Yotam Ottolenghi: „Nur Fertiggerichte sind ungesund“

Süß. Yotam Ottolenghi, britisch-israelischer Koch, hat sein sechstes Kochbuch gemacht.
Süß. Yotam Ottolenghi, britisch-israelischer Koch, hat sein sechstes Kochbuch gemacht.(c) Peden + Munk/Dorling-Kindersley-Verlag
  • Drucken

Yotam Ottolenghis süße Seite: Anlässlich seines neuen Buchs spricht er über Zucker im Titel, die eigentliche Aufgabe von Kuchen und Schlagobersrettung.

Yotam Ottolenghi ist nicht nur Inhaber mehrerer Delis in London, Kolumnist der britischen Tageszeitung „The Guardian“ und Autor von fünf vegetarischen Kochbüchern. Er hat, nach Jamie Oliver, auch einen unkomplizierten Kochstil mit nahöstlichen Einflüssen und vegetarischer Schlagseite geprägt. Seine Mission: Gemüse „sexy“ zu machen. In seinem sechsten Buch, „Sweet“, traut sich der britisch-israelische Koch an das ungesund-süße Pendant: den Zucker. Das „Schaufenster“ hat Ottolenghi in Berlin zum Interview getroffen.

Sie sind dafür bekannt, Gemüse „sexy“ zu machen. Wie kam es zu dieser Beschreibung?
Ich könnte mir vorstellen, es liegt an der Einbindung von nahöstlichen Gewürzen in meinen Rezepten. Es kann aber auch an dem Respekt vor Gemüse liegen, der Bewahrung seiner Natürlichkeit – im Geschmack und im Aussehen.


Wie geschieht das?
Ein Beispiel: Ich möchte, dass die Konsistenz des Gemüses erhalten bleibt. Daher überkoche ich es nicht, wie dies in Frankreich oder den nördlichen europäischen Ländern getan wird, sondern grille es beispielsweise lieber. Hinzu kommen Kräuter und Gewürze. Aber auch die Präsentation ist am Ende des Tages wichtig. Die Farben müssen satt sein. Dann spielt Gemüse auf dem Teller nicht mehr nur eine Nebenrolle. Dann ist es wahrhaft sexy.


Welche Rolle spielt dabei der Umstand, dass Gemüse auch gesund ist?
Dieser Umstand ist für mich nicht ausschlaggebend, und ehrlich gesagt mag ich die Beschreibung „Mein Essen ist gesund“ nicht wirklich. Das würde heißen, dass andere Gerichte ungesund wären. Und ungesund sind nur Fertiggerichte, die abgepackt im Supermarkt herumliegen.


Was bedeutet gesundes Essen dann für Sie?
Gesund essen steht für die Freude am Essen, den Genuss am Leben  – ob damit nun ein saftiges Steak oder ein köstlicher Kuchen verbunden ist. Die gesunde Diät wird sich dabei gleichsam von allein einstellen.

Variiert. Gemeinsam mit Helen Goh wandelt er Klassiker ab: etwa zu „Montblanc-Tartes“.
Variiert. Gemeinsam mit Helen Goh wandelt er Klassiker ab: etwa zu „Montblanc-Tartes“.(c) Peden + Munk/Dorling-Kindersley-Verlag

Dann stellt Ihr neues Buch, „Sweet“, bei dem es gerade nicht um die gesunde Küche, sondern vielmehr um die Zuckersünde geht, keinen Kurswechsel dar?
Meine Arbeit dreht sich nicht um Marketing. Das heißt: Ich stehe nicht nur für die vegetarische Küche. Es geht mir mehr um Nahrung im Allgemeinen, ob Salat oder Biskuitkuchen. Beides soll einander nicht ausschließen.


Aber Sie haben sich schon auf Gemüse spezialisiert?
Durchaus. Gemüse ist schon am interessantesten. Denn: Es ist einfach, ein Steak zu machen, aber viel schwieriger, Gemüse derart zuzubereiten, dass es jemanden anspricht. Bei einem Steak sind auch schon viele Verarbeitungsschritte getan, bevor ich überhaupt Hand anlege. Aber nicht beim Gemüse. Noch dazu bedarf es eines größeren Aufwands beziehungsweise tieferen Wissens, um Gemüse zu verarbeiten.


