Slowakei: Die Ruinen und Burgen des Waagtals

Über dem Waagtal thront die Burg Trenčin.
Über dem Waagtal thront die Burg Trenčin. Imago
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Gibt es eine Gräfin Dracula? Nicht in Transsilvanien, aber in der Westslowakei. Was den Siebenbürgern ihr Schloss Bran, ist den Slowaken die schaurige Ruine Čachtice.

Die im unteren Waagtal gelegene frühgotische Burg wurde einst vom ungarischen Magnaten Matthias Csák beherrscht. Im 16. Jahrhundert übernahm sie das Geschlecht der Nádasdy. Franitšek Nádasdy heiratete 1575 die damals 14-jährige Gräfin Elisabeth Báthory. Ihr Name ist es nun, mit dem die Ruine heute untrennbar verbunden ist.

Denn nach dem Tod ihres Gemahls 1604 soll die Witwe Dienerinnen aus der unterhalb gelegenen Ortschaft grausam gefoltert und ermordet haben, um in deren Blut zu baden. Letzteres ist eigentlich unmöglich, da Blut an der Luft bekanntlich stockt. Tatsache ist jedoch, dass die von der Bevölkerung zu Hilfe gerufenen Inspektoren des ungarischen Königs Mädchenleichen auf Schloss Čachtice gefunden haben. Die „Blutgräfin“ wurde daraufhin gefangen gesetzt, allerdings nie vor Gericht gestellt. Auch das Folterinstrument Eiserne Jungfrau fand man nie. Elisabeth Báthory starb 1614 im Alter von 54 Jahren im Turm der Burg. Heute ist sie fast so legendenumwoben wie Graf Dracula. Die Touristiker sind bemüht, das nahe der tschechischen Grenze idyllisch gelegene, sich aber kaum von anderen Burgruinen unterscheidende Anwesen zu einer gruseligen Attraktion zu machen.

Wer sich also einen wohligen Schauer über den Rücken rieseln lassen möchte, könnte auch einmal nach Nordosten (statt in den Südwesten) fahren. Keine zwei Autostunden von Wien entfernt ist eine zugleich fremde und doch vertraute Welt zu entdecken.

So nah und doch so fern

Für viele Österreicher ist die Westslowakei einerseits eine Terra incognita, andererseits hat die Region Trenčín im Waagtal manches mit heimischen Gegenden gemeinsam: Burgen, Schlösser, Kurorte und – eine gute Küche. Mächtig ragt zum Beispiel östlich vom Ortskern des schmucken Städtchens Trenčín die das Tal beherrschende Burg auf. Die Festung entstand im elften Jahrhundert am Handelsweg von Nordungarn nach Mähren und Polen. Ihre Blütezeit erlebte sie unter Matúš Čák (ungarische Schreibung) an der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert.

Am Haus des Henkers vorbei geht es steil hinauf auf die imposante Burganlage. Von dort hat man einen großartigen Blick auf die an die Burg angeschmiegte Stadt und das Waagtal. Viel ist vom mittelalterlichen Zustand der Burg nach einem großen Brand Ende des 18. Jahrhunderts nicht mehr übrig. Doch lohnt sich auch eine Führung durch die noch zu ČSSR-Zeiten restaurierte Burg. Man erfährt dabei viel über die europäische Entwicklung in unserer östlichen Nachbarschaft.

Man kann die Besichtigung der Burg und Stadt Trenčín zwar als Tagesausflug planen, besser wäre es aber, man bleibt über Nacht. Dabei empfiehlt es sich, im komplett renovierten Hotel Elizabeth abzusteigen. Von einem Balkon im ersten Stock dieses Hotels ist nämlich die in den Burgfelsen gehauene, berühmte römische Inschrift zu sehen, die die Anwesenheit der Truppen Marc Aurels im Jahr 179 nach Christus bezeugt. Die Römer haben hier gegen die Quaden gekämpft. Vom Hotel sind es nur ein paar Schritte zum Bierhaus Lanius in der Fußgängerzone. Dort sind Biere zu verkosten. In dem Bräuhaus werden nämlich ausschließlich für das eigene Lokal sechs verschiedene Biere gebraut, auch ein so exotisches wie Ananasbier. Dazu werden Spezialitäten aus der regionalen Küche gereicht.

Lichtspiele auf Kirchenfassade

Verlässt man das Lokal nach links in Richtung Stadttor und schaut auf die Piaristenkirche, könnte man denken, stärker illuminiert zu sein als gedacht. Denn auf die Fassade der Barockkirche werden abends von Künstlern gestaltete Lichtprojektionen geworfen, die mit Farben und Formen beeindrucken. Solcherart erleuchtet, ist man gewappnet für den nächsten Ausflugstag.

Dieser könnte – je nach Lust und Laune – entweder ins Hamam von Trenčianske Teplice oder in das Märchenschloss Bojnice führen. Der Kurort liegt in einem schmalen Seitental etwas westlich der Waag. Dort entsprang im Mittelalter mitten in einer Bäckerei eine warme Quelle, über der Ende des 19. Jahrhunderts Ifigenia Illésházy ein Heilbad in maurischem Stil errichteten ließ. Es wurde zur Berühmtheit, die nicht nur Pauline Metternich, sondern später auch zahlreiche Prominente aus Film und Fernsehen anlockte.

Fährt man aber nach Osten nach Prievidza, meint man sich nach Neuschwanstein versetzt. Am Ortsrand von Bojnice sieht man plötzlich vier Türme emporragen. Tatsächlich stammt das romantische Aussehen des Schlosses aus dem 19. Jahrhundert, die Grundmauern sind aber viel älter. Heute beherbergt das Märchenschloss einen Teil des slowakischen Nationalmuseums mit fast 6000 Ausstellungsstücken. Es bedarf also Zeit, um von den Tropfsteinhöhlen im Keller über den Gobelin mit „Joseph und seinen Brüder“ im Festsaal und im „Spielzimmer“ bis zur Turmstube sämtliche Schätze in Augenschein zu nehmen. Auf dem Hügel hinter dem Schloss gilt es dann noch, den kühn konstruierten Aussichtsturm zu besteigen, den Blick zu genießen und auf dem „Tobogan“ in acht Sekunden hinunterzurutschen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2018)

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