La grande bellezza

Piazza Venezia
Piazza Venezia(c) Wikipedia
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Rom. Schönheit tritt in der Ewigen Stadt flächendeckend auf, mit Kunst jedes Genres – zum Beispiel der des Fußballers Francesco Totti.

Der Journalist Jep Gambardella sucht die Schönheit, er findet sie kurz und flüchtig in einer Mondnacht auf einer einsamen Insel, und er findet sie für immer in der Stadt Rom. Das ist die Geschichte, die Paolo Sorrentino in seinem Film „La grande bellezza“ erzählt. Inspiriert vom großen Federico Fellini greift Sorrentino tief in die Trickkiste des Kinos, lässt Giraffen verschwinden, gibt einer Zwergin eine große Rolle und inszeniert opulente Feste. Es ist die Nacht, in der sich das Leben in Rom abspielt. „Der Vormittag ist eine Tageszeit, die mir gar nichts sagt“, verrät Jep Gambardella in einer Szene des Films.

„Alle wissen, dass Rom schön ist, vielleicht sogar die schönste Stadt der Welt. Aber viele halten Rom auch für absolut unmöglich“, sagt Maria Rita Delli Quadri. Auch sie ist täglich auf der Suche nach der Schönheit Roms – als Trend Scout. Roma&Roma heißt ihr Label, das die Energie und die Kreativität der Stadt mit ihren unzähligen Gesichtern und Schichten abbildet. „Rom ist die Stadt der Klischees“, sagt die Dottoressa, die an der renommierten Universität La Sapienza studiert und viele Jahre lang in einem Kultur-Thinktank an der Piazza Venezia im strategischen Kulturmanagement gewirkt hat, ehe sie sich selbstständig machte.

„Manche finden Rom bürokratisch und päpstlich, anderen erscheint es ein wenig schwerfällig und vulgär. Nie aber ist Rom sophisticated und ganz selten modisch“, sagt Maria Rita Delli Quadr, die Modeschauen in ihrem Studio im Trendviertel Monteverde Vecchio veranstaltet, Designertipps für den Sonntagsmarkt bei der Porta Portese liefert und zur Präsentation witziger Brillenmodelle in die Via Margutta lädt, die Straße der Künstler gleich neben jenem Haus, in dem Federico Fellini und Giulietta Masina gelebt haben. Il Margutta heißt das Lokal – es ist auch einer von Maria Rita Delli Quadris Gastro-Tipps. Il Margutta ist das klassische vegetarische Restaurant der Stadt. Seit 1979 wird hier mediterran geschlemmt, ohne Fleisch zu vermissen.

Vor einem Jahr bekam die Stadt einen dynamischen Schub bei der Bürgermeisterwahl. „Rom ist Leben!“ lautet der Slogan des Mitte-links Bürgermeisters, Ignazio Marino, der im Frühling 2013 den Neofaschisten Gianni Allemanno vom Kapitol verdrängte. Ignazio Marino wohnt gleich beim Pantheon und zeigt sich lachend und radelnd in der Villa Borghese, immer dabei seine Leibwächter, auch sie per Fahrrad.

Francescos Begabung

„Rom ist die Stadt der Wunder“, sagt Fulvia Strano. Die Kunsthistorikerin ist Angestellte der Stadt, gestaltet Ausstellungen und kommuniziert mit internationalen Museen und Wissenschaftlern. In ihrem Buch „Francescos Begabung“ zieht Fulvia Strano einen originellen Vergleich zwischen Architektur und Fußball in Rom. Die Protagonisten des Buches sind zwei Francescos.

Der eine ist der Barockarchitekt Borromini und der andere der geniale Kapitän des AS Roma, Totti. Fulvia Strano zeigt in „Francescos Begabung“, wie sich in Rom Talente entfalten, sei es auf dem Fußballfeld oder auf der Piazza San Pietro, deren kolossale Säulenarchitektur Francesco Borromini entworfen hat.

„Francesco Totti ist der Architekt des Spiels“, sagt Fulvia Strano. „Wenn AS Roma gewinnt, dann deshalb, weil Totti im richtigen Moment dem richtigen Spieler einen Pass zugespielt hat. In dieser Choreografie liegt Schönheit.“ So wie in der architektonischen Glanzleistung von Francesco Borromini: der Kirche San Carlo alle Quattro Fontane, deren Innenraum in einer einzigen Säule des Petersplatzes Platz fände. Fulvia Strano hat eine Saisonkarte für die Spiele von AS Roma, bei denen die Stadt den Atem anhält. „Für mich war Fußball eine Chance, meinem Vater, der ein viel beschäftigter Zahnarzt war, nahezukommen. So wurde ich zur AS-Roma-Tifosa“, erklärt Fulvia Strano.

Villa Maraini, eine Terrasse mit Blick auf Rom, ist der neueste Geheimtipp in der Stadt der Schönheit. Die Römer lieben es, wenn sie Orte besuchen können, die eigentlich für die profane Öffentlichkeit geschlossen sind, so wie die Villa Maraini, das Schweizer Kulturinstitut. Neuerdings können Montagnachmittag Führungen bis auf den Turm mit Ausblick über die ganze Stadt gebucht werden.

Ariane Varela Braga lebte selbst drei Jahre lang als Stipendiatin in der Villa Maraini und lernte so das Bauwerk lieben. Auf ihre Initiative hin öffnet sich die exterritoriale Schweizer Kultur-Repräsentationsvilla nun jeden ersten Tag in der Woche. Ariane Varela Braga teilt ihr profundes kulturhistorisches Wissen beim Schlendern durch die Gärten mit Grotte und Nymphäum. Die prächtige Villa wurde Anfang des 20. Jahrhunderts am Hügel gleich neben Federico Fellinis Via Veneto von einem Zuckerfabrikanten erbaut. Achtung, Sakrileg-Gefahr: Der Turm der Villa Maraini soll höher sein als der höchste Punkt von Rom, die Kuppel von San Pietro, wird gemunkelt.

Sehen und gesehen werden – dafür ist das legendäre Caffè della Pace emblematisch. Das Lokal befindet sich in einem stark ramponierten Palazzo, dekorativ von tiefgrünem Efeu überwuchert.

Hier befindet sich die Ecke, an der Julia Roberts im Selbstfindungsfilm „Eat Pray Love“ durch Essen wieder zur Lebenslust fand. Beim Caffè della Pace verschwimmt innen und außen, hier ist die Stadt Wohnzimmer, Gruppen von jungen Girlies in Miniröcken und Stiefletten und coole Jungs treffen sich zum Plaudern und dekorativem Herumstehen zwischen Caffè della Pace und Bar del Fico. Darunter Reisende aus aller Welt. Viel braucht es hier nicht zum Glücklichsein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2014)

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