Googles „We Wear Culture“: Modegeschichte neu erzählt

Sweaterrock vor der Linse. Comme des Garçons im Kyoto Costume Institute.
Sweaterrock vor der Linse. Comme des Garçons im Kyoto Costume Institute.(c) The Kyoto Costume Institute,/Takashi Hatakeyama
  • Drucken

Die Plattform Google Arts & Culture widmet sich mit „We Wear Culture“ nun auch der Mode.

Klick, klick, klick. Im Mieder von Königin Elizabeth I. aus dem Jahr 1600 kann man sich auf dem Bildschirm mit wenigen Mausklicks nahezu verlieren, ebenso im mit Rosen bestickten Abendmantel Elsa Schiaparellis. Ein ultrahochauflösendes Bild macht es möglich, dass sich selbst die kleinsten Stickdetails erkennen lassen und man so viel mehr sieht, als wenn man in die Schaukästen des Kyoto Costume Institute oder des Victoria and Albert Museums schauen würde. Dabei bleibt man im virtuellen Raum. Wo sonst meist ein Glas den Museumsgänger vom Exponat trennt, ist es hier der Bildschirm von Computer, Smartphone oder Tablet. Dafür hat man auch nicht nur ein Museum zur Auswahl, sondern 180 allein für den Bereich Mode, dem sich die Plattform Google Arts & Culture mit dem Sonderthema „We Wear Culture“ widmet. Von Mode vom Hof in Versailles, Street­style aus Tokio, Bekleidung von Stilikonen wie Marilyn Monroe und Audrey Hepburn über den ikonischen Stiletto von Salvatore Ferragamo bis hin zum kleinen Schwarzen von Coco Chanel sind hier 3000 Jahre Modegeschichte versammelt, inklusive Backstage-Einblick in den Restaurierungsbereich beispielsweise des Metropolitan Museum of Art. Auch Nischenthemen werden bedient, so erfährt man auch etwas über die Garderobe der thailändischen Königin Sirikit, die ihr Pierre Balmain in den 1960er-Jahren schneiderte, oder über die glamourösen Partys von Magazinmagnat Condé Nast an der 1040 Park Avenue in den 1920er- bis 1940er-Jahren.

Historisch. Google Arts & Culture ­versammelt 3000 Jahre Modegeschichte. Im Bild: Detail eines Schiaparelli-Mantels.
Historisch. Google Arts & Culture ­versammelt 3000 Jahre Modegeschichte. Im Bild: Detail eines Schiaparelli-Mantels. (c) Victoria and Albert Museum

Ringstraßenmode. Über 180 Museen und Kulturinstitutionen aus 42 Ländern (darunter zwölf aus Deutschland) haben an über 400 kuratierten digitalen Ausstellungen gearbeitet, die online und mittels App abrufbar sind. Der Modeschwerpunkt hat sich aus dem Projekt Google Arts  & Culture entwickelt, das bereits 2011 entstanden ist. „Mode ist ein Teil der Kultur, Modeausstellungen zählen zu den erfolgreichsten Ausstellungen“, weiß Simon Rein von Google Arts & Culture in London. „Es gibt Kleidungsstücke, die uns bekannt sind, aber kennen wir auch die Geschichte dahinter? Wissen wir, was sich dahinter verbirgt, was die Traditionen und Herstellungstechniken sind?“ All das will man beantworten. Mit dabei ist auch das Wien-Museum, das stolze 5000 der insgesamt 30.000 Objekte beisteuerte. Je mehr Objekte, desto besser, denn nur so kann man einen umfassenden Blick auf die Modegeschichte werfen. „Das Wien-Museum hat Tausende dokumentierte Kunstschätze im Bereich der Mode. Wir waren ganz aus dem Häuschen, keiner hätte gedacht, dass das Museum auf so einem Schatz sitzt“, erinnert sich Wolfgang Fasching-Kapfenberger von Google Austria an das umfangreiche Depot. Google bildet den technischen Hintergrund – zusammen mit Kuratoren des jeweiligen Museums arbeitet man an den Ausstellungsthemen. „Kuratoren wissen am besten über die Schätze ihres Museums Bescheid und darüber, was die Leute am meisten interessiert“, weiß Rein. Das Wien-Museum hat sich beispielsweise auf die Mode der Ringstraßenzeit mit Schwerpunkt 19. Jahrhundert konzen­triert. Was ein „Waderl“ ist – ein Fächer übrigens –, erfährt man ebenso wie Wissenswertes zu den unterschiedlichen Garderoben für Firnisstage (Tag einer Ausstellungseröffnung) oder zur sogenannten Turftoilette für die Pferderennbahn in der Freudenau im Prater.

Exponat aus dem Wien-Museum aus der Ringstraßenzeit.
Exponat aus dem Wien-Museum aus der Ringstraßenzeit.(c) Beigestellt

Bedenken, die Ausstellungen online zu zeigen, haben die Einrichtungen mittlerweile nicht mehr. „Museen sind selbst sehr daran interessiert, ihre Sammlung einer breiten Öffentlichkeit zu zeigen. Die Mission der Museen ist es, zu sammeln, zu bewahren und zu vermitteln, ihre Bestände also möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen. Da können wir helfen“, erklärt Rein weiter. Viele Museen hätten ihre Objekte ohnehin bereits digitalisiert, oftmals jedoch nur einen Teil ausgestellt und vieles in Depots gelagert. Eine digitale Ausstellung bietet einen größeren Darstellungsraum und Freiheiten. Die Aufbereitung dauert je nach Digitalisierungsstand einige Wochen bis Monate. „We Wear Culture“ wurde zwar schon lanciert, abgeschlossen ist das Kapitel Mode aber noch nicht. „Das Projekt lässt sich erweitern. Oft kommen danach noch Museen auf uns zu und wollen mitmachen. Das hoffen wir natürlich auch für das Modethema, damit das Projekt lebendig bleibt“, so Rein.

Gigabild und virtuelle Realität. Das Online-Durchforsten kann zwar nicht die physische Präsenz ersetzen, trotzdem hat man einige Asse im Ärmel, um die Ausstellung im Web oder der App spannend zu gestalten. Eines ist das eingangs beschriebene Gigabild, in das man ganz tief hineinzoomen und die kleinsten Details erkennen kann. Zudem sind alle Objekte nach Zeit und Farbe angeordnet, was einen intuitiven Zugang erlaubt, aber auch für Modestudenten oder Stylisten spannend sein kann. Und auch 360-Grad-Videos von berühmten Stücken und Klassikern wie einem Korsett von Vivienne Westwood und Coco Chanels kleinem Schwarzen gibt es zu sehen. Das Besondere dabei: Mit einer Pappbrille, auch Cardboard genannt (auf Google gibt es auch eine Bastelanleitung für eine Brille aus Pizzakarton), kann man die Filme sehr kostengünstig auch in Virtual Reality ansehen. Denn, so Rein: „Google Arts & Culture ist ein visuelles Erlebnis, aber, wenn alles gut geht, auch ein Bildungserlebnis.“

(c) Beigestellt

Tipp

Googles We Wear Culture ist im Web und mittels App abrufbar. In die Modegeschichte vertiefen kann man sich hier: www.google.com/culturalinstitute/beta/project/fashion

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.