Lokalkritik

Testessen im Tian

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Des Tians neue Kleider.

Im Dezember 2011 aß der damalige „Schaufenster"-Restaurantkritiker und jetzige „Presse"-Chefredakteur, Rainer Nowak, im neu eröffneten vegetarischen Restaurant Tian Kaspressknödel mit Junglauch und Pasta Provenciale mit Oliven. Angesichts eines Waldpilztatars und „Salaten mit witzigen Aromen" schöpfte Nowak Hoffnung. „Vielleicht kommt da noch mehr", notierte er als Fazit seiner Kritik.

„Well, yes" beziehungsweise eher „hell, yes!" kann man nun anknüpfen. Die Wandlung des Tian unter Küchenchef Paul Ivic, der noch immer da ist, ist eine der erstaunlichsten Wandlungen in der österreichischen Gastronomie: Vom finanziell dank Investor Christian Halper gut aufgestellten Pasta-plus-Lokal zu einem (auch im internationalen Vergleich) ernst zu nehmenden vegetarischen Fine-Dining-Restaurant.

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Mit Auszeichnungen wie einem „Michelin"-Stern oder, soeben frisch aufgewertet, vier Sternen und 90 Punkten im „A la Carte". Das Team rund um Paul Ivic (Fleischesser, Anm. für misstrauische Carnivoren), Ko-Küchenchef Mathias Martin und Patissier Thomas Scheiblhofer geht bemerkenswert anspruchsvoll ins Detail. Nicht nur unterhält Ivic enge Beziehungen zu Gemüse­lieferanten wie Robert Brodnjak oder Michael Bauer, die dem Lokal Ackerbohnen, lila Kohlsprossen und Co. liefern. Auch in der Zubereitung macht man es sich nicht bequem. Für ein Amuse-Gueule aus Lauch, Buchweizen und Morcheln werden die Pilze zu Ketchup verarbeitet, nur um damit einen winzigen Teigpolster zu füllen. Andere Bestandteile von Gerichten hören auf die allgegenwärtigen Namen Kichererbsentofu oder Krensafttapioka (Letzteres kongenial mit Krenblatttee zu einem Pfirsichsorbet serviert). Wer wegen des Konzepts auf Fisch und Fleisch verzichten muss, muss eben woanders in die Tiefe gehen. Und die Ideen gehen dem Tian offenbar nicht aus. Kleine Steinpilze erster Güte werden mit geeisten und getrockneten Brombeeren sowie Sonnenblumenkerncreme zu einem eleganten, sättigenden Herbstgang (Foto), aus Gold­rüben entstehen ein intensiver Borschtsch und ein Röllchen mit Mirabelle und Senf. Zu all dem gibt es aufregende Weine, ausgesucht von Sommelier André Drechsel, oder alkoholfreie Drinks wie Saft aus fermentierter Physalis mit Wildkarottengrün. Neu und endlich angemessen ist das Interieur: Begann es mit herzigen Mooslusterbasteleien und Hotelrestaurantmeublage, gestand man den Gästen und dem Wiener Stuckgewölbe nun ein Outfit mit Langhalsleuchten und Josef-Frank-Stoffen zu.

Info

Tian, Himmelpfortgasse 23, 1010 Wien, Tel.: +43/(0)1/890 46 65, Küche: Di: 18–21 Uhr, Mi–Sa: 12–14, 18–21 Uhr.

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("Die Presse-Schaufenster", 19.07.2019)

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