Oscar-Stilkritik: Das schönste Kleid des Abends trug ein Mann

Oscarreifer Auftritt: Billy Porter.
Oscarreifer Auftritt: Billy Porter. (c) APA/AFP/MARK RALSTON
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Die Trendfarbe war diesmal Pink. Die Zuckerlfarbe trugen Männer wie Frauen.

Das Beste kommt zum Schluss? In der Vergangenheit mussten Stilkritiker dieser Binsenweisheit bei den Oscars eher widersprechen. Am Ende der Award Season – nach den Grammys, Golden Globes, Baftas und Critic's Choice Awards, um nur einige zu nennen – war der modische Wagemut der Protagonistinnen meist schon stark reduziert. Überraschungen gab es, wenn überhaupt, nur bei der Verteilung der Oscars.

Nicht so dieses Mal. Angefangen bei der Trendfarbe des Abends: Power-Rosa. Wer diese Farbe trägt, kann auch gleich rufen „Hier komme ich!“ Helen Mirren in Schiaparelli Couture (die Gründerin des Modehauses erfand immerhin „Shocking Pink“) zeigten sich ganz „Pretty in Pink“, aber auch Gemma Chan in Valentino, Sarah Paulson in Brandon Maxwell oder Kacey Musgraves in Giambattista Valli machten so auf sich aufmerksam. Kombiniert mit einer gehörigen Portion Tüll, riesigen Schleifen, mit Volumen und teilweise architektonischen Silhouetten. Da konnte Lady Gaga, die in einer schwarzen Robe von Alexander McQueen vor die Fotografen trat, nicht mithalten. Dafür aber mit einem 30-Millionen-Dollar Diamanten von Tiffany, den Audrey Hepburn schon 1962 trug.

Aber zurück zur Farbe des Abends: „Es ist kein Pink für Prinzessinnen, sondern ein Pink für Königinnen“, schreibt „Guardian“-Kritikerin Jess Cartner-Morley, die in der Farbwahl erkennen will, dass sich die Genderrollen langsam verändern – und die wie viele Kolleginnen ein feministisches Statement vermutet. Wir erinnern uns: Noch 2018 trugen Hollywood-Frauen bei den Golden Globes Schwarz als Solidarität mit der MeToo-Bewegung. Vermutet wird, dass sich Star-Stylisten auch von Nancy Pelosi inspirieren ließen. Sie trug als demokratische Vorsitzende des Abgeordnetenhauses auf einem Gruppenfoto einen himbeerfarbigen Hosenanzug inmitten schwarz-blauer Corporate-Uniformen.

Spike Lee im lila Anzug

Für mehr Gleichberechtigung schienen sich in der Oscarnacht auch Hollywoods Männer stark gemacht zu haben. Zumindest kann man ihre Outfitwahl so deuten. Diese spielte bisher auf den roten Teppichen dieser Welt eine eher untergeordnete Rolle, da wurden die immer gleichen schwarzen Anzüge aneinandergereiht. Billy Porter schaffte in einem Smoking-Kleid von Christian Siriano dabei wohl den größten Coup des Abends. Das schönste Kleid des Abends, und es trägt ausgerechnet ein Mann? „Mein Ziel ist es, durch das, was ich trage, eine wandelnde politische Botschaft zu sein. Ich will Erwartungen brechen. Was ist Männlichkeit? Was bedeutet sie? Frauen tragen ständig Hosen, aber sobald ein Mann ein Kleid trägt, rastet jeder aus“, erklärte er im Interview mit der US- „Vogue“. Aber er war nicht der einzige, der von der Dresscode-Norm abwich. Regisseur Spike Lee (er durfte den Oscar für BlacKkKlansman mit nach Hause nehmen) erschien in einem lila Anzug von Oswald Boateng, dazu kombinierte er goldene Turnschuhe. Musikproduzent Pharrell Williams ließ sich für die wohl wichtigste Gala-Veranstaltung des Jahres nicht davon abbringen, kurze Hosen zu tragen und Chadwick Boseman begeisterte mit einer kristallbesetzten Kreation von Givenchy und einer Art Sakko mit Umhang.

Rosa ist etwas für „echte“ Männer. Das schien Schauspieler Jason Momoa ausdrücken zu wollen. Er trug einen Samt-Smoking in ebenjener Zuckerlfarbe aus der letzten Kollektion von Karl Lagerfeld für Fendi. Helen Mirren, die mit ihm zusammen auf der Bühne stand, schien von dieser Erscheinung verzaubert. „Es zeigt einfach, dass es heutzutage möglich ist, dass ein hawaiianischer Gott und eine sehr reife Engländerin dieselbe Farbe tragen können.“ So haben sich also die Zeiten geändert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2019)

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