einem Vier-Milliarden-Euro-Projekt, das sechs Jahre Bauzeit erforderte, wurde der Verkehr in einen Tunnel unter den Fluss verlegt.

Flamenco-Aufführung im berühmten Corral de la Moreira.
Flamenco-Aufführung im berühmten Corral de la Moreira.Irene Zöch

Das 120 Hektar große Areal namens Madrid Rio wurde zu einer der grünen Lungen der chronisch vom Autoverkehr verstopften Metropole. Erst vor wenigen Monaten setzte Madrid ein weiteres aufsehenerregendes Verkehrskonzept um: In einem knapp 500 Hektar großen Sperrgebiet im Zentrum dürfen nur noch Anrainer und Taxis fahren. Rund um die Markthalle San Miguel im Viertel Madrid de los Austrias ist man zu Fuß unterwegs. Drinnen in der Halle (die aufgrund der Eisenkonstruktion ein wenig an das Wiener Palmenhaus erinnert) türmen sich Köstlichkeiten wie Käse aus Kastilien, diverse Schinkensorten oder Oliven. Der einst in die Jahre gekommene Markt ist heute ein Magnet für Touristen, aber auch für die Madrilenen geworden: Man kann sich durch ganz Spanien kosten.

Sterneküche und Flamenco

Madrid sehen und erleben

Und abends, falls nach all den Happen und Häppchen noch Platz im Magen ist, geht's ab zu Flamenco und Abendessen. Im Corral de la Morería gibt man Flamenco nicht nur auf der Bühne, dort wird Flamenco gelebt. Im kleinen, engen Lokal treten die Stars der Szene auf und ziehen das Publikum mit in diesen Sog der traurigen Gitarrenmusik. Flamenco-Schuhe klappern, die Tänzerin schwingt ihren Rock, später kommt ein Mann dazu, sie tanzen gemeinsam. Plötzlich wird eine junge Frau auf die Bühne gerufen. Sie sei eine Verwandte von einem der Sänger, erklärt einer der Musiker. In Jeans und Hemd, mit zusammengedrehten Wuschelhaaren singt sie in einer tiefen, vollen Stimme, die man diesem zierlichen Hipstermädchen nicht zugetraut hätte. Erst kürzlich wurde das Lokal mit Sterneküche in den Reiseführer „1000 Places to See Before You Die“ aufgenommen. Das hätten wir also abgehakt. Ein langer Tag geht zu Ende. Zeit, um endlich bei Alberto vorbeizuschauen.Informationen: Infos zu Madrid sowie zu Tagesausflügen ins Umland bietet das spanische Fremdenverkehrsamt. www.spain.info, www.esmadrid.com, www.turismomadrid.es

Essen: Tapasbars wie Casa Alberto (www.casaalberto.es) oder Taverne la Dolores (www.esmadrid.com) im Barrio Las Letras, Restaurant Tablafina (www.tabalfina.com) oder Restaurant Picalagartos (www.picalagartos.com).

Übernachten: NH Madrid Nacional, Paseo del Prado, zentral gelegen nahe Prado sowie Las Letras (www.nh-hotels.de) oder NH Collection Madrid Gran Via, Terrasse mit spektakulärem Blick über die Gran Via (www.nh-hotels.de).

Anreise: Einmal täglich mit der Iberia von Wien nach Madrid.

Compliance: Die Reise erfolgte auf Einladung des spanischen Fremdenverkehrsamts.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 9.2.2019)

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