Wo der Donaukanal duftet

Köchinnen aus Georgien, Afghanistan, Syrien und Somalia bekochen die Adria Wien.
Köchinnen aus Georgien, Afghanistan, Syrien und Somalia bekochen die Adria Wien.(c) Caio Kauffmann
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Viel Koriander, viel Safran, viel Zimt: An der Adria Wien kochen diesen Sommer vier Frauen aus Somalia, Afghanistan, Syrien und Georgien.

Reis kann so wahnsinnig kompliziert sein!“ Gabriel Zirm rattert die Zubereitungsschritte für afghanischen Reis – „am allerkompliziertesten!“ – herunter und verwendet dafür Begriffe wie einweichen, Vortag, einen Teil davon, neuen Topf mit Öl, Erdäpfelscheiben, Löcher.

Fatima kichert. Die Afghanin ist eine von vier Frauen, die der von Gabriel Zirm gegründete Verein Speisen ohne Grenzen als Köchinnen angestellt hat. Und die diesen Sommer die Adria Wien am Donaukanal bekochen. Mit afghanischen Fleischbällchen mit Paradeiser-Linsen und Safran-Berberitzen-Reis, syrischer Zuckerwatte mit Pistazien und Vanilleeis, georgischem Hochzeitsteller, somalischen Teigtaschen mit Bananen und Dip . . . Die Frauen treten auch auf der Website des Vereins unter ihrem Vornamen auf: Neben Fatima aus Afghanistan geben Gulia aus Georgien, Halima aus Somalia und Shireen aus Syrien abwechselnd die Küchenchefin an der Adria Wien. Zum Teil beherrschen die Köchinnen auch schon die Zubereitung der typischen Gerichte ihrer Kolleginnen.

Gemeinsame Sprache: Deutsch

Der Verein Speisen ohne Grenzen wurde im Herbst des Vorjahres gegründet, um geflüchteten Menschen die Möglichkeit zu geben, durch Kochen ihrer Spezialitäten in Österreich Fuß zu fassen. Seit Dezember liefert man per Lastenrad Mittagsmenüs an Büros aus (ab sechs Personen, in Mehrweggeschirr). Vorbereitet werden diese in der Küche des Lokals Jetzt im 17. Bezirk, die untertags nicht benötigt wird. Und nun eben das Engagement an der, so Zirm, „so großartigen“Adria Wien. Zirm ist hauptverantwortlich für den Einkauf der Zutaten, braucht aber die Geheimtipps der Expertinnen. Wo bekommt man in Wien somalische Lebensmittel? „Im 15. Bezirk.“ Afghanisches gibt es unter anderem in der Rennbahnwegsiedlung. Frischen Estragon indes, so klagt Gulia aus Tiflis, gibt es nirgends so richtig, dabei brauche man für einige georgische Gerichte richtig viel davon.

Viele Zutaten bezieht man vom Brunnenmarkt. Darunter reichlich Koriander. „Der ist überall drin, den brauchen wir wirklich kiloweise“, sagt Zirm und berichtet von seinem mit Koriandergrün überladenen Fahrrad, woraufhin alle Frauen in Lachen ausbrechen. Naré Jalil vom Café Katscheli, mit dem Speisen ohne Grenzen unter anderem für Caterings kooperiert und die an der Adria Wien auch Dienst versieht, nennt Granatäpfel als Standardzutat: „Ich habe den Überblick verloren, wie viele Granatäpfel wir schon geöffnet haben.“ Für somalische Gerichte sei neben Koriandergrün Knoblauch typisch, sagt Halima, viel Chili, oft Lamm, oft Okra. Reis wird mit Lebensmittelfarbe bunt eingefärbt, „nur ein bisschen, rot, grün, gelb“. „Und viel Zucker“, ergänzt Fatima die Aufzählung ihrer Kochkollegin und kichert wieder. Sie selbst färbt ihren Reis mit Safran. „Fatima hat ihre Safran-Connections, der beste kommt offenbar aus Herat“, sagt Gabriel Zirm.

Die Vielfalt der bisher gekochten Gerichte ist enorm (einzusehen auf der Homepage): Aus Afghanistan kommen etwa Bolani ba Chatni, ein mit Lauch, Erdäpfeln und Spinat gefülltes Brot, oder Ferni, ein Pudding mit Safran, Walnüssen und Pistazien. Aus Somalia hat Halima Rezepte wie Batati Macaan mitgebracht, Erdäpfel, die in gesüßter Milch und Kardamom gekocht werden. Shireen aus Syrien kocht Fasulie a Bendora, Reis mit Fisolen und Paradeisern, bäckt Mamoul, mürbe, dattelgefüllte Kekse. Und Gulia, als Letzte dazugestoßen, steuert Georgisches bei wie Melanzaniröllchen mit Walnüssen.

Die Köchinnen wollen dauernd Neues kochen, berichtet Gabriel Zirm, „bringen von zu Hause immer wieder etwas mit. ,Schau, das könnten wir doch . . .‘“. Was die beim Einkauf geforderten Mengen betrifft, hat er nicht selten gestaunt: „Das wäre teilweise ein Kilo Essen pro Person gewesen.“ „Tja, es kommt und kommt“, bringt Gulia eine georgische Tafel auf den Punkt. Beim Salz gebe es auch Unterschiede bei der Menge: Für Zirm ist es oft zu wenig, der österreichische Geschmack sei offenbar anders. Auch mit den Sprichwörtern zum Versalzen – die es etwa auch in Afghanistan und Somalia gibt – verhalte es sich umgekehrt: „Wenn dort etwas versalzen ist, sagt man, die Frau liebt ihren Mann nicht.“ Die gemeinsame Sprache ist übrigens Deutsch, Zirm fungiert als Lehrer. Halima aus Somalia hat er einmal eine Rückmeldung erklären müssen: Ob „himmlisch“ denn gut oder schlecht sei . . .

ZUM PROJEKT

Speisen ohne Grenzen wurde im Oktober 2018 von Gabriel Zirm als Verein gegründet, um asylsuchenden Menschen dabei zu helfen, durch Kochen in Österreich Fuß zu fassen. Derzeit sind vier Frauen aus Afghanistan, Somalia, Syrien und Georgien als Köchinnen angestellt. Man liefert Mittagsmenüs aus (ab sechs Personen, per Lastenrad, mit Mehrweggeschirr) und kocht diesen Sommer täglich an der Adria Wien am Donaukanal (Höhe Salztorbrücke).Küche Mo−Fr 16−22, Sa−So 2−22 Uhr.

www.speisen-ohne-grenzen.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2019)

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