Diesel: Alchemist des schwarzen Goldes

Mit einer Kollektion für Diesel Black Gold zelebrierte der Designer Andreas Melbostad, Liebling von New Yorker Fashionistas, seine Rückkehr auf den Laufsteg.

Als letztes Jahr bekannt wurde, dass Andreas Melbostad die nach dem Abgang von Sophia Kokosalakis vakant gewordene Stelle des Chefdesigners von Diesel Black Gold besetzen würde, machte wahrscheinlich die eine oder andere New Yorker Mode-Insiderin einen freudigen Luftsprung. Der gebürtige Norweger nämlich, der am Royal College of Art studiert hatte und danach von Alber Elbaz zu Guy Laroche und Yves Saint Laurent geholt wurde, machte sich als Kreativdirektor des in Europa weniger bekannten Avantgardelabels „Phi“ einen Namen. Dass Melbostadt in dieser Position nicht das bis nach Europa ausstrahlende, öffentlichkeitswirksame Backing von „Vogue“-Chefin Anna Wintour erhielt, die unter anderem für den Erfolg von Alexander Wang, Rodarte, Proenza Schouler oder Prabal Gurung mitverantwortlich ist, könnte folgende Gründe haben: Zum einen handelte es sich bei „Phi“ nicht um ein von Melbostad selbst gegründetes Label, wie es bei den anderen genannten Marken unter Wintours Fittichen der Fall ist, und zum anderen kam das Geld (wenigstens bis Ende 2009, als „Phi“ aufgelassen wurde) von der texanischen Milliardärsgattin Susan Dell. Die Dells nun, mit den ebenfalls aus Texas stammenden Bushs nicht unbefreundet, stehen wieder genau jenem politischen Lager nahe, mit dem die eifrige Obama-Unterstützerin Wintour bekanntermaßen wenig anfangen kann.

Experiment und Expansion. Nachdem also das von  Branchenmagazinen als „zu nischenhaft“ eingestufte Modelabel ungeachtet der Klagerufe von New Yorks Fashionistas eingestellt wurde, verschwand Melbostad vorübergehend vom Radar der Modewelt, war hinter den Kulissen als Berater tätig. Vor einem Jahr ereilte ihn dann der Ruf von Renzo Rosso, der auf der Suche nach einem geeigneten Designer für das Flaggschiff seines wachsenden Modeimperiums war: Während der norditalienische Unternehmer nämlich zuletzt sein Luxus-konglomerat erweitert hat, zu dem neben Martin Margiela und Viktor & Rolf nun auch Marni gehört, sollte Diesel Black Gold anzunehmenderweise nicht ins Hintertreffen geraten. Ganz im Gegenteil: Eine Expansion in Nordamerika ist geplant, der erste Flagship-Store des Labels wurde 2012 akkurat in New York eröffnet, auch nach Fernost und Russland wird geschielt. Um die unternehmerisch hochtrabenden Pläne verwirklichen zu können, braucht es aber natürlich ein ansprechendes Produkt – darum kommt auch ein Renzo Rosso nicht herum. „Renzo und ich haben bei unserem ersten Treffen sofort eine gemeinsame Ebene gefunden“, erzählte Andreas Melbostad in New York nach der Präsentation seiner ersten Laufstegkollektion. „Die neue Aufgabe ist auch für mich besonders spannend, weil ich weiß, wie anspruchsvoll Renzo Rosso ist und wie viel ihm an Diesel Black Gold liegt.“

Melbostad Alchemist schwarzen Goldes
Melbostad Alchemist schwarzen Goldes(c) beigestellt

So schickte Melbostad vergangene Woche eine durchaus avantgardistisch angehauchte Kollektion über den Laufsteg, die (wie seine weniger umfassenden Pre-Fall-Entwürfe) von Bikerlooks inspiriert war und damit eine Ästhetik zitierte, die ihm auch als „Phi“-Designer lieb gewesen war. Viele Nieten, Pagodenschultern und eine sehr schmale Silhouette ließen erahnen, warum langbeinige Moderedakteurinnen und Models mit Rockstarallüren seit jeher ihre Freude mit Melbostads Arbeit haben. „Es ist für Diesel Black Gold wichtig, mit einer starken Stimme zu sprechen und eine deutliche Aussage zu machen“, unterstrich der Designer. „Es gibt, das ist auch Renzo Rossos Wunsch, auf jeden Fall Spielraum für Experimente. Zugleich muss die Kollektion natürlich tragbare, verständliche Teile beinhalten, und es ist wichtig, die beiden Parts auszubalancieren.“ Die Arbeit mit Denim, meinte Melbostad außerdem, mache ihm Freude, wobei durch Materialexperimente ein mit Harz verstärkter Stoff mit technischer Anmutung entwickelt wurde. „Ich weiß gar nicht, ob es für mich Wunschvorstellungen gibt, wie viele Jeanslooks in der Kollektion zu sehen sein müssen. Wahrscheinlich schon, an mich herangetragen wurden sie bislang aber nicht.“

Treue Fangemeinde. Wenn man bedenkt, wie wichtig für global operierende Modemarken der wirtschaftliche Erfolg in den sogenannten neuen Märkten, also etwa Russland, China, neuerdings auch Brasilien, ist, drängt sich auch die Frage auf, ob dem Designer im Entwurfsprozess ein bestimmtes Kundinnenprofil vorschwebe: „Dadurch, dass ich selbst viel reise, bin ich natürlich offen für viele Einflüsse. Ich lebe aber seit zwölf Jahren in New York, und auch die Kollektion wird ja hier präsentiert, weshalb sie wahrscheinlich stark mit dieser Stadt in Verbindung gebracht wird.“

Wie nach der Show unüberhörbar war, zeigten sich Andreas Melbostads Fans mit It-Girl-Allüren jedenfalls erfreut über dieses Comeback. So war etwa die Bloggerin Hanneli Mustaparta, die von Diesel Black Gold als Kreativdirektorin und Model der aktuellen Werbekampagne ausgewählt wurde, geradezu außer sich: „Ich bin wirklich erleichtert, dass Andreas wieder Mode macht. Als die letzte Kollektion von ‚Phi‘ abverkauft wurde, gehörte ich zu denen, die nach Soho pilgerten, um die letzten Teile zu ergattern“, ließ sie im Backstage-Bereich wissen. Für Nachschub ist nunmehr ja gesorgt. Zudem wird wohl der große Bekanntheitsgrad seines neuen Arbeitgebers Andreas Melbostad bald weit über die Grenzen der New Yorker Insider-Szene hinaus bekannt machen. 

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