"Damier"-Muster: Schach, aber nicht matt

Das patentierte „Damier“-Muster des Hauses Louis Vuitton ist beinahe gleich alt wie das moderne Urheberrecht: Anlass für ein Doppelporträt.

Wie man auch Kindern, die den ganzen Tag vor dem Fernseher verbringen, in Aussicht stellt, dass ihre Augen viereckige Form annehmen, ließe sich Ähnliches demnächst den Fans von Marc Jacobs’ Arbeit für Louis Vuitton prophezeien: Zeigte der Designer letzten Oktober in Paris doch in einem strikt geometrischen Setting (Pate stand der französische Künstler Daniel Buren) die erste Kollektion der Marke, die zur Gänze ohne das bekannte Monogramm auskam. Dafür wurde ausgiebig ein Muster zitiert, das seit 1888 mit dem Haus assoziiert wird: Damals nämlich wurde das sogenannte „Damier“-Dessin (das französische Wort für Schachbrett), eine regelmäßige Abfolge beigefarbener und dunkelbrauner Quadrate, von Georges Vuitton, dem Sohn von Firmengründer Louis, in einem Zug mit dem Firmennamen als „Marque Déposée“ registriert. Dieses 125-Jahr-Jubiläum wird nun in Zusammenhang mit der aktuellen Kollektion naturgemäß auf alle erdenklichen (und möglichst sichtbaren) Arten zelebriert.

Über den Tellerrand der Mode hinausblickend, ist der Fall des „Damier“ auch ideengeschichtlich nicht uninteressant: Schließlich ist dieses „Geschmacksmuster“, so der juristisch korrekte Ausdruck, fast ebenso alt wie das moderne, international geregelte Urheber- und Markenrecht.

Der Gesamteindruck zählt. 1886 wurde nämlich von zehn Nationen die „Berner Konvention“ unterzeichnet, die länderübergreifenden urheberrechtlichen Schutz für geistiges Eigentum gewährleistete; das Hauptkriterium hierfür lautete und lautet immer noch Originalität. Die mit der Aufklärung vollzogene Aufwertung der Figur des Autors bzw. Schöpfers erreichte damit ihren Verbriefungshöhepunkt. „Hier haben sich die beteiligten Vertragsstaaten erstmals auf einen Mindestschutz mit internationaler Geltung geeinigt. Man ist von der Grundidee ausgegangen, dass etwa ein österreichischer Urheber auch in Frankreich ein Schutzniveau genießen soll, das dort jenem eines Inländers entspricht“, fasst die auf Urheberrecht spezialisierte Juristin Alexandra Thurner zusammen. 1891 folgte mit dem „Madrider Abkommen“ über die internationale Registrierung von Marken eine weitere wichtige Etappe.

Wenn nun ein juristischer Laie (als der sich der Autor hiermit zu erkennen gibt) auf ein „geschütztes Geschmacksmuster“ wie etwa den „Damier“ stößt, mag sich ihm die Frage aufdrängen, auf welche Arten ein an sich recht gängiges Schachbrettmuster rechtlichen Schutz genießen kann.

Hier, weiß Walter Holzer, Experte für Geschmacksmusterrecht, der wie Alexandra Thurner an der Universität für angewandte Kunst unterrichtet, lässt sich hinsichtlich der sogenannten Verkehrsgeltung argumentieren. „Selbst wenn ein Design nicht geschützt ist“, unterstreicht Holzer, „lässt sich im Nachhinein nach dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb vorgehen, wenn Verkehrsgeltung vorliegt: Das heißt, dass ein Erzeugnis aufgrund seines Bekanntheitsgrades und seiner Verbreitung eindeutig mit einem Hersteller asso-
ziiert wird.“ Bei einer „Damier-Speedy“, um bei dem aktuellen Beispiel zu bleiben, sei dieser Fall gegeben, da sich Louis Vuitton unabhängig von anderen Möglich-
keiten auf die Historie der Marke und des mit ihr verbundenen Musters sowie das bekannte Taschendesign berufen könne: All dies ist ja für den Gesamteindruck von Belang.

Etwas eigenartig. Und dieser – beruhend auf den Faktoren Neuheit und Eigenart – ist wieder maßgeblich für formalrechtlichen Schutz. „Die schützbare Eigenart bedeutet“, so Walter Holzer, „dass der Gesamteindruck, den ein informierter Benutzer von einem Muster hat, sich von jenem eines anderen Musters unterscheidet. So ließe sich etwa vom Gesamteindruck einer Damenhandtasche mit bestimmter Form und regelmäßigem quadratförmigen Muster in zwei Farben sprechen, das man so nur von diesem Hersteller kennt.“

Wie vieles andere ist aber auch die nach dem Lauterkeitsgesetz einklagbare Verkehrsgeltung mitunter strittig: Bei runden Smartphone-Ecken oder roten Stilettosohlen – beide waren in jüngerer Vergangenheit ja medial recht präsent – handelt es sich um von bestimmten Herstellern beanspruchte Eigenarten, die aber von Recht sprechenden Instanzen in unterschiedlichen Ländern unterschiedlich beurteilt werden mögen.
Heikel ist übrigens auch die missbräuchliche Nennung einer Wortmarke (ein fiktives Beispiel: „der Rolls Royce unter den Staubsaugern“), die ihrerseits dank Qualität und kostenintensivem Marketing bekannt wurde: „Wenn der Name eines Luxusartikelherstellers als Qualitätsversprechen verwendet wird, ist dies bedenklich“, warnt Alexandra Thurner. So unterbleibt an dieser Stelle sicherheitshalber auch das Eigenlob für den „Damier“ unter den Artikeln in dem „Vuitton“ unter den österreichischen Tageszeitungsbeilagen.

TIPP

Geistiges Eigentum. Seit 1888 ist Louis Vuitton eine „Marque Déposée“, auf Schachbrett inspiriertem Untergrund.

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