Mode aus Mailand: Gefällig oder unbequem?

Psychedelisch. Zu den stärksten Kollektionen in Mailand zählte – wie stets – jene von Miuccia Prada. Tragbare Mode für alle Tage wollte sie zeigen. Auffällig waren aufwendig produzierte Batikprints und Drucke von Rem Koolhaas’ OMA-Studio.
Psychedelisch. Zu den stärksten Kollektionen in Mailand zählte – wie stets – jene von Miuccia Prada. Tragbare Mode für alle Tage wollte sie zeigen. Auffällig waren aufwendig produzierte Batikprints und Drucke von Rem Koolhaas’ OMA-Studio.(c) Agostino Osio
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Das Konzentrat der Settimana della Moda in Mailand mit Kollektionen für den nächsten Sommer: Verjüngungswahn, Eventrausch, dazwischen zum Glück gute Mode.

Und wenn eines Tages anstelle der Modewoche ein mehrtägiges Mehrspartenfestival stattfinden würde, etwa: „Fashion & Music Days Milan" oder wie auch immer überschrieben? Hauptanlass für derlei Überlegungen ist die Einladung zur Emporio-Armani-Show in einen (seit jeher mit dem Logo der Marke versehenen) Hangar am Flughafen von Linate. Kryptisch heißt es vorab, man werde dort eine Performance einer „international bekannten Persönlichkeit" zu sehen bekommen. Die Robbie-Williams-Fans unter den Moderedakteuren (den Millennials raunt der Sänger humorig zu: „Ich war in den Neunzigern ein Star!") sind dann auch wirklich begeistert, als sich herausstellt, dass das ehemalige Boyband-Mitglied für ein Minikonzert (hoffentlich nach Linate) eingeflogen wurde. Alle anderen bekommen zumindest eine unendlich große Kollektion zu sehen – man wähnt sich in einem Rekordversuch von Mailands Modegroß­meister.

Verdient berühmt. Staraufgebote gibt es auch andernorts zu verzeichnen, was die oben erwähnte Festival­assoziation rechtfertigen würde: Philipp Plein lässt am Ende seiner Show Chris Brown trällern, bei Fendi sitzt Nicki Minaj in der Frontrow, Dolce & Gabbana verpflichten mit Carla Bruni, Monica Bellucci und Isabella Rossellini ebenfalls echte Stars für den Laufsteg. Dass Jane Birkin bei Gucci Chansons zum Besten gibt, zählt in dieser Saison nicht, weil Gucci in Paris gastiert.

All diese Berühmtheiten, die ihren Status einer besonderen Fertigkeit verdanken, unterscheiden sich signifikant von jenen „neuen" Celebritys, die vielerorts als Werbegesichter und Neukundenköder verpflichtet werden, während sie durch häufig nicht genau definierbare Qualitäten auf sich aufmerksam machen. Bei Fendi sitzt etwa schräg gegenüber von Nicki Minaj die italienische Modebloggerin und „Influencerin" Chiara Ferragni mit ihrem (frisch angetrauten) Gatten, dem Insta­gram-Star und Irgendwie-auch-Musiker Fedez. Sie und ihresgleichen sollen dafür sorgen, dass eine nachrückende Millennial-Klientel eine Beziehung zu den Luxusmarken aufbaut. Und weil die Gastauftritte von solchen Social-Media-Berühmtheiten für die einzelnen Modemarken fast wichtiger sind als die Aufmerksamkeit für das Laufstegtreiben, werden die wichtigsten Influencer in Total Looks der Marken gehüllt. Diese stammen zumeist aus Kollektionen, die gerade in die Geschäfte kommen, und entsprechen somit jenem ominösen See-Now-Buy-Now-Prinzip, von dem zuletzt allerdings weniger oft die Rede war als in der Vergangenheit.

Weltkultur. Im Museum delle Culture blickte die Familie Etro auf ein halbes Jahrhundert ihres Modehauses zurück. Man zeigt neben Mode Objekte aus aller Welt (noch bis 14.  Oktober, www.mudec.it).
Weltkultur. Im Museum delle Culture blickte die Familie Etro auf ein halbes Jahrhundert ihres Modehauses zurück. Man zeigt neben Mode Objekte aus aller Welt (noch bis 14.  Oktober, www.mudec.it).(c) Beigestellt

Apropos saisonale Verwirrung: Unter den Kollektionen für den kommenden Sommer fielen mancherorts Entwürfe auf (umso mehr übrigens, weil es im spätsommerlichen Mailand tropisch heiß war und das verwunderte Publikum unmöglich braunlederne Ganzkörpermonturen als saisonkompatibel erachten konnte), die in Angezogenheitsgrad, Materialauswahl und Farb­gebung eher an den Herbst als an den Frühling denken ließen. Vielleicht handelt es sich auch da um ein unausgesprochenes Zugeständnis der Marken an die Berichterstattung in digitalen Medien und das Wecken von Begehrlichkeiten, die jahreszeitlich eher an der Gegenwart als an der Zukunft der kommenden Saison hängen.

Welt ohne Hashtag. Abgesehen von Feierlichkeiten um manches Firmenjubiläum (50 Jahre Etro, 65 Jahre Missoni) boten vereinzelt die gezeigten Kollektionen ohne begleitendes Tamtam Anlass zur Freude. Weitere Proben seines großen Talents legte etwa der Exilwiener Arthur Arbesser ab: Mit seiner eigenen Modelinie führt er konsequent eine unverwechselbar verspielte Ästhetik fort und erweist zudem dem italienischen Bildhauer Fausto Melotti Reverenz. In seiner zweiten Saison als Designer für Fay deutet er hingegen mit einer Sylt-inspirierten Kollektion an, dass er bei der Quattro-Ganci-Marke eine kohärente Vision in petto hat.

Zu den Highlights unter allen Defilees zählte, wie zumeist, die Sommersaison von Miuccia Prada: Nach Superstars und Influencer-Getöse sucht man am Catwalk und in der Frontrow bei Prada zumeist vergebens, der Fokus liegt hier auf der Mode und ihrer seit vielen Jahren konsequent betriebenen Weiterentwicklung. In der Welt störe sie, so Frau Prada in einem Interview, die vielerorts betriebene Simplifizierung von Inhalten und die Reduktion von Politik auf Hashtags. Noch viel vereinfachender gehen naturgemäß manche Modehäuser vor. Prada wählt, mit einem Weg zwischen psychedelisch angehauchten Batik-Looks, komplexen Prints von Rem Koolhaas’ Architekturbüro OMA und die Geister scheidenden Haarreifen als Signature-Headpieces, zumindest in Modedingen nicht den Weg simplifizierender Gefälligkeit.

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