Flugschämer

Der weltweite Flugverkehr sei lediglich für zwei Prozent der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich.
Der weltweite Flugverkehr sei lediglich für zwei Prozent der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich.(c) imago images / fStop Images (Malte Mueller)
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Modewort „Flugscham": Sind Vielflieger denn arge Verbrecher? Und vegetarische Vielflieger?

„Wegen deiner Vergnügungssucht lässt du Idiot meinen Meeresspiegel an- steigen, verpfuschst den Kindern die Zukunft und erzeugst mir diesen brennheißen Sommer!" Derartige Empörungsreden mit religiösem Unterton hören Fernurlauber neuerdings oft – und verspüren dabei „Flugscham", das katerähnliche Gefühl des Vielfliegers beim Gedanken an seinen CO2-Fußabdruck oder an schmelzende Pol­kappen. Individuell können Flugschämer Gewissensverbesserung mit dem Ankauf von Emissionskompensationen betreiben, doch das Individuelle greift zu kurz. Anders gesagt, durch meine Entscheidung für Fair-Trade-Bananen verbessere ich noch lang nicht die Produktionsbedingungen auf den Plantagen, denn die Logik des Welthandels bleibt von meinem Kaufverhalten unberührt. Globale Erwärmung ist kein Resultat individueller Fehler, sondern unserer Wachstumslogik. Solange wir Wachstum säen, werden wir keine Nachhaltigkeit ernten.

Den nötigen Paradigmenwechsel muss, mit unserer gnadenlosen Unterstützung, die Politik leisten. Wir brauchen endlich eine Kerosinsteuer. Die Luftfahrtindustrie sollte per Gesetz zum Ausbau klimaoptimierter Flug­routen gedrängt werden – und mittelfristig ihren Treibstoff durch Wasserstoff ersetzen. Flugreisen sind bisher zu billig. Zudem sollte einberechnet werden, welchen Schaden das ungebremste Wachstum des Flugverkehrs anrichtet. Ein Werbeverbot für Airlines, vergleichbar mit dem für Zigaretten, wäre ein sinnvoller Schritt. Klimaschutz- und Reiseexperte Niels Boeing rechnete aber kürzlich in der „Zeit" vor, dass der weltweite Flugverkehr lediglich für zwei Prozent der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich sei. Die Zementproduktion trug im selben Jahr vier Prozent bei, die restliche Bauindustrie gar ein Zehntel. Wichtigster CO2-Verantwortlicher ist jedoch die Nutztierhaltung: Sie stößt bei stark steigender Tendenz gut die Hälfte der Gesamtemissionen durch Landnutzung, Atmung und Methanausstoß aus. Ein vegetarischer Vielflieger braucht sich genau genommen gar nicht zu schämen.

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