Mit Blick auf die Dolomiten ins Landleben eintauchen

Aussicht aufs idyllische Tal und die Geisler
Aussicht aufs idyllische Tal und die GeislerCarolina Frank
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Anpacken am Hof, Austausch in der Stube, Ruhe in der Natur: Bei Bauern im Eisacktal und dessen Seitental Villnöss.

Eng windet sich die Straße hinauf zu den Bergbauernhöfen von Coll. Ungeübte Städter mit großem Auto befahren die schmalen Kehren mitunter ehrfürchtig. Die Anfahrt lohnt sich aber, allein wegen der Aussicht: Jeder bewältige Höhenmeter gibt mehr vom Blick auf eine Landschaft frei, die gleichfalls Ehrfurcht weckt. Die felsigen Spitzen der Geisler, der Dolomitengebirgsgruppe im Südtiroler Naturpark Puez-Geisler, strecken sich gegenüber imposant der Sonne entgegen. Diese taucht die Coller Hangseite in warmes Licht.

Zwischen den steilen Hängen schmiegt sich unten St. Peter ins Villnösstal. Die beschauliche Ortschaft ist die größte von acht Ansiedlungen, die sich neben verstreuten Gehöften lose auf die sanfthügeligen 24 Kilometer von Villnöss – zwischen einer Schlucht an der Eisack und dem waldigen Talschluss unterhalb der Geisler – verteilen.

„Hier kannst du stundenlang unterwegs sein, ohne einen Menschen zu treffen“, schwärmt der junge Landwirt Herbert Fischnaller, als die Kehren überwunden sind und man vor seinem Putzerhof parkt. Er hat den Erbhof von den Eltern übernommen, beide Generationen leben unter einem Dach. Auch die Brüder sind nicht fern, eine Landwirtschaft weiter unten. Von wegen Abwanderung ins nahe Brixen oder belebte Bozen: Die Ruhe, Abgeschiedenheit und Naturnähe hält viele der jüngeren Generationen. Und sie lockt Gäste: Bei Bauern wie Fischnaller in den ländlichen Alltag fern des Massentourismus eintauchen, um urtümliches Landleben zu erfahren, aber auch, dass Urlaub auf dem Bauernhof mehr als Tiere streicheln verheißt. Nämlich ein zukunftsweisendes Reisen vermittelt: nachhaltig, umweltbewusst.

Austausch statt Instagram

Möchte man auf Fischnallers Putzerhof eine Ferienwohnung beziehen, etwa die „Broatschrogn“ – früher war der modern renovierte Raum die Kammer zum Trocknen frischen Brotes –, sieht man weiße Blumen: Sie dienen als Qualitätszeichen der Marke Roter Hahn, der sich über 1700 bäuerliche Betriebe über den Südtiroler Bauernbund angeschlossen haben. Alle wollen sie Landwirtschaft zum Anfassen vermitteln. „Das muss man aus der Substanz heraus leben“, ist Fischnaller überzeugt; was das bedeutet, zeigt er, während er über seinen Hof führt. Klein und überschaubar ist sein Angebot, statt 200 Betten vermietet er nur wenige Wohnungen. Katzen streichen auf dem Weg zum Stall um die Beine. Das Braunvieh darf im Sommer auf die eigene Alm, zwei Schweine leben und sterben zur Eigenversorgung direkt auf dem Hof: In der Speckkammer wird deren Fleisch mit Wacholder kalt geräuchert, baumelt dann länger zum Reifen.

Hauseigene Produkte zählen zu den Kriterien für die Rote-Hahn-Qualität (manch ein Bauer führt einen Hofladen zum Verkauf) – ebenso wie ein guter Kontakt zwischen Bauern und Besuchern. In der Stube, dem Herzstück eines jeden Hofs, ist der Austausch am lebendigsten. So endet die Führung in diesem holzverkleideten Raum, ein wenig vergilbte Familienbilder an den Wänden, ein wohlig warmer Ofen mit Liegeplatz im Eck. „Da sind wir schon als Kinder gelegen“, erinnert sich Fischnaller, als er eine traditionelle Marende serviert: Die Jause mit Schüttelbrot, würzigem Käse und Kaminwurzen verspeist man gern mehrmals täglich. „Das Phänomen Overtourism ist auch schon an diesen Ort gekommen“, erzählt er von Reisegruppen im Sommer, auf der Durchreise für ein Instagram-Foto, einen schnell konsumierbaren Eindruck. „Wir versuchen, andere Werte zu vermitteln.“ Wer sich darauf einlässt, kann in familiäres Geschehen eintauchen: etwa beim Kochen, Werken oder Wandern.

