Auch das britische Parlament meditiert

Chris Ruane und Martina Esberger- Chowdhury.
Chris Ruane und Martina Esberger- Chowdhury.(c) Daniel Novotny
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Chris Ruane hat vor fünf Jahren Achtsamkeits-Meditation ins britische Parlament gebracht. Seither haben 186 Parlamentsabgeordnete die Kurse besucht. Die Warteliste für die Parlamentsmitarbeiter ist ewig lang. Was bringt das wirklich?

Vor fünf Jahren musste Chris Ruane seine Kurse noch geheim halten. Oder eher: wer daran teilnahm. „Wir kommen, aber lasst niemanden wissen, dass ich dabei bin“, ließen ihm seine Kollegen im Parlament ausrichten. Heute muss er das nicht mehr tun.

Im britischen Parlament, wo Ruane selbst Abgeordneter ist, haben mittlerweile 186 Abgeordnete, sowohl vom House of Commons als auch vom House of Lords, die Meditationskurse absolviert. Jeden Dienstag kommt ein Achtsamkeitstrainer ins Haus und übt mit ihnen Meditation. Auf der Warteliste für das Mitarbeiter-Training stehen bis zu 100 Leute. Damit nicht genug, schreiben die Abgeordneten einmal pro Woche vor einer Sitzung auf, für welche Dinge sie dankbar sind. Sie sind nicht die Einzigen. In Schweden gibt es Achtsamkeitstrainings seit 2011 im Parlament, in den USA seit 2012, Frankreich, Holland folgten.

Gute Entscheidungen treffen

Chris Ruane findet das gut. „Menschen, die nicht in einem ausgeglichenen Zustand sind, können nicht die besten Entscheidungen treffen. Weder privat noch politisch.“ Dass Achtsamkeits-Training in den vergangenen Jahren überall auf der Welt mehr Aufmerksamkeit bekommen hat, ist für ihn logisch. „Der Druck im Leben ist einfach zu groß geworden. Jeder ist gestresst und sucht eine Strategie für eine rasende Welt.“ Durch das Training sollen die Menschen wieder lernen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Im Folgenden reduziert sich der Stress. „Man ist im Hier und Jetzt und nimmt den Augenblick wieder wahr“, erklärt Martina Esberger-Chowdhury, die die „Initiative Achtsames Österreich“ mitgegründet hat. Deren Ziel ist es, Achtsamkeit auch hier Politikern nahezubringen. Erste Gespräche gab es schon, Namen will sie noch nicht nennen.

Vielleicht, weil das Thema in Österreich noch gern in die Esoterik-Ecke gerückt wird. Auch deswegen ist Ruane bemüht, Fakten zu liefern. „Das ist nichts Fluffiges“, sagt er. Die USA würden US-Marines mit diesen Übungen trainieren, um sie zu besseren Soldaten zu machen – belastbarer und weniger schießwütig. In Großbritannien wird seit 2004 Achtsamkeits-Training zur Behandlung bei Menschen mit wiederkehrenden depressiven Phasen vom Staat übernommen, auf Basis von wissenschaftlichen Studien. Ruane war auch führend hinter dem „Mindful Nation UK Report“, in dem auf Betreiben des Parlaments auf wissenschaftlicher Basis herausgearbeitet wurde, wie sich Achtsamkeits-Meditation positiv auf Bildung, Gesundheit, Arbeit und Justiz auswirken kann. Denn im Endeffekt gehe es darum, nicht auf jeden Impuls zu reagieren. „Man muss sich nur einmal vor Augen halten, wie viele Beziehungen beendet wurden, weil jemand etwas gesagt hat, ohne nachzudenken. Wie viele Menschen sind im Gefängnis, wie viele Menschen tot?“

Achtsame Häftlinge und Schüler

In Gefängnissen gibt es bereits erste Meditationsgruppen, erzählt er. In Großbritannien finden die Übungen aber vor allem woanders Anklang: In Schulen, wo nun oft Atem- und Dankbarkeitsübungen auf dem Stundenplan stehen. Vereinzelt gibt es schon Programme für Kindergärten. Auch in Wien experimentieren vereinzelt Schulen damit.

Derzeit, erzählt Ruane, laufe an der Universität Oxford eine Studie, für die 26.000 Schüler zwischen elf und 18 Jahren die Grundzüge von Achtsamkeits-Meditation lernen. 4000 von ihnen werden drei Jahre lange beobachtet, die Hälfte macht regelmäßig Meditation, die andere Hälfte nicht. Auf Basis der Ergebnisse, die 2021 präsentiert werden, erwartet sich Ruane, dass das Bildungssystem reformiert wird. „Das World Economic Forum gibt jedes Jahr einen Report heraus, in dem steht, welche Fähigkeiten in Zukunft besonders gefragt sind. Da geht es nie darum, ob jemand gut rechnen kann. Die Schlüsselfähigkeiten sind Teamfähigkeit, Selbstregulierung und eine ganze Liste anderer Skills, die mit Achtsamkeit trainiert werden können.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.09.2018)

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