OÖ/Steiermark

Nationalpark Kalkalpen: Luzi tappt in die Fotofalle

Nationalparkidyll im Winter.
Nationalparkidyll im Winter. (c) imago stock&people (imago stock&people)
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Schneeschuhwandern und Natur beobachten in der Wildnis der Kalkalpen und des Gesäuses.

Zwischendurch einmal innehalten und die friedliche Stille genießen, wenn das Klappern der Schneeschuhe und Stöcke kurz Pause macht, und den Blick über die weiße, bauschige Schneedecke schweifen lassen: Die Almen, Wälder und imposanten oberösterreichischen und steirischen Gipfel präsentieren sich nach mehreren Tagen Schneefall tief verschneit. Der Stopp eignet sich auch besonders gut zum Verschnaufen, denn der Anstieg ist, gerade für Anfänger in dieser Wintersportdisziplin, eine Herausforderung.

Dann nur noch wenige Meter, und das Ziel der winterlichen Wanderung ist erreicht: „Die Luzi, die hab ich schon länger nicht gesehen“, freut sich Christian Fuxjäger, Verantwortlicher für das Luchsprojekt im Nationalpark Kalkalpen. Luzi ist vor etwas mehr als einer Woche in die Fotofalle „getappt“, welche auf dem Weg zur Peterbaueralm im Gebiet Rosenau/Hengstpass an einem Baum befestigt worden war. Aber nicht nur Luzi wurde geknipst, auch ein Auerhahn, ein Reh und sogar ein Fischotter, etwas ungewöhnlich in dieser Höhe.

Weniger Glück hat Fuxjäger an diesem Tag mit seinem Ortungsgerät und der Antenne, mit der er versucht, einen der mit Sendehalsbändern ausgestatteten Luchse zu orten. Es ist nur ein Rauschen zu hören. Fünf Luchse wurden 2017 im Nationalpark Kalkalpen nachgewiesen, die in ihren jeweiligen Revieren herumstreifen. Nachwuchs hat es zuletzt 2014 gegeben, und so hofft man, dass die scheuen und streng geschützten Wildkatzen bald aufeinandertreffen und für Vermehrung sorgen. Bald kommt die richtige Zeit, weiß der Luchsexperte über das Paarungsverhalten Bescheid.

Überleben und genießen

Die Winterwildnis der benachbarten Nationalparks Kalkalpen und Gesäuse verspricht neue und besondere Erfahrungen. Nicht nur die sportliche Aktivität in der Winterlandschaft, ob Skitourengehen oder Schneeschuhwandern, hat ihren Reiz, sondern auch das intensive Spüren und Genießen der veränderten Natur in dieser Jahreszeit. Wer dabei mit den engagierten und mit viel Wissen gewappneten Guides und Rangern unterwegs ist, erfährt reichlich Interessantes über die Lebens- und Überlebensweise der Tiere in der Kälte.

„Die Natur genießen steht bei uns im Vordergrund“, hält Franz Sieghartsleitner vom Nationalpark Kalkalpen fest. „Im Winter ist Wandern ruhiger, fast meditativ, man spürt mehr. Es wird früher finster, und man darf nicht auskühlen. Dazu kommen die Tierspuren im Schnee.“ Die Leute müssten mehr begreifen, „dass sie im Winter nicht Trübsal blasen, sondern raus in die Natur und Energie tanken sollen“, rät Sieghartsleitner.

Der Nationalpark Kalkalpen in Oberösterreich ist fast 21.000 Hektar groß und besteht seit 1997. Der steirische Nationalpark Gesäuse wurde 2002 eröffnet und umfasst etwas mehr als 11.000 Hektar. Nur etwa acht Kilometer Luftlinie trennen einander – dazwischen liegen die Ausläufer des Gebirgszugs Haller Mauern –, und so gibt es auch viele gemeinsame Projekte, etwa einen Mountainbike-Trail. Noch in Planung befindet sich der Luchs- trail, der auf dem Wildtierkorridor im Gebiet Kalkalpen, Gesäuse und Wildnisgebiet Dürrenstein in Niederösterreich verlaufen soll. „Der Natur- beziehungsweise Lebensraum ist sehr ähnlich. Mit der Installierung der Nationalparks sieht man auch die Rückkehr der Wildnis gut, wenn man Natur Natur sein lässt.“ Dies bedeutet: Der Mensch zieht sich größtenteils aus dem Naturraum zurück, umgestürzte Bäume werden liegen gelassen, das Totholz wird zu einer Art Arche Noah für Insekten, Flechten, Pilze, Pflanzen, wodurch mehr Biodiversität entsteht. „Es dauert Jahrhunderte, bis die Natur sich zum Urwald zurückentwickelt“, so Sieghartsleitner. In Österreich gibt es demnach nur einen minimalen Anteil natürlicher Wälder. Im Nationalpark Kalkalpen, der zu 80 Prozent aus Wald besteht, werden mittlerweile 38 verschiedene Waldarten gezählt. Auch viele endemische Pflanzen und Tiere findet man in den Gebieten, im Gesäuse etwa die rosa blühende Zierliche Federnelke oder das Spinnentier Nördliches Riesenauge.

