Ein Statement in Rosarot

Pinktöne haben sich modisch rehabilitiert: Jetzt ist es die Symbolfarbe
einer neuen Generation von Feministinnen.

Rosa überall. Die Farbe war in den letzten Saisonen von den Laufstegen in Paris, Mailand, New York und London nicht mehr wegzudenken. Spätestens, seit das Farbunternehmen Pantone das erdbeermilchshakefarbene „Quartz Rosa“ zur Farbe des Jahres 2016 erklärte, kann der Farbton auch für erwachsene Frauen als modisch rehabilitiert betrachtet werden. In den aktuellen Frühjahr/Sommer-Kollektionen von Céline, Balenciaga und Valentino findet sich jeweils ein rosarotes Statement-Kleid, auch bei Chanel, Gucci, Moschino, Kenzo, Dolce & Gabbana, Loewe, Maison Rabih Kayrouz, Maison Margiela und Rochas tauchte die Farbe in allen Schattierungen von Puderfarben bis Knallpink auf, sei es als dominierendes Kolorit für einen Total-Look in Pink oder als Akzente setzende Komplementärfarbe für Applikationen, Säume und Bündchen.

Assoziierte Weiblichkeit. Rosa ist ein gutes Beispiel für die identitäts- und einheitsstiftende Wirkung von Farben. Die Assoziation von Pink mit Weiblichkeit etwa erscheint uns heute als unumstößlich und ist fest in unserem kollektiven Bewusstsein verankert. Jedoch war dies nicht immer so. Ein Blick zurück in die Geschichte des Farbtons verrät zahlreiche Metamorphosen und Bedeutungsverschiebungen. In dem frisch bei Princeton University Press erschienenen, wunderbar bebilderten Band „Red – The History of a Color“ widmet der französische Historiker und Farbexperte Michel Pastoureau der Farbe Rosa ein ganzes Kapitel. Der aus Rotholz gewonnene Farbstoff Brasilin wurde schon von den mittel- und südamerikanischen Hochkulturen der Inka, Maya und Azteken sowie in Asien verwendet. Erst als im 14. Jahrhundert venezianische Händler mit dem Import von Rotholz (oder auch: Brasilholz) aus Indien und Sumatra begannen, verbreitete sich Brasilin auch im Westen zum Färben von Textilien. Rasch wurde Rosa, damals „incarnato“ genannt, in Italien zu einer besonders bei den Herren der Aristokratie beliebten Modefarbe und drang bis zum französischen Hof vor. Rosa erlebte im 18. Jahrhundert eine zweite Blütezeit, als Madame de Pompadour es neben Himmelblau zu ihrer Lieblingsfarbe erkor.

Dolce&Gabbana
Dolce&Gabbana



Heute gelten ja genau diese beiden Farben als klassische, je einem Geschlecht fix zugeordnete Babyfarben. Auch hier birgt die Farbgeschichte überraschende Erkenntnisse: Die amerikanische Textilhistorikerin Jo Paoletti hat sich näher mit der geschlechtlichen Codierung von Rosa und Hellblau beschäftigt und herausgefunden, dass Rosa bis ins frühe 20. Jahrhundert als Bubenfarbe galt, da es als helles Rot interpretiert und daher mit Stärke, Macht und Kriegertum assoziiert wurde. Hellblau hingegen wurde Mädchen zugeschrieben, da es als anmutig und lieblich gedeutet wurde. Zwischen 1910 und 1940 fand allmählich eine Umkehrung dieser Zuschreibung statt, und Rosa setzte sich als Mädchenfarbe durch. In der Mode des 20. Jahrhunderts tauchen Rosa- und Pinktöne immer wieder als Trendfarben auf. Elsa Schiaparelli, die flamboyante Erzrivalin von Coco Chanel, nannte ihr 1937 lanciertes Parfum „Shocking Pink“ und erklärte die Farbe zu ihrem Markenzeichen. Rosa in allen Nuancen ist seither fixer Bestandteil der High-Fashion-Farbpalette und besonders in der Sparte Abendgarderobe unverzichtbar, weswegen die jüngste Pink-Renaissance in der Mode eigentlich wenig verwunderlich ist.

Viel interessanter ist dagegen die Instrumentalisierung der Farbe Rosa für progressiven Aktivismus. Eine erste politisch motivierte Vereinnahmung der Farbe Rosa fand in den 1970er-Jahren vonseiten der Schwulen- und Lesbenbewegung statt. Während des Dritten Reichs wurden homosexuelle Männer kriminalisiert und verfolgt, in den Konzentrationslagern wurden sie mit einem rosaroten Winkel aus Stoff gebrandmarkt (bei der Ausstellung „Sex in Wien“ im Wien-Museum fand sich ein seltenes Original unter den Exponaten). In Erinnerung an die schwulen Opfer des Nationalsozialismus begannen in den frühen Siebzigerjahren homosexuelle Aktivisten und Aktivistinnen in den USA und in Europa, sich einen rosa Winkel anzuheften, der auch zu einer kollektiven Identitätsbildung beitrug sowie zur Stärkung des politischen Bewusstseins als sexuell Unterdrückte. Erst in den Neunzigerjahren wurde der rosa Winkel von der Regenbogenfahne als bevorzugtes Symbol der LGBTQ-Bewegung abgelöst.

Chanel
Chanel (c) Alexandre SIGUIER

Pinke Politik. Heute findet in Protesträumen off- und online eine feministische Politisierung von Pink statt. Am vergangenen 21. Jänner, dem Tag nach dem Amtsantritt des amerikanischen Präsidenten, Donald Trump, protestierten hunderttausende Frauen bei einer Großdemonstration in Washington, D.C. gegen die rechtspopulistische Politik von Trump, auch in anderen amerikanischen Städten und rund um die Welt mobilisierten sich Trump-Gegner zu Protestmärschen. Viele der Demonstrantinnen trugen „Pussyhats“, pinke Strickmützen mit Katzenohren, auf Initiative der beiden Aktivistinnen Krista Suh und Jayna Zweiman, die seit Bekanntwerden der Wahlergebnisse im November das „Pussyhat Project“ ins Leben gerufen haben. Die Mützen stellen die Protestalternative zu den roten Baseballmützen mit Trumps Slogan „Make America Great Again“ dar, sind aber auch eine Reaktion auf die im Wahlkampf enthüllten, einschlägig sexistischen und frauenverachtenden Äußerungen des Präsidenten. Suh und Zweiman verbreiteten im Netz eine Strick-, Häkel- und Nähanleitung für die Pussyhats und knüpften damit an die Tradition des „Craftivism“ an, in der Handarbeit als subversive politische Arbeit verstanden wird.

In dem Begleittext zur DIY-Anleitung schreiben Suh und Zweiman über die symbolische Bedeutung der Farbe Rosa: „Pink wird als weibliche Farbe angesehen, die Fürsorge, Mitgefühl und Liebe darstellt – alles Eigenschaften, die lächerlich gemacht werden, in Wirklichkeit aber für Stärke stehen. Gemeinsam Pink zu tragen ist ein wirkmächtiges Statement dafür, dass wir unmissverständlich weiblich sind und kompromisslos für Frauenrechte einstehen.“ Heute ist Pink also zur Symbolfarbe einer neuen Generation von Feministinnen avanciert, die sich für die Aufwertung von negativ konnotierten, Frauen zugeschriebenen Eigenschaften und gegen chauvinistische Geschlechterstereotypen stark machen. 

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