Duftendes Kulturgut

Im wuchtigen Steinofen flackert eine zarte Flamme, heraus strömen Rauch und der Duft nach Anis, Fenchel, Kümmel und Brotklee. Wenige Minuten später fischt Leo Obexer mit einem Schieber Bauernbrote aus der Hitze, putzt die Ofenfläche rasch mit einem Fetzen. „,Zuisl heißt der in Südtirol“, ruft er, während er die nächste Fuhre vorbereitet. Rund 30 Kilo Teig warten. Obexer hat ihn – neben den Gewürzen sind Roggen, Weizen, Germ enthalten – zuvor lang geknetet und gehen lassen. Beim Backen helfen drei Generationen: Während Sohn und Vater über die richtige Temperatur fachsimpeln, formen Obexers Schwiegermutter und seine Frau kleine Laibe, deren Schwester zerstückelt die fertigen mit einer „Brockengrommel“. Brotbacken ist eine aufwendige Tradition, die nur mehr wenige im Villnösstal pflegen. Der Pineiderhof, den Obexer am Hang der Coller Straße führt, gehört dazu.

Mehrere Bauern des Tals ermöglichen, an dem duftenden und wohlschmeckenden Kulturgut teilzuhaben. Auch auf dem Pineiderhof kann man sich rund ums Jahr als Bäcker probieren; allerdings kommt meist Pizza in den Ofen. Das geht schneller, genug andere Aufgaben warten: Die Milchwirtschaft, Hofprodukte, auch Nebenerwerbstätigkeiten. Die Landwirtschaft steht im Mittelpunkt, allein von ihr zu überleben ist schwierig. Gäste bringen Zuverdienst. „Unser Erbhof ist seit dem 14. Jahrhundert im Besitz, die Schwiegermutter hat Ende der 1960er zu vermieten begonnen. Ab da kamen viele Wanderer“, holt Obexer in der rustikalen Stube aus. Ein Prachtraum: Zirben- und Fichtenholz kleiden ihn (Pineid kommt von lat. pinetum, Fichtenwald), neben dem obligatorischen gemauerten Ofen und Bildern verstecken Wandkästen eine alte Apotheke und Bücher. Gemütlich zusammensitzen, als ob die Zeit stillstünde: hier ohne weiteres möglich. „Früher urlaubte das gut situierte Bürgertum auf dem Bauernhof, dem es im Tal zu heiß war. Jetzt ist das Bild ein anderes: das von sanftem Tourismus“, verdeutlicht Sandra Knoflach vom Roten Hahn bei deftigem Essen (etwa Blattln: frittiertem Kartoffelteig mit Kraut) auf dem Griesserhof in Vahrn bei Brixen. Auch Schankbetriebe wie dieser tragen die Marke als Qualitätssiegel: Auf nahen Rebhügeln wachsen regionale Sorten wie Kerner in integriertem Anbau, naturnah, ohne Insektizide.

Holzspäne fliegen durch die Luft, monoton klopfen Werkzeuge: Auf dem Thalerhof bei Feldthurns im Eisacktal (mit Blick auf Villnöss und Dolomiten) kann man beim Bauern Herbert Kerschbaumer anpacken und Kunst aus Holz schaffen. Neben der Hofarbeit feilt der Bildhauer stets an Aufträgen und Figuren für Ausstellungen. Stolz zeigt er Werke aus Altholz der Region, aus Zirbelkiefer oder Kastanie. Für Anfänger gibt er Kurse in der Werkstatt: Und während man versucht, nach Vorlagen zu arbeiten, ohne die Finger zu erwischen, Kerschbaumer vom Alltag erzählt, es langsam dunkel wird, weil man so vertieft geschnitzt hat – merkt man, wie sehr man schon eingetaucht ist in das Leben auf dem Land.

Auf einen Blick

Roter Hahn: Südtiroler Marke für Urlaub auf dem Bauernhof, Schankbetriebe, bäuerliches Handwerk und hofeigene Produkte, www.roterhahn.it

Höfe: Griesserhof mit Buschenschank, www.griesserhof.it, Thalerhof mit Schnitzkursen, www.thalerhof.it

In Villnöss: Putzerhof, www.putzerhof.eu

Pineiderhof, www.pineiderhof.it

Compliance: Die Reise erfolgte auf Einladung des Roten Hahns.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2019)

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