Zurück zum Buch: Sie haben Gemüse attraktiv gemacht. Nun nehmen Sie sich den Gegner vor: Zucker. Warum?
Natürlich, Zucker hat derzeit einen schweren Stand, er steht für ungesunde Ernährung und steckt in zu vielen Produkten. Aber auch Zucker gehört zu unserer Kultur, speziell zur Backkultur. Daher ist Zucker eher eine Frage des Bewusstseins. Als Konsument muss man sich bewusst machen: Wann esse ich Zucker und wie viel esse ich? Dann passt Zucker auch zu einer gesunden Ernährung.


Ihr erfolgreiches Kochbuch „Jerusalem“, das in Zusammenarbeit mit ihrem palästinensischen Geschäftspartner Sami Tamimi entstanden ist, hat durchaus auch eine politische Dimension. Ist auch „Sweet“ ein politisches Buch?
Nein, das Buch soll keine Aussage hinsichtlich der aktuellen Debatte um zuckerfreie Diäten treffen. Wenn es doch eine Aussage haben soll, dann allein jene, dass wir Menschen Kuchen gern backen und essen. Und ehrlich gesagt habe ich das Gefühl, dass Menschen, die gern backen, auch aufgrund ihres Bewusstseins für die Zutaten weniger Zucker konsumieren – anders als jene, die Kuchen abgepackt im Supermarkt kaufen.


Sie wollten das Buch eigentlich „Zucker“ nennen, entschieden sich dann aber für „Sweet“. Warum?
Beide Titel hätten gepasst. Doch zum Schluss stand für Helen Goh, die Koautorin, und mich nicht die Zutat im Fokus, sondern die Freude und die Geselligkeit, die Süßes mit sich bringt. Wenn ich einen Kuchen backe, dann nicht unbedingt, um meinen Hunger zu stillen, sondern um anderen Menschen eine Freude damit zu machen, ihn zu teilen und zu genießen.

International. Zutaten aus aller Welt sind erlaubt. Hier Kokosnuss-Mandel-Kuchen.
International. Zutaten aus aller Welt sind erlaubt. Hier Kokosnuss-Mandel-Kuchen. (c) Peden + Munk/Dorling-Kindersley-Verlag

Die Welt der Patisserie ist Ihnen nicht unbekannt. Sie lernten an der Hochschule „Le Cordon Bleu“ in London die französische Küche kennen und waren dann in verschiedenen Restaurants, unter anderem dem Londoner Michelin-Stern-gekrönten Restaurant The Capital, tätig.
The Capital war ein sehr französisch ausgerichtetes Restaurant mit zwei Soufflés auf der Speisekarte – das eine süß, das andere deftig. Ich hatte dafür das Eiweiß aufzuschlagen. Mein erster Job und meine einzige Aufgabe.


Warum gerade Sie?
Es bedurfte eben keiner großen Qualifikation.


Die Welt der Patisserie hat den Ruf, sich sehr an Etiketten und Regeln halten zu wollen. Wie schwer ist es denn wirklich, Mehlspeisen zu kreieren?
Diese Welt ist durchaus sehr streng, insbesondere hinsichtlich der Mengenangaben. Es ist wie in der Chemie. Man muss der Formel folgen, um ein bestimmtes Ergebnis zu erhalten. Insofern ist das Grundrezept einzuhalten. Dennoch gibt es aber auch gewisse Freiräume, beispielsweise hinsichtlich der Glasur oder des Geschmacks. So kann mit der Wahl und Mengenangabe von Gewürzen gespielt werden.


Was ist schwieriger: Mehlspeisen oder Gemüse?
Es kommt auf den Koch an, wie sehr er sich herausfordern will. Ein Gericht mit Gemüse kann einfach gemacht sein: Ein bisschen Tomate, ein bisschen Knoblauch, Salz und Öl, und fertig ist das Gericht. Dasselbe gilt für eine Mehlspeise: Nimm Zucker, Mehl, Eier und Gewürze, und fertig ist ein Kuchen.


Und wenn der Kuchen dann doch nicht gelingen mag?
. . . dann sollte ganz viel Schlagobers obendrauf.

(c) Peden + Munk/Dorling-Kindersley-Verlag

Buchtipp

Backen. In „Sweet“ präsentieren Yotam Ottolenghi und Helen Goh Rezepte wie Erdnuss-Sandgebäck, Brownies mit Tahini und Halwa oder Physalis-­Pawlowas. Dorling Kindersley, 27,80 Euro.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.