Dem Rotwild nahe

Neben Hasen, Füchsen, Rehen und Gämsen hat auch Rotwild seine Heimat in den Bergen und Wäldern der Nationalparks. Bei Führungen und Wanderungen können die Besucher die majestätische Wildtierart in freier Wildbahn beobachten. Etwa im Bodinggraben, rund 20 Kilometer vom Nationalparkzentrum Molln (OÖ) entfernt. Am Talschluss befindet sich das Forsthaus Bodinggraben. Bewohnt wird das Haus heute von dem Nationalparkranger Michael Kirchweger und seiner Frau, Erni. Die beiden Naturliebhaber erzählen bei einer Führung die Geschichte des Hauses, das 1830 Eugen Fürst von Lamberg als Dienstsitz für Jäger und Unterkunft für Jagdgäste erbauen ließ und immer noch große Teile der historischen Einrichtung enthält.

Kirchweger begleitet Interessierte außerdem auf Wildbeobachtungstouren oder zur Beobachtungsplattform für die Rotwildfütterung. „Im Winter brauchen die Tiere weniger Nahrung. Der Magen verkleinert sich, sie bewegen sich nur wenig, und so werden die Systeme heruntergefahren“, erklärt der Ranger die Überlebensstrategie. Gefüttert werden sie hier einmal am Tag mit Heu, bei Schaufütterungen auch mit Rüben. 70 bis 100 Tiere – Hirsche, Kühe und Kälber – sind zu sehen, die sich an Futtertrögen und an einer Quelle laben und Kraft für den Winter sammeln. Werden sie nicht gefüttert, wandern Tiere ab, harren aus oder – manche – verenden.

Ausgewiesene Routen

Der Kontakt mit der Natur, besonders auch im Winter, ist den Nationalparkverantwortlichen wichtig, jedoch soll er in geordneten Bahnen verlaufen. „Wir wollen nicht, dass die Leute überall herumrennen“, erklärt Herbert Wölger, der Direktor des Nationalparks Gesäuse, „sondern dass sie im Winter unsere Routen annehmen, auf dem Weg bleiben und nicht zu viel stören – zum Beispiel die speziellen Gebiete von Auerhuhn und Birkhuhn. Das funktioniert aber sehr gut. Jeder Gast ist für Routeninformationen dankbar.“

Die Nationalparkgemeinde und das Bergsteigerdorf Johnsbach im Ennstal etwa sind sehr beliebt für anspruchsvolle Tourengeher und Schneeschuhwanderer. „Bei uns gibt es nur zwei Richtungen: steil bergauf und steil bergab“, beschreibt Hollinger seine Heimat, das „Gseis“. Aber auch der Genuss soll nicht zu kurz kommen, wie Wölger festhält: „Wir haben viele Wanderwege und tolle Schutzhütten mit super Wirten und Spitzenweinen.“

Alpiner Gedenkort

Eine Besonderheit von Johnsbach ist auch Österreichs größter Bergsteigerfriedhof mit Blick auf den Großen Ödstein, einem der Gipfel der markanten Hochtorgruppe. Seit 1810 finden hier verunglückte Bergsteiger, Pioniere und Bergkameraden aus aller Welt ihre letzte Ruhe. Die Gräber, Tafeln und Inschriften erinnern an ihre Schicksale. Viele berühmte Bergsteiger haben im Gesäuse ihre Passion gefunden.

Zu etwas kleiner bemessenen Abenteuern motivieren im Winter die Routen für Skitouren und Schneeschuhwanderer. Während Pioniergeister gern vorausstapfen und den unberührten Schnee niedertreten, folgen andere in den schon leicht glatt gelaufenen Spuren. Gut ausgerüstet und informiert oder in Begleitung eines erfahrenen Rangers lässt der Wintergenuss nicht lang auf sich warten. Und auch wenn sich kein Tier blicken lässt – die Spuren verraten, dass es da ist.

NATIONALPARKS

Kalkalpen: www.kalkalpen.at

Forsthaus Bodinggraben

Jagahäusl: Einkehr nach Wanderungen www.jagahaeusl.at

Gasthaus Kraml: einfache Zimmer, regionale Küche, www.steiner-kraml.at

Gesäuse: www.nationalpark.co.at

Ebneralm: Hütte zur Einkehr mit Rodelbahn durch die Teufelsklamm in Johnsbach, www.gesaeuse.at/poi/ebneralm/

Kölblwirt: Gemütliches Wirtshaus, einfache Zimmer in Johnsbach, www.koelblwirt.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2018)

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