Tirol: Beschaulich die Kulisse, schweißtreibend das Programm

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Symbolbild(c) Erwin Wodicka
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Zwischen Karwendel und Wetterstein liegt nicht nur der Olymp für Langläufer, Biathleten und Musher, sondern auch eine Wellnesshochburg.

Seefeld. Eigentlich müsste Seefeld ja Schneefeld heißen, denn Frau Holle hat es heuer besonders gut mit der Tiroler Olympiaregion gemeint. Überall auf den Tannen- und Kirchturmspitzen sieht man glänzende Lichtlein, die winterliche Landschaft erstrahlt in Eisblumenweiß. Atemberaubend schön und atemberaubend still ist es hier. Leise knirscht der Schnee auf den Loipen, leise tröpfelt der Schweiß vom Angesicht all jener, deren Muskeln weniger gut erhalten sind.

Das Idyll von der geschmeidigen Eleganz der Langläufer trügt. So sieht es nur bei den anderen aus. Man selbst, wenig vertraut mit diesen wackeligen Brettern, gleicht eher einem sterbenden Schwan, der noch einmal verzweifelt mit den Flügeln schlägt, bevor er im Schnee versinkt. Doch schon naht ein rettender Engel in Gelb. Über zwanzig gibt es mittlerweile davon. Sie tragen Namen wie Florian, Thomas oder Sylvia und sorgen für professionelle Auferstehungen, ganz ohne dreitägige Wartezeit.

Es gilt die Notsturzregel

Martin Tauber, der umtriebige Kopf dieser Rettungsgarde für dilettantische Langlaufneulinge (auch Fortgeschrittene werden von seiner Cross Country Academy bestens betreut), bringt neben fachlichem Wissen, Weltcup- und Olympiaerfahrung auch rhetorische Trostpflaster ein. „Das fällt unter die Notsturzregel“, kommentiert er das Geschehen. „Wer mit seinem Hinterteil im Schnee landet, bevor es zur Kollision mit dem Vordermann kommt, geht jedenfalls straffrei aus.“

So betrachtet erscheint alles in einem anderen Licht. Wir waren gar nicht ungeschickt, wir haben nur Unfallprophylaxe betrieben. Denn irgendwo gibt's immer einen Vordermann auf dem 279 Kilometer langen Streckennetz, dessen Instandhaltung immerhin mit 800.000 Euro zu Buche schlägt. Die geduldigen Instruktoren der „xc-academy“ treiben einem aber schon bald jegliche Hinfälligkeit aus. Kopf nach oben, Füße auf dem Boden lassen, möglichst lange Schritte tun. Und siehe da: Es geht, und langsam läuft man schon – entweder durch tief verschneite Wälder und Felder oder in Richtung Biathlon-Parcours. Wo man, versehen mit echter 5,6-Millimeter-Kleinkaliber-Munition, wieder auf dem Boden landet. Diesmal aber gewollt und mit dem Hinterteil nach oben.

Unti, der schussfeste Biathlon-Trainer der Truppe, hat jedes Muskelzucken seiner Scharfschützen bestens im Visier. „Und das Ganze noch ein wenig explosiver, bitte“, feuert er seine Schützlinge an. Was gar nicht so einfach ist, weil man vor lauter Strafrunden schon gehörig ins Zittern kommt. Die Abfolge von Laufen-Liegen-Zielen verlangt dem Körper einiges ab. Aber lebens- beziehungsweise gesundheitsgefährdend wird es nie. Ganz im Gegenteil. „Gesundheitsbewusste Menschen steigen verstärkt aufs Langlaufen um“, bemerkt auch Martin. Auf den Loipen ist das Risiko gerissener Kreuzbänder geringer, die Endorphinausschüttung höher als beim Alpin-Ski. Und wer anfangs noch gelitten hat, entflammt bald in schneeblinder Leidenschaft für diesen Sport.

In Seefeld beweisen nicht nur die Athleten, sondern auch die Hütten- und Herbergswirte Klasse in den Disziplinen Kulinarik und Wellness. Walter Reindl etwa, Wirt der auf 1338 Metern gelegenen Wildmoosalm und Träger des „Hüttenknödels in Gold“, ist der Konkurrenz in Sachen „Fleischkas“ und „Kaiserschmarrn“ weit voraus. „Schatz, du hast a Schwein, weil in mein Kas kommt so a Vieh net rein“, meint er und schwingt dabei stolz das Hackebeil. Walter ist ein Unikat, die Dessertvariationen werden mit Blaulicht serviert, das Dekor besteht aus violinspielenden Füchsen und blumigen Krokodilen, der Schnaps rinnt vom Plafond und auf besondere Nachfrage findet sich sogar ein guter Zweigelt hinterm Tresen. Sollte man dann beim Abstieg im Schnee stecken bleiben, liegt es jedenfalls an Walters kalorischem Überangebot und nicht am Zustand der Pfade.

Trainieren über den Dächern

Auf den 140 Kilometer Winterwanderwegen und den acht Schneeschuhpfaden rund um Seefeld kommt man gut voran. Und wenn man sich gerade auf einer speziellen „Trappertour“ mit dem Musher Martin Ripfl-Marx und seinen Huskies befindet, holt man sich nicht einmal kalte Füße. Walker, Tiger oder Maggy als Vorspann ziehen einen auf Kommando mit, die Meute jedoch in Zaum zu halten bringt den Zweibeiner recht ordentlich ins Schwitzen. Dabei sollte man üben: Regelmäßig finden in der Region, zuletzt in Scharnitz, internationale Schlittenhunderennen statt.

Hernach sind Entschleunigung und Entspannung angesagt. Ein Leichtes, weil Seefeld angeblich die höchste Konzentration an Wellnessbetrieben im Alpenraum aufweist. In über zwanzig Hotels legen Masseure Hand an die Muskeln. Nahezu schwindelerregend sind die Aussichten im Hotel „Krumers Post“, der Spa- und Wellnessbereich liegt hoch über den Dächern des Ortes. Krumer bedeutet im Lokaldialekt übrigens Kramer, doch mit Kleinkram geben sich die Hoteliers nicht ab. Hinter den Mauern des historischen Gebäudes wurde vieles auf den letzten Stand gebracht: Wasserbetten mit 360-Grad-Blick, kunstvolle Holzvertäfelungen, Steinwände, Damensauna, Zimtaufgüsse. Als veritabler Augenschmaus entpuppt sich auch das Kulinarikangebot, etwa die museale „Löffelstube“, wo hunderte Löffel hoch oben an der Wand hängen. Vermutlich aus Sicherheitsgründen, damit kein Gast auf die Idee kommt, den seinen allzu früh abzugeben.

Tirol, nordisch

Langlauf und Biathlon aller Leistungsklassen:Skischule Cross Country Academy Martin Tauber,
T 0664/2187871, www.xc-academy.com

Trappertouren, Hundeschlittenfahrten, Eisklettern: Tirol Alpin
Natur events & trainings Ripfl-Marx
Martin e. U. T 05214/51 52,
www.tirolalpin.at

Hütten und Hotels:Wildmoosalm/Seefeld, T 05212/30 66, www.wildmoosalm.at

Ropferstubm/Telfs-Buchen, T 052 62/659 49, www.ropferstubm. com

Krumers Post, Hotel & Spa/Seefeld
T 05212/22 01, www.krumers.com

Die Olympiaregion besteht aus fünf sehr unterschiedlichen Orten: Seefeld, Leutasch, Mösern/Buchen, Reith und Scharnitz. T 050880-50, www.seefeld.com

Tirol-Info: www.tirol.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2012